28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.07.10 / Jeder Jude ist »potenzieller Israeli« / Das »Rückkehr-Gesetz« erleichterte die Einwanderung und verschärfte den Nahostkonflikt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Jeder Jude ist »potenzieller Israeli«
Das »Rückkehr-Gesetz« erleichterte die Einwanderung und verschärfte den Nahostkonflikt

„Jeder Jude hat ein Recht, in dieses Land zu kommen als ein Oleh (Einwanderer nach Israel, wörtlich: Aufsteiger), außer er ist involviert in Aktivitäten gegen das jüdische Volk oder ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder die Sicherheit des Staates.“

So steht es im israelischen „Rückkehr-Gesetz“ („Chok Ha Schwut“). Eine Ergänzung definiert: „Jude ist eine Person, die von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judaismus übergetreten und nicht Mitglied einer anderen Religion ist.“ Vor 60 Jahren, am 5. Juli 1950, passierte dieses Gesetz die Knesset, das israelische Parlament.

Das Gesetz war ein Markstein für den am 14. Mai 1948 ausgerufenen Staat Israel, um auf dem Boden des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina genügend Siedler zu bekommen zur Festigung eines jüdisch-nationalen Staates. Denn Israel sollte für die unterdrückten Juden in der „Diaspora“, das heißt praktisch überall außerhalb von Palästina, zu ihrem Nationalstaat werden. Das war das Programm des von dem Wiener Literaten Theodor Herzl um die Jahrhundertwende begründeten „Zionismus“. Damit hatten auch die Juden die Phase des Nationalismus säkularer Ausprägung erreicht, der damals in Europa herrschte.

Es gab aber auch eine religiöse Grundlegung, die sich mit dem Zionismus in der Praxis vertrug. Denn Gott hatte ausweislich 1. Buch Moses, Kap. 15, Verse 18-21, mit Urvater Abraham einen Bund geschlossen: „Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land vom Grenzbach Ägyptens bis zum großen Strom, dem Euphrat, das Land der Keniter, der Kerasiter, Kadmoniter, Hetiter, Perisiter, Rafaiter, Amoriter, Kanaaniter, Girgaschiter, Hiwiter und Jebusiter.“ Gottes Wort ist wahr, und es steht ewig, sonst wäre es nicht Gottes Wort, auch wenn die Grenzen des „Verheißenen Landes“ („Eretz Israel“) diejenigen des Mandatsgebietes Palästina erheblich überschreiten.

Die Juden kehrten, von Herzl und dem Alten Testament motiviert, in ihre Heimat zurück, um sie in Nachahmung von Moses und den Richtern erneut zu erobern.

Die organisierte Einwanderung begann schon um die Wende zum 20. Jahrhundert, und mit ihr die teilweise blutige Auseinandersetzung mit den arabisch-stämmigen Siedlern, die seit Jahrhunderten vor Ort saßen und begreiflicherweise ihre Verdrängung befürchteten. Sofort nach der Proklamation des Staates Israel brach ein Krieg zwischen den arabischen Staaten der Umgebung hier und den Neuankömmlingen dort, aus. Opfer von Flucht und Vertreibung wurden in dessen Verlauf etwa 750000 Araber aus Palästina, aber auch mehrere hunderttausend Juden aus arabischen Ländern. 150000 Araber blieben im Staat Israel (ohne Ostjerusalem), der sich behauptete.

Im siegreichen „Sechs-Tage-Krieg“ (Juni 1967) eroberten die Israelis den größten Teil dessen, was ihnen vom biblischen „Eretz Israel“ noch fehlte: Die „West Bank“, das heißt das Land zwischen Jordan und Jerusalem, nahmen sie dem Königreich Jordanien ab, den Gaza-Streifen und die Sinai-Halbinsel den Ägyptern und die Golan-Höhen am See Genezareth der Arabischen Republik Syrien. 1980 wurde die Altstadt Jerusalems mit Umland einseitig annektiert, 1981 geschah dies auch mit den Golan-Höhen.

Schon 1967 begann eine Siedlungsbewegung in die besetzten Gebiete. Hatten dort vorher so gut wie keine Juden gelebt, so waren es 2006 immerhin schon 484562. Doch auch die arabische Bevölkerung stieg kräftig an: von 597000 (1967) auf 2,3 Millionen (2004). Die Organisation „Peace Now“, die „israelischen Pazifisten für palästinensische Selbstbestimmung in den Grenzen von 1967“, hat von 2006 auf 2007 ein Anwachsen der Siedler um 5,8 Prozent festgestellt.

Der Gaza-Streifen wurde zwar 2005 geräumt und die dortigen jüdischen Siedlungen wurden aufgelöst, doch die fortdauernden Besetzungen und die Siedlungsaktivität in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland widersprechen dem internationalen Recht. Denn bereits die UN-Resolution Nr. 242 vom 22. November 1967 hat den Abzug aus den besetzten Gebieten gefordert, und einseitige Annexionen gelten allgemein als völkerrechtswidrig. Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 und der diese präzisierenden Vierten Genfer Konvention von 1949 darf der Besatzer im besetzten Gebiet die demographischen Verhältnisse nicht ändern, etwa indem er Teile der eigenen Zivilbevölkerung dort angesiedelt.

Es ist klar, dass diese fortgesetzten Praktiken eines der Haupthindernisse für das Zustandekommen eines Ausgleichs zwischen Israelis und Palästinensern ist. Denn letzteren steht das Selbstbestimmungsrecht in ihrem Heimatland zu (UN-Resolution Nr. 59/179 vom 20. Dezember 2004). Aber einen ihnen deswegen zustehenden Staat oder ein staatsähnliches, autonomes Gebilde könnten sie auch wegen der Zerreißung ihres Gebietes durch den jüdischen Siedlungskorridor von Ost-Jerusalem nach Jericho und die „Sprenkelung“ der Landkarte mit jüdischen Siedlungs-Inseln in der West Bank nicht errichten.

Es fehlt den israelischen Offiziellen nicht an Argumenten für die Einschnürung, in der sie ihre arabischen Nicht-Staatsbürger halten. Angefangen von der formalen Behauptung, Israel sei gar keine „Besatzungsmacht“, denn die in der West Bank vom Königreich Jordanien bis 1967 ausgeübte Autorität sei keine legitime Staatsgewalt gewesen, da Jordanien dieses Gebiet 1950 einseitig annektiert habe – bis hin zu der elementaren Angst, ein Palästinenser-Staat wäre ja doch nur das Sprungbrett für islamistische Terroristen, die den Staat der Juden vernichten wollen.      Bernd Rill


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren