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03.07.10 / Wille oder Willkür / Sterbehilfe-Urteil lässt heikle Fragen offen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Wille oder Willkür
Sterbehilfe-Urteil lässt heikle Fragen offen

Das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sterbehilfe stellt klar, dass die Behandlung eines unheilbar kranken Patienten abgebrochen werden darf, wenn dieser sich zuvor in diesem Sinne geäußert hat. Der BGH stützte sich in seinem Urteil auf das neue Gesetz zu Patientenverfügungen, das seit September 2009 wirksam ist. Demnach soll verbindlich sein, was der Betroffene in einer Willenserklärung festgelegt hat. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie herrschte bislang große Unsicherheit, die nicht selten dazu führte, dass Patienten ohne Bewusstsein auch gegen ihren Willen auf Jahre weiter behandelt wurden.

Verändert hat sich mit dem neuen BGH-Urteil die Bewertung von aktiver und passiver Sterbehilfe. Galt bisher das Durchschneiden des Ernährungsschlauchs als aktive Sterbehilfe und somit als strafbare Handlung, ist jetzt die Grenze zur Tötung nicht mehr überschritten. Genau darum ging es bei dem BGH-Verfahren. Der zweite Strafsenat in Karlsruhe sprach einen Anwalt frei, der der Tochter einer seit fünf Jahren im Wachkoma liegenden Frau geraten hatte, den Schlauch der Ernährungssonde durchzuschneiden, weil Ärzte sich weigerten, die künstliche Ernährung einzustellen.

Das Gericht unterscheidet deutlich zwischen aktiver „Tötung“ und Verhaltensweisen, „die dem krankheitsbedingten Sterbenlassen mit Einwilligung des Betroffenen seinen Lauf lassen“. Grundsätzlich begrüßten die Bundesärztekammer und die meisten Politiker das Urteil, weil es den Patientenwillen stärkt und Ärzten und Angehörigen  mehr Rechtssicherheit gäbe. Der Marburger Bund warnt allerdings vor Willkür. Wenn keine schriftliche Verfügung vorliege, sei dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Problematisch wird es, wenn seit der Patientenverfügung und dem Krankheitsfall bereits mehrere Jahre vergangen sind, in der eine bis dahin unheilbare Krankheit aufgrund des medizinischen Fortschritts inzwischen heilbar wäre, oder aber nur eine mündliche, und damit schwer überprüfbare, Willensäußerung vorliegt. Die Deutsche Hospiz-Stiftung fordert, möglichst bald ganz klare Kriterien dafür festzulegen, auf welche Weise der Wille des Patienten ermittelt werden soll.      M. Rosenthal-Kappi


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