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26.06.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

es gibt Briefe, die sind geradezu „Ölke oppet Seelke“, wie wir in unserm alten ostpreußischen Platt zu sagen pflegen. Man kann es auch so formulieren: Er flutscht wie Schmand. Besagt beides dasselbe: Solch ein Brief tut einfach gut. Jedenfalls mir und, wie ich glaube, auch vielen heimattreuen Leserinnen und Lesern, und deshalb will ich gleich mit ihm beginnen. Er kommt aus Dresden, geschrieben hat ihn Herr Professor Dr. Ing. Günter Hertel, der uns zuerst ein hohes Lob spendet, denn er findet unsere Ostpreußische Familie bewunderungswürdig. Und obwohl er keine familiären Beziehungen zu Ostpreußen hat, bezeichnet er sich doch als unser Landsmann, und das zeigt er auch öffentlich. Denn sein Auto trägt das Kennzeichen DD-OF 2005, wobei OF für „Ostpreußenfan“ steht und die Jahreszahl für seinen ersten Besuch in Ostpreußen. Doch damit nicht genug, denn an beiden Seiten ist der Wagen mit Königsberger Motiven versehen, wie das Foto zeigt. Seit der in Plauen/Vogtland geborene Dresdener vor fünf Jahren zum ersten Mal in unserer Heimat war, hat ihn vor allem die Elchniederung fasziniert, und diese weite, stille Landschaft am Kurischen Haff zieht ihn immer stärker an, so dass Professor Hertel beschloss, seine Liebe zu diesem Land auch aktiv zu beweisen. So engagiert er sich in einem Projekt für die Erhaltung der Kirche in Alt-Lappienen/Rauterskirch, denn dieser berühmte achteckige Barockbau ist in einem ruinösen Zustand und verfällt immer mehr. Die 1700 eingeweihte Pfarrkirche kann auch als Vermächtnis einer für die damalige Zeit ungewöhnlichen Frau gelten, denn sie wurde von der „Rauterin“ erbaut, jener Luise Katharina von Raut(t)er aus Willkamm im Kreis Gerdauen, die in erster Ehe mit dem Oberbaumeister des Großen Kurfürsten Philipp von Chièze verheiratet war. Dieser hatte Ländereien im Sumpfgebiet am Kurischen Haffe erworben, die er gegen das von ihm gebaute Schloss Caputh eingetauscht hatte. Gemeinsam mit seiner Frau begann er das Land zu entwässern, indem er den Großen und Kleinen Friedrichsgraben baute und damit zugleich die wichtige Schifffahrtsverbindung des Pregel – über Deime und Gilge – mit der Memel schuf. Da Chieze schon mit 43 Jahren verstarb, beendete die Rauterin dieses Mammutprojekt. Wie auch den Bau der Kirche in Alt-Lappienen, das nach dieser tatkräftigen Frau in Rauterskirch umbenannt wurde. Sie verstarb 1703 im Alter von 53 Jahren, nachdem sie auch ihren zweiten Mann, den Reichsgrafen Wolfgang Christoph Truchseß zu Waldburg, früh verloren hatte.

Soweit ein Quäntchen Heimatgeschichte, die ich immer gerne in meine Kolumne einbaue, um solche Projekte wie das von Herrn Professor Hertel mitgetragene für alle Leser verständlich zu machen. Er selber hat versucht, dies auch den Russen zu vermitteln, indem er vor einigen Wochen im Deutsch-Russischen Haus in Königsberg einen Vortrag über die Kirche und ihre Sicherung hielt. Der Direktor des Hauses hat ihm versprochen, die Präsentation auf Tafeln auszustellen. Aber nun sind auch unsere Leserinnen und Leser als Informanten gefragt, denn wahrscheinlich können nur sie weiterhelfen. Herr Professor Hertel hat vier Fragen formuliert, von denen drei die Kirche von Alt-Lappienen betreffen. Wurde die Orgel der Kirche von Alt-Lappienen vor/nach 1945 nach dem Nachbarort Seckenburg an der Gilge ausgelagert oder wurde sie gestohlen? Wenn sie ausgelagert wurde, gibt es hierzu Informationen zum weiteren Verbleib? Wo sind die Kirchenbücher geblieben, wurden sie ausgelagert oder sind sie vernichtet worden? Die vierte Frage betrifft die Kleinbahn von Klein-Amerika (diesen Ort gab es tatsächlich in der Niederung) nach Seckenburg über Rauterskirch. Wer besitzt noch über diese Sekundärbahn irgendwelche Dokumente wie Fahrpläne, Fahrkarten, Berichte, Fotos oder andere Erinnerungen? Herr Prof. Hertel versichert, dass er alles pfleglich behandeln wird. Hoffen wir, dass der „Ostpreuße vom Herzen“, wie er sich selber bezeichnet, in unserem Leserkreis ein gutes Echo findet. (Prof. Dr. Ing. Günter Hertel, Telefon 0351/8797920, E-Mail: GUENTER.­H.­HERTEL_IBH@web.de)

