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03.07.10 / Minsk lässt Muskeln spielen / Lukaschenko will 2011 Wahl gewinnen und stichelt gegen Moskau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Minsk lässt Muskeln spielen
Lukaschenko will 2011 Wahl gewinnen und stichelt gegen Moskau

Tragen Moskau und Minsk einen „Gas-Konflikt“ aus, oder führen sie einen „Gas-Krieg“? Russland besitzt Öl und Gas, die das rohstoffarme Weißrussland von ihm bezieht. Über weißrussisches Territorium laufen für Russland wichtige Öl- und Gasleitungen gen Westen. Beides gibt es nicht zum Nulltarif, aber weil russische Ölpreise und weißrussische Transittarife nie bilateral abgestimmt waren, herrscht zwischen den Nachbarn ein Dauerkonflikt, der mitunter zum „vojna“ (Krieg) ausartet. Die Folgen der Wirtschaftskrise zwingen Russland nun, auch um kleine Summen zu kämpfen.

Wie es der Gaspoker mit Weißrussland zeigt: 1996 war das Land mit einer Milliarde Dollar bei „Gazprom“ verschuldet, was mit Minsker Konzessionen für russische Militärbasen verrechnet wurde. 2007 erhöhte Moskau den Gaspreis pro 1000 Kubikmeter auf 100 Dollar, was Minsk ignorierte und auf alte Tarife pochte. Derzeit tobt der „dritte Gaskrieg“, in dem jedwede russisch-weißrussische „Freundschaft“ endet. Der seit elf Jahren (auf dem Papier) bestehende „Bundesstaat Russland und Weißrussland“ ist tot, ohne je gelebt zu haben. Russlands Öl- und Gasexporte sind so rückläufig, dass Weißrussland auf keine Konzessionen hoffen kann. Die geplante Zollunion Russland–Weißrussland–Kasachstan, die am 1. Juli 2010 anlaufen sollte, wird versanden, da Moskau und Minsk sich nicht über Exportsteuern für Öl und Gas einigen können und der weißrussische Präsident Aleksander Lukaschenko 600 „prinzipielle Einwände“ gegen die Union hat. Schließlich stehen 2011 in Weißrussland Präsidentenwahlen an, vor denen sich Lukaschenko als „batjka“ zeigen will, als strenges und patriotisches „Väterchen“.

Der aktuelle Gaskrieg ähnelt dem von 2007: Moskau hat den Gaspreis erhöht, Minsk will aber den Preis von 2008 bezahlen. Damit wird es bis Ende des Jahres 600 Millionen Dollar Schulden ansammeln. Lukaschenko bestreitet die Schulden nicht, will aber von Mos-kau Hunderte Millionen Dollar für Leitungstransit kassieren, was seine Verbindlichkeiten mehr als ausgleichen würde. Da die eigentlichen „Kriegsherren“, die russische „Gazprom“ und die weißrussische „Beltransgaz“, keine Fristen für Schuldenbegleichung vereinbarten, bleibt viel Raum für gegenseitige Schienbeintritte.

Das ganze Hickhack empfand EU-Energiekommissar Günter Öttinger als „Angriff auf die EU“. Das war übertrieben, denn bislang fließen Öl und Gas nach Westen, notfalls über ukrainische Leitungen. Wahre Opfer des Gaskriegs sind Litauen und die Region Königsberg, die am 23. Juni 40 Prozent weniger Gas bekamen. „Kriegs“gewinnler ist die Ukraine, die Moskauer Preisnachlässe von 30 Prozent und andere Wohltaten gern annimmt, obwohl sie diese als ölproduzierendes Land nicht benötigt und sich durch sie auch nicht von Mos-kau politisch gängeln lässt. Auch Weißrussland ist nicht so wehrlos, wie es scheint – Lukaschenko warnte den Westen vor dem „korrupten Moskau“ und bändelte mit all jenen an, denen Moskau nicht grün ist: China, Moldau und dem Kirgisen Kurmanbek Bakiew (der in Weißrussland Asyl genießt). „Batjka“ weiß, dass er auf Dauer am längeren Hebel sitzt: Moskau ist auf seine Gasröhren mehr angewiesen als er auf russische Lieferungen. Für die hat er schon im fernen Venezuela Ersatz besorgt: Seit Mai 2010 ersetzt das Joint Venture Petrolera Belo-Venesolana immer mehr russisches Rohöl und -gas.      Wolf Oschlies


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