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10.07.10 / Tod einer starken Frau / Jugendrichterin Kirsten Heisig soll sich das Leben genommen haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Tod einer starken Frau
Jugendrichterin Kirsten Heisig soll sich das Leben genommen haben

Die wohl streitbarste Berliner Jugendrichterin, Kirsten Heisig, ist tot. Als sich zum vergangenen Wochenende die Nachricht von ihrem plötzlichen Verschwinden bestätigte, befürchtete die Polizei ein Gewaltverbrechen, einen Racheakt einer der vielen von ihr Verurteilten. Am Sonnabendmittag entdeckten Beamte in einem Wald ihre Leiche.

Am Montag verkündete Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), den Tränen nahe, sie gehe von Selbstmord aus – ohne Einzelheiten zu nennen. Ob sich die Richterin, die sich oft als Außenseiterin behandelt fühlte, von eigener Hand in dem schwer einsehbaren Gelände erhängte, bleibt unklar. Wie außergewöhnlich ihr Vermächtnis aus scharfer, aber konstruktiver Kritik an den Missständen der Justiz ist, zeigt sich jetzt: Oft warnte sie vor einer Niederlage im Kampf gegen Jugendgewalt, wofür sie heftig kritisiert und von „progressiven“ Kollegen geschnitten wurde. Nun bekommt sie posthum viel Lob. Sogar ehemals Verurteilte bedanken sich, von Heisig auf den rechten Weg gebracht worden zu sein.

Nicht nur durch Konsequenz im Amt und beschleunigte Verfahren hat die 48-Jährige Popularität erlangt. Sie warb bei ausländischen Jugendlichen und deren Eltern dafür, Kriminalität nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Schulversagen als Einstieg in Straffälligkeit war dabei ein Thema: „Wir brauchen Ihre Kinder ganz dringend in guten Berufen – als Polizisten, Erzieher und Ärzte“, sagte sie Zuwanderern, machte sich durch Einsatz vor Ort angreifbar. Heisig war durch solche Präsenz und die besondere berufliche Anspannung innerlich größerem Druck ausgesetzt als Kollegen. Sie mutete sich viel zu, ging mitunter sonntags ins Gericht, um Akten vorzubereiten. