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03.07.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

manchmal ist es nur ein herzliches Dankeschön für die Veröffentlichung eines Wunsches, auch wenn sich der ersehnte Erfolg nicht eingestellt hat, der so wohltuend sein kann. Dann wünscht man sich um so mehr, dass es doch noch eine Reaktion gibt, und das hoffe ich auch für Frau Ursula Gehlhaar, die uns den Suchwunsch ihrer Pflegeschwester Ingrid Hartlehnert nach deren leiblicher Mutter Erna Heise aus Königsberg übermittelte. Wir veröffentlichten ihn in Folge 8, aber es hat sich leider niemand gefunden, der Erna Heise kannte, die – damals noch ledig – in einer Konditorei auf dem Steindamm arbeitete. Ihre 1941 geborene Tochter Ingrid, zu deren Vaterschaft sich der im Kriegseinsatz bei der Luftwaffe befindliche Königsberger Walter Manus bekannte, gab sie 1943 in Pflege bei dem Ehepaar Max und Thomas Funk, den Eltern von Frau Gehlhaar, die in der Speichersdorfer Straße wohnten. Frau Hartlehnert hat nie etwas über ihre leibliche Mutter erfahren, ob sie in Königsberg verblieb, ob sie flüchtete, ob sie später verheiratet war, wo und wie sie lebte – oder vielleicht noch lebt, denn Erna Heise wurde 1919 geboren –, es gibt nicht die geringsten Anhaltspunkte. Die hatten sich die schwesterlich verbundenen Frauen so sehr von der Veröffentlichung in unserer „Ostpreußischen Familie“ erhofft, aber leider herrschte Stillschweigen. Trotzdem bedankten sie sich bei uns in liebenswürdiger Weise, dass wir uns ihrer Sache angenommen hatten, und dafür nun mein Dankeschön in Form dieser erneuten Veröffentlichung des Suchwunsches, denn schon oft hat es erst beim Nachfassen geklappt. Das wünschen wir nun auch Frau Ingrid Hartlehnert, Hebelweg 7 in 79771 Klettgau-Erzingen, Telefon (07742) 6971.

Erfolg konnte dagegen Herr Frank Jakubzik aus Göttingen vermelden. Wir hatten seine Frage nach Erlebnisberichten über die Flucht aus Friedrichshof, Kreis Ortelsburg – die er in unseren Archiven vermutete, was aber nicht der Fall war – in unserer Kolumne veröffentlicht. Da Herr Jakubzik anscheinend die PAZ nicht gelesen hatte, war er erstaunt, als er einige Zuschriften aus unserem Leserkreis erhielt, und bedankt sich nun dafür. Er schreibt:

„Darunter war auch die von Frau Elisabeth Krone aus Bad Orb, einer Friedrichshoferin, die mir sehr viel Informationsmaterial zusandte. Diese für mich sehr wichtigen Angaben haben mir eine Brücke zu meinen ersten drei Kinderjahren gebaut, die für mich ja immerhin sehr prägend waren und mir nun einen kleinen Teil meiner Vergangenheit bewusst gemacht haben. Für Ihre freundliche Hilfe bedanke ich mich herzlich. Tatsächlich hatte ich gar nicht mit einem Echo gerechnet, nur darauf gehofft. Sie haben mir sehr geholfen!“

Darauf hofft auch Frau Annika Beneke aus Heeslingen, denn in ihrer Familie gibt es einen ungelösten Fall, der mit der Verschleppung von ostpreußischen Frauen in russische Gefangenenlager zu tun hat. Bisher war alle Suche nach der vermissten Großtante von Frau Beneke vergeblich, und es ist auch fraglich, ob es nach 65 Jahren noch Zeitzeugen gibt, die ein wenig Licht in das Dunkel bringen können. Es handelt sich bei der Vermissten um Anneliese Szech aus Konradshof, Kreis Angerapp, *30. Juni 1928 in Pilkallen, Kreis Darkehmen. So von Frau Beneke angegeben, aber sie zweifelt selber an der Schreibweise und das mit Recht, denn es dürfte sich um Neu Pillkallen handeln, das später in Rüttelsdorf umbenannt worden ist. Die Kreisbezeichnung stimmt, denn aus dem Kreis Darkehmen wurde der Kreis Angerapp. Ihre Eltern waren Ernst Szech und Maria geborene Witt, der Vater war in der Forstwirtschaft tätig. Das Ehepaar hatte vier Töchter, die älteste Ilsemarie,*4 April 1927, ist die Großmutter von Frau Beneke. Ihr folgten außer Anneliese noch: Elfriede, *21. August 1933, und Adelheid, *28. Juni 1936. Anneliese hat bis zur Flucht in einem Kindergarten gearbeitet, wahrscheinlich in Konradshof (Alt-Ragaischen), wo sie zur Miete wohnte. Sie geriet zusammen mit ihrer Schwester Ilsemarie in russische Gefangenschaft, die jungen Frauen sollten vom Sammellager Soldau nach Tscheljabinsk gebracht werden. Irgendwann müssen die Schwestern getrennt worden sein, denn seit dem bewiesenen Aufenthalt im Lager Soldau gilt Anneliese als vermisst. Ob sie während des Transportes verschwand oder Tscheljabinsk noch erreichte, ist unbekannt. Ihre Schwester Ilsemarie hat bereits im Oktober 1953 eine Suchanzeige nach der Vermissten aufgegeben, leider ohne Erfolg. Bis heute ist und bleibt Anneliese Szech spurlos verschwunden. Es bleibt also die Frage: Wer war mit der jungen Frau in jenen Tagen zusammen und kann Hinweise auf ihr Schicksal geben? (Annika Beneke, Birkenfeld 32 in 27404 Heeslingen, Telefon 04281/987536, E-Mail: roland-annika@web.de)

Mit den ostpreußischen Ortsnamen ist das so eine Sache! „Pillkallen“ hätte ich immer der Stadt – und damit auch dem Kreis – zugeordnet, die nicht nur durch den Schnaps – Klarer mit Leberwurst und einem Klacks Mostrich – berühmt, sondern sogar besungen wurde, auch wenn sie in „Schlossberg“ umbenannt wurde. (Wisst Ihr wo Pillkallen liegt? Habt Ihr das noch nicht mitgekriegt?) Aber man lernt nie aus, auch wenn man den „Lange“, das umfangreichste ostpreußische Ortsregister, fast täglich wälzen muss. Wenn man dann den Schreibtisch randvoll mit kaum leserlichen Zuschriften hat – was nicht immer an der Handschrift, sondern oft an der Schreibmaschine liegt, deren Farbband schon museumsreif ist! –, ist die Suche mühevoll und zeitaufwendig, und so kann es schon manchmal zu Irrtümern kommen. Dass mir das aber ausgerechnet mit den von Herrn Herbert Skroblin aus Wächtersbach zugesandten Beiträgen passieren musste, ist wohl mehr meinen bildschirmmüden, auch nicht mehr so jungen Augen zuzuschreiben, denn seine Angaben waren tadellos und deutlich mit PC geschrieben. Jedenfalls hatte ich bei der Endkontrolle meines Manuskriptes übersehen, dass ich seinen Heimatkreis Angerapp mit dem des ähnlich klingenden Kreises Angerburg verwechselt hatte, auf den sich zeitgleich vorliegende andere Zuschriften bezogen. Hätte Angerapp noch Darkehmen geheißen, wäre das nicht passiert, aber so hatte ich nach den ersten fünf gleichen Buchstaben das falsche Ende erwischt. Herr Skroblin war mit Recht sehr genervt, denn er erhielt einige Anrufe, die den Fehler korrigierten, aber er konnte wirklich nichts dafür, und ich bitte hiermit um Entschuldigung. Seinen Vorschlag, in Zukunft die Orte ohne Kreisangabe zu bringen, kann ich allerdings nicht umsetzen. Aus dem einfachen Grunde, dass viele der alten wie neuen Ortsnamen in verschiedenen Kreisen vorkommen, manche über 20-mal, was erst recht zu Verwechslungen führen würde. Also bleibt es leider dabei, was kürzlich ein Leser in Bezug auf seine Angaben so treffend formulierte: Irrtümer mit eingeschlossen!

Frau Heidi Baldauf aus Chemnitz sucht den Heimatort ihrer Großmutter, und dessen Name weist nach Polen: Bodzanowo. Dort soll Josefa Scheunemann geborene Lau 1875 oder 1877 geboren sein. Deren mütterliche Linie kommt aus Bromberg-Adlershorst, denn dort wurde Josefas Mutter Marianne Elisabeth Hasse 1828 als Tochter des Besitzers Karl Hasse und seiner Frau Marianne geborene Schneda geboren. Marianne Hasse wurde von ihrem Mann Carl Lau geschieden, der nach Amerika ausgewandert sein soll. Auch Heidi Baldaufs Mutter Edita Scheunemann verheiratete Küsler wurde in Bromberg geboren. Ob der Ort Bodzanowo in dieser Gegend lag, lässt sich nicht feststellen. Frau Baldauf konnte ihn aber bisher nicht finden, sie ordnet ihn dem Gouvernement Warschau zu. Wer kann helfen? (Heidi-Huberta Baldauf, Walter-Oertel-Straße 36 in 09110 Chemnitz, Telefon 9371/361925.)

