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26.06.10 / Auf ewig gespalten / Roman über den jungen Artur Schopenhauer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Auf ewig gespalten
Roman über den jungen Artur Schopenhauer

Im Jahr des 150. Todestages Artur Schopenhauers (1788–1860) hat der Münchner Journalist und Autor Christoph Poschenrieder seinen ersten Roman herausgebracht, im er den Philosophen, der erst im fortgeschrittenen Alter als Theoretiker eines vernunftlosen Weltwillens berühmt wurde, als Hauptfigur agieren lässt. Poschenrieder hat Schopenhauers Italienreise vom Jahre 1818 zum Anlass genommen, um dessen damaligen Venedig-Aufenthalt humorvoll literarisch auszuloten, da der Reisende seinerzeit mit einem wohlwollenden, aber knapp gehaltenen Brief von Goethe ausgestattet war, dazu mit Goethes Karte und einem Empfehlungsschreiben, das vermutlich an Lord Byron gerichtet war. Sein Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ hatte der junge Schopenhauer bereits vollendet, es lag jedoch noch unveröffentlicht bei seinem Verleger Brockhaus.

Kaum hatte der Philosoph im Spätsommer 1818 Dresden in Richtung Italien verlassen, wurde die österreichische Staatsmacht auf ihn und seinen Reisegefährten, den Studenten Fidelis von Morgenrot, aufmerksam. Am Semmering hatte er ein gestürztes Pferd vor den Schlägen des Postillions geschützt und sich damit gemäß seiner Theorie verhalten, nach der Mitleid, auch das Mitleid mit Tieren, der einzige Grund des Menschen sei, uneigennützig zu handeln. Auf die erstaunte Frage, wer sie denn seien, gaben die beiden sich spaßeshalber als „Brahmanen“ aus, der eine, weil er in Indien die fernöstliche Vorstellungswelt kennengelernt hatte, der andere, weil ihn in der Dresdener Hofbibliothek seinerzeit die „Upanischaden“ fasziniert hatten. Die Auskunft wird dem Geheimdienst zugetragen und erscheint diesem suspekt, ebenso wie Schopenhauers Absicht, die Skandalfigur Lord Byron in Venedig aufzusuchen. Der Student und der mitleidsvolle Mensch gelten fortan als potenzielle Umstürzler und werden aus der Ferne von Fürst Metternich mittels der allerorten eingesetzten Spione beobachtet. Man begegnet übrigens in Schopenhauer keinem misantropischen Eigenbrötler und Weiberhasser, im Gegenteil, der junge Gelehrte, obschon ein Einzelgänger, ist weltoffen und dynamisch. In Venedig verliebt er sich heftig in die hübsche Tochter eines Gastwirts.

Die flüchtige Bekanntschaft mit Goethe hat er ja auch nur seiner Mutter Johanna Schopenhauer zu verdanken, die in Weimar einen beliebten literarischen Salon unterhält. Das ist seine Problematik: Einerseits ist Schopenhauer von dem bleibenden Wert des von ihm beschriebenen Systems überzeugt, auf der anderen Seite wird er wie alle Außenseiter von Selbstzweifeln gequält. Ob es in dem Roman tatsächlich zu einer Begegnung des Dandys und Dichters Byron mit dem kritischen Kopf aus Deutschland kommt, soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden.     Dagmar Jestrzemski

Christoph Poschenrieder: „Die Welt ist im Kopf“, Diogenes Verlag, Zürich 2010, gebunden, 342 Seiten, 21,90 Euro


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