Ach ja: Die alte Postkarte von Gilge, die wir in Folge 23 brachten und die ich Interessenten aus unserem Leserkreis überlassen wollte, hat Herr Professor Hertel erhalten, weil er der Erste war, der sich meldete. Und prompt folgten dann noch einige Bewerbungen, aber das hatte ich schon eingeplant. Und auch sie konnte ich zufrieden stellen, denn ich besaß noch einige Exemplare, die ich über Jahrzehnte sorgsam gehütet hatte. Sie wurden mir in den 70er Jahren von einem älteren ostpreußischen Ehepaar übergeben, das einen Karton mit Postkarten gerettet hatte. Neben der Ansicht von Gilge gab es noch zwei Elch-Motive. Ich bin mit diesem Erbe sehr behutsam umgegangen, habe sie in all den Jahren nur an Heimatfreunde übergeben, die eine echte Beziehung zu Niederung und Nehrung hatten, dadurch konnte ich eben einige Karten noch bis heute bewahren.

„Da kann nur noch die Ostpreußische Familie helfen!“ Diesen Rat bekam Herr Jürgen Haßelhuhn aus Aachen von einem guten Freund, der sein „Problemchen“ kennt. Da er selber Abonnent unserer Zeitung ist und immer unsere Kolumne liest, erscheint ihm das auch glaubhaft. Mir weniger, da das „Problemchen“ mir doch reichlich problematisch erscheint. Herr Haßelhuhn stützt sich auf die Aussagen seiner Großmutter, aber diese sind ihm nur vage in Erinnerung. Lina Emile Heiland geborene Demke wurde 1884 in Wilkendorf, Kreis Wehlau geboren. 1925 kaufte sie in Danzig-Langfuhr in der Eigenhausstraße das Reihenhaus Nr. 22. Davor wohnte sie in Danzig-Langfuhr, Johannistal 1. Sie muss dort Untermieter gehabt haben, denn aus ihren Erzählungen ist Herrn Haßelhuhn noch in Erinnerung geblieben, dass zwei Studenten der nahe gelegenen Technischen Hochschule bei ihr logierten, darunter auch ein „Mannesmann“. Nachforschungen bei der Industriellenfamilie erbrachten kein Ergebnis. Wir werden da auch kaum weiterkommen, denn Herrn Hasselmanns Hoffnung, dass jemand zu dem Industriekonzern Verbindung hat und über die Familienverhältnisse Bescheid weiß, dürfte sich nicht erfüllen. Aber vielleicht gibt es unter unsern Lesern ehemalige Absolventen der TH Danzig, die sich an diesen Namen erinnern oder die wissen, wo es noch Unterlagen über die damals im Freistaat gelegene Hochschule gibt. Auch ehemalige Nachbarn und Bekannte von Frau Heiland sind gefragt. (Jürgen Haßelhuhn, Schwalbenweg 19 in 52078 Aachen, Telefon 0241/571443.)

Für viele Fragen ist es eben schon sehr spät, oft zu spät, wie auch Frau Angelika Zitzelsberger-Schlez aus Neckergemünd selbstkritisch feststellt, aber bei ihr bin ich doch etwas optimistischer, weil ihre Angaben viele Namen und Fakten enthalten, die das Suchen wesentlich erleichtern. Sie selber wurde 1943 in Gumbinnen geboren, ihr Vater Siegfried Ebner, *29. Januar 1916, war zu der Zeit Unterleutnant der Luftwaffe. Seine Eltern, Curt Ebner und dessen aus Labiau stammende Frau Charlotte geborene Brassat, hatten in der Wilhelmstraße 33 in Gumbinnen einen größeren Betrieb mit Kolonialwarenhandlung, Konservenfabrik, Kohlenhandlung und einer Brauerei, die ein Spezialbier, „Ebners kleine Braune“, braute. Schon diese Angaben werden genügen, um bei älteren Gumbinnern Erinnerungen anzuzapfen, die für seine Tochter wichtig sind, denn sie möchte Kindheit und Jugendzeit ihres Vaters Siegfried transparenter machen, weil sie darüber so gut wie nichts weiß. Anders liegt die Sache bei der mütterlichen Familie. Ihre Mutter Ilse Wenger wurde am 4. August 1918 in Königsberg geboren. Die Großeltern Franz Emil Wenger und Johanna geborene Hennemann betrieben in der Blücherstraße 7 ein Kolonialwarengeschäft. Der Großvater, der leider schon zwei Jahre nach der Geburt seiner Tochter starb, stammte aus Reckeln, Kreis Stallupönen, sein Vater Leopold Wenger war Gutsbesitzer und mit Pauline geborene Wieprecht verheiratet. Ilse Wenger besuchte bis zur Untersekunda das Körte Oberlyzeum in Königsberg, eine Schulkameradin von ihr war Christel Ludszuweit. Später wohnte sie in der Richard-Wagner-Straße und in der Langen Reihe, eine Nachbarin hieß Erna Bremse. Die Hochzeit Ilse Wengers mit Siegfried Ebner fand im Mai 1942 in Königsberg statt, ein Trauzeuge war ein Freund des Bräutigams, Egbert Wantia. „Vielleicht hat ja meine Anfrage Erfolg und es gibt Menschen, die mit den genannten Namen etwas anfangen können, die bitte ich um Nachricht!“ Mit diesem Satz beendet Frau Zitzelsberger-Schlez ihr langes Schreiben, das noch weitere Fragen enthält, die aber ohne Familien-Hilfe bearbeitet werden können. Es bleibt ja auch so genug! (Angelika Zitzelsberger-Schlez, Peter-Schnellbach-Straße 36 in 69151 Neckargemünd.)