Um Aufarbeitung ihrer Familienchronik geht es Frau Astrid Stadthaus-Panissié aus Lübeck. Und hier liegt die Sache viel einfacher für unsere Ostpreußische Familie, denn wir bleiben in der engeren Heimat. Der Vater der Schreiberin, Horst Werner Stadthaus, wurde am 28. Oktober 1924 in Schönwiese, Kreis Gerdauen geboren, er verstarb 1986 in Lübeck. Auch die Großeltern Otto Stadthaus (1897–1972) und Elise geborene Polligkeit lebten in Schönwiese, dort verstarb die Großmutter bereits 1942, sie erlebte also die Flucht nicht mehr. Sie hatten außer ihrem Sohn Werner noch die 1931 geborene Tochter Helga, die vor zwei Jahren verstarb. Die Urgroßeltern von Frau Stadthaus-Panissié lebten bis zu ihrem Tod in Wesselowen. August Stadthaus wurde 1866 in Saalau, Kreis Insterburg geboren, seine Frau Anna Elisabeth Kannapin, *1875, stammte aus Karklienen. Hinsichtlich der Familien Polligkeit und Kannapin liegen keine Erkenntnisse vor. Aber auch alte Daten der Familie Stadthaus wären für die Anfragende wichtig. Wer kann zu diesen Namen etwas sagen? Vielleicht melden sich ja auch entfernte Verwandte aus diesen ostpreußischen Familien. (Astrid Stadthaus-Panissié, Ruschweg 11 in 23628 Lübeck-Krummesse, Telefon 0178/4588834, E-Mail: asp.2002@t-online.de)

Als eines der schönsten „Familienbücher“ der ostpreußischen Literatur gelten die Kindheitserinnerungen der Dichterin Frieda Jung „In der Morgensonne“, in denen sie ihre frühen Lebensjahre im Schulhaus von Kiaulkehmen schildert. Es war keine reiche Kindheit in materieller Hinsicht, aber sie war bis zum Rand gefüllt mit Liebe, Geborgenheit und christlicher Nächstenliebe, eingebettet in eine wundervolle, ursprüngliche Natur. Das Salär eines Dorfschulmeisters war damals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr als bescheiden, das Schulhaus auch, aber Frieda Jung schildert alle dadurch entstandenen Einschränkungen mit einem herrlichen Humor. Und nun taucht das Kiaulkehmer Schulhaus plötzlich sichtbar aus ferner Vergangenheit auf – in Form eines alten Fotos, das uns Herr Bruno Fietz aus Kalkar übersandte. Es stammt aus seinem Familienschatz, denn das ehemalige Schulhaus, in dem Frieda Jung einen Teil ihrer Kindheit verbrachte, gehörte bis 1945 seinem Onkel Fritz Pranzkat und dessen Frau Anna. Er schreibt dazu:

„Ich habe dort mehrmals Ferien verlebt. Eine schöne Zeit in meinem Kinderleben. Die Fenster in diesem Haus waren ganz niedrig, wir Kinder sind auch häufig durch sie hinein gestiegen. Das ehemalige Lehrerhaus mit einem Klassenraum hatte mein Onkel zur Verwaltung. Und es gab einen schönen, etwas verwilderten Garten, ein Paradies zum Beerennaschen für uns Kinder. Vor dem Hof gab es einen kleinen Teich. Ich schätze, dass Frieda Jung auch schon damals darin gebadet hat wie wir Kinder damals.“

Aber sicher, welches ostpreußische Gnoss hat nicht voller Wonne geplanscht und gemoddert! Und deshalb bringen wir dieses Bild in unserer heutigen Kolumne, es ist so schön sommerlich und wird bei vielen Leserinnen und Lesern eigene Erinnerungen erwecken. Ihnen einen herzlichen Dank, lieber Herr Fietz, für diese alten Bilder aus Ihrem Familienalbum. Ganz besonders wird sich der Urgroßneffe der Dichterin, Eberhard Jung, der ihr literarisches Erbe verwaltet, darüber freuen. Und die ehemaligen Kiaulkehmer, deren Dorf später der Dichterin zu Ehren in „Jungort“ umbenannt wurde, sicher auch.

Gerade habe ich dieses Manu­skript beendet, da treffen noch einige E-Mails ein. Mit vielen Überraschungen, die nur bestätigen, was Herr Jakubzig sagt: Die Ostpreußische Familie baut Brücken. Von Mensch zu Mensch, von Land zu Land, von der Vergangenheit zur Gegenwart. Ich freue mich schon auf die nächste Ausgabe.

Eure Ruth Geede


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