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03.07.10 / Von CDU und SPD enttäuscht / Freie Wähler werden zum Sammelbecken frustrierter Bürger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Von CDU und SPD enttäuscht
Freie Wähler werden zum Sammelbecken frustrierter Bürger

Ganze 77,5 Prozent der von der PAZ im Internet befragten 320 Bürger hätten, so sie denn gekonnt hätten, Joachim Gauck zu ihrem Bundespräsidenten gewählt. Damit bestätigen die PAZ-Leser einen bundesweiten Trend, denn Gauck kommt bei den Bürgern besser an als sein Gegenkandidat, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff. Gauck wirkt authentisch, unangepasst und vor allem seinen Überzeugungen folgend, während Wulff vor allem als Geschöpf seiner Partei, der CDU, wahrgenommen wird.

Doch da die Deutschen ihren Bundespräsidenten nicht selber wählen dürfen, haben bei der Wahl des deutschen Staatsoberhauptes am Mittwoch andere Motive eine Rolle gespielt. Allerdings hat das steigende Bedürfnis vieler Deutschen nach mehr Authentizität und Unabhängigkeit in einem anderen Bereich längst Fakten geschaffen. Sortiert man die Bürgermeister dieser Republik nach ihrer Parteienzugehörigkeit, so kommt man zu dem Ergebnis, dass Deutschlands Dörfer, Gemeinden und Städte mehrheitlich nicht mehr von Angehörigen der Volksparteien regiert werden. So sind in Thüringen 75 Prozent der Bürgermeisterposten in Hand von Parteilosen oder Mitgliedern der Freien Wähler. In Schleswig-Holstein werden bereits 52 Prozent der Kommunen von Mitgliedern der Freien Wähler gelenkt. Auch im Süden Deutschlands, in Bayern und Baden-Württemberg, sehen sich die etablierten Parteien einer massiven Konkurrenz von dieser Seite ausgesetzt.

„Es gibt keine sozialdemokratische Abwasserpolitik und keine christdemokratische Müllentsorgung“, erklärt Politikwissenschaftler Werner Patzelt ein Stück weit die Entwicklung. „Die Leute haben die Schnauze voll vom Parteienstaat, und sie haben eine Sehnsucht, davon endlich befreit zu sein“, mischte sich Hans-Olaf Henkel, Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, ebenfalls in die Debatte.

Wer mit Cordula Breitenfellner spricht, bekommt gleich mehrere Erklärungen für die Entwicklung. Die Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Freien Wähler sprudelt nur so vor Begeisterung darüber, dass sich plötzlich alle für ihre Freien Wähler interessieren. Sogar die „FAZ“ habe um einen Termin gebeten, verkündet die 40-jährige Architektin im breitem Fränkisch stolz. „Wir wissen halt, wo es hakt und haben Politik von Grund auf als Praktiker gelernt“, erläutert sie den rasanten Erfolg der Freien Wähler, die nicht links, nicht rechts, sondern vor allem bürgerlich-rational seien. Man habe zwar politische Ziele, aber keine ideologisch festgelegten Parteiprogramme, ist der Internetseite zu entnehmen. Parteiprogramme würden die politisch Agierenden nur zu Parteidisziplin zwingen, doch diese sei häufig der größte Feind sachpolitischer Erwägungen.

„Es gibt ein riesen Loch in der bürgerlichen Mitte, dieses muss gefüllt werden“, erklärt Breitenfellner, warum ständig neue Ortsverbände entstehen. Wenn die Mitglieder es wünschten, dann träten die Freien Wähler auch bei der nächsten Bundestagswahl an. Rebecca Bellano


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