„All die Jahre hat mich eines immer betrübt, nämlich, dass ich nichts von meinen Vorfahren weiß und somit auch nichts an meine Kinder und Enkelkinder weitergeben kann“, schreibt Herr Jürgen Neumann aus Kronach. Es sind nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte der Ungewissheit, denn Herr Neumann ist heute 71 Jahre alt und kann niemanden mehr befragen. Bei seiner Mutter, die im Jahr 1988 verstorben ist, wäre es wohl auch zwecklos gewesen, denn sie hat ihren Kindern weder von ihrer Familie noch von der ihres vermissten Mannes berichtet. Sie konnte oder wollte nicht darüber sprechen, so ging es ja vielen Flüchtlingen, die über den Verlust ihrer Familienangehörigen und der Heimat nicht hinweg kamen. Was Herr Neumann bisher erfahren hat, ist wenig, könnte aber doch weiterhelfen. Zwar mussten wir ihm auf seine Anfrage nach „entsprechenden Unterlagen, die wir im Archiv hätten“ mitteilen, dass wir diese leider nicht besäßen, aber wir konnten ihm die Suchhilfe durch unsere Ostpreußische Familie anbieten, und die nahm er dankbar an. In Bezug auf die mütterliche Linie liegen einige konkrete Angaben vor. Seine Mutter Elfriede Marie Neumann kam am 27. April 1910 in Saleschen als Tochter des Försters Rudolf Lukas zur Welt. Deren Mutter war nach Angaben von Herrn Neumann eine außereheliche Tochter des Grafen, der auch der Arbeitgeber des Försters war. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Charlotte verstarb die Mutter, der Vater heiratete noch einmal, seine zweite Frau Hedwig schenkte ihm zwei Söhne, Hans und Horst. Mit ihnen wohnte er später in Lapsau bei Königsberg, soll aber früh verstorben sein. Charlotte, die jüngere Schwester seiner Mutter, war Patentante von Jürgen Neumann. Sie überlebte die Flucht und wohnte nach dem Krieg unter ihrem Ehenamen Klessen in Uhlyst, Kreis Hoyerswerda. Von den Stiefbrüdern seiner Mutter weiß Jürgen Neumann, dass Hans bereits während des Polenfeldzuges gefallen ist. Horst Lukas lebte nach dem Krieg zuerst in Ostberlin, hatte dann in Frankfurt am Main eine Baumschule, die wohl nach seinem Tode 1980 dessen Sohn übernahm.

Von der väterlichen Linie weiß Jürgen Neumann kaum etwas. Sein Vater Walter Theodor Neumann, *7. Juli 1909 vermutlich in Königsberg, war als Postmaschinist beim Postamt V in Königsberg tätig. Als sein Sohn Jürgen 1939 geboren wurde, war er bereits bei der Wehrmacht. 1945 wurde er verwundet und lag in Kronach im Lazarett. Von dort aus kam er wieder an die Front auf der Krim. Seit den Kämpfen bei Sewastopol wird er vermisst. Dessen Eltern, von denen nicht einmal die Vornamen bekannt sind, sollen in Königsberg verhungert sein. Elfriede Neumann lebte bis zur Flucht mit dem kleinen Jürgen und seiner Schwester in Kalgen an der südwestlichen Peripherie von Königsberg im Haus Bachweg Nr. 24 oder 27. Hier liegt einer der wenigen Ansatzpunkte für die Suche nach ehemaligen Nachbarn oder Freunden der Familie, die Herrn Neumann wenigstens etwas über das Umfeld seiner Kindheit mitteilen könnten. Für jede Zuschrift, die Heimat und Herkunft betreffen, wäre Herr Neumann dankbar. (Jürgen Neumann, Staibra 8 in 96317 Kronach, Telefon 09261/20969.) Eure Ruth Geede


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