25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.07.10 / Gemeinschaftswährung ohne Glanz / Außer Estland verschieben alle Ostmitteleuropäer die einst ersehnte Euro-Einführung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Gemeinschaftswährung ohne Glanz
Außer Estland verschieben alle Ostmitteleuropäer die einst ersehnte Euro-Einführung

Estland tritt 2011 allein dem Euro-Raum bei. Andere Beitrittskandidaten sind nach der Griechenland-Krise zurück-haltend und verschieben die Euro-Einführung in unbestimmte Ferne. Sogar potenzielle Nutznießer wie Bulgarien und Ungarn haben es nicht mehr eilig. Eine eigene Währung und flexible Wechselkurse erscheinen nach den Schuldenproblemen der Griechen als wichtige Optionen staatlicher Finanzpolitik: Geht mit der eigenen Währung die Chance zu deren Abwertung verloren, fehlt der Politik etwas. Obendrein vermeiden Noch-Kandidaten mit der Verzögerungstaktik Debatten um den Grenzwert ihrer Staatsschulden – denn ohne Euro keine Maastricht-Kriterien. Die kommen krisengeschüttelten wie aufstrebenden Ostmitteleuropäern ungelegen.

Offiziell hat Bulgarien den Beitritt zur Euro-Zone verschoben, weil das Haushaltsdefizit 2009 erstmals über die Höhe von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stieg. Bulgariens Lew war im Herbst bereits an den Euro gekoppelt, Kursschwankungen ausgeschlossen, der Beitrittsantrag zum Vorzimmer des Euro, dem Wechselkursmechanismus II (WKM II), für den Januar beschlossene Sache. Im April kam der Rückzug: „Wir verabschieden uns offiziell von dem Plan, dem Wechselkursmechanismus beizutreten, weil es angesichts unseres Defizits anstößig wäre. Tatsächlich haben wir unsere EU-Kollegen angelogen, was unsere Bereitschaft für den Beitritt zur Eurozone angeht“, so der konservative Ministerpräsident Bojko Borissow. Anlass ist das Eingeständnis, mehr Schulden gemacht zu haben, als EU-tolerabel ist, auch dank eines Waffenkauf-Skandals. Kritiker glauben, Sofia habe keine Lust aufs europaverordnete Sparen, dessen Folgen im benachbarten Rumänien starke Proteste wecken.

Das hochverschuldete Ungarn will nach dem Wahlsieg der konservativen Regierung Viktor Orbán ebenfalls nicht mehr über den Euro sprechen. Einen Großteil der Schulden hat das Land nicht in Euro, könnte also von dessen Einführung profitieren. Doch die eurokritische Regierung sieht keinen Grund, diese zu planen. Sie will sich nicht festlegen, die Staatsverschuldung von gut 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf die von der EU geforderte 60-Prozent-Grenze zurückzuführen. Ängste, Ungarn könne wie Griechenland enden, hält Budapest für unbegründet – Griechenland steckt in einer Rezession, Ungarn und Tschechien meldeten im Juni Wirtschaftswachstum. Das will Orbán nicht kaputtsparen, sondern „harte Verhandlungen“ mit EU und Weltwährungsfonds (IWF) führen, die Ungarn über die bisher gewährten 25 Milliarden Euro Krisenhilfe hinaus stützen sollen. Geschieht das, bietet eine Euro-Verzögerung Kandidaten im Dauerwartestand die Chance, sich Wachstum auch auf Kosten des Euro-Raums zu sichern.

Alte EU-Skepsis findet auch in Polen neue Nahrung. Mit teuren Konjunkturprogrammen und aktiver Wechselkurssteuerung hat die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk der Wirtschaftskrise erfolgreich getrotzt, um jetzt den Zielkonflikt mit der Euro-Einführung zu erleben: Die Neuverschuldung liegt, auch wegen der Krisenpolitik, bei sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Nicht 2012, sondern erst 2017 visiert Tusk nun den Euro an. Sein Finanzminister Jacek Rostowski sieht den Euro-Raum als Haus im Umbau: „Vielleicht sollten wir erst einmal in unserem eigenen kleinen Haus bleiben – und die Renovierung abwarten.“ Nicht beitreten zu können ist nicht das Hindernis, wie auch der Chefökonom der BRE-Bank, Ryszard Petru, glaubt: „Wenn wir das Haushaltsdefizit niedrig halten können, dann, da bin ich sehr sicher, werden wir auch alle anderen Maastricht-Kriterien erfüllen.“

In Tschechien sehen die Euro-Gegner: „Die mittel- und osteuropäischen Länder, die nicht Mitglieder der Euro-Zone geworden sind, entwickelten ein höheres Wachstumstempo“ – als Länder, die ihr angehören, so Staatspräsident Václav Klaus. Laut Umfragen sind 55 Prozent der Tschechen gegen den Euro. Klaus formuliert, was Amtskollegen nicht offen aussprechen: „Die Europäische Währungsunion hat versagt.“ SV


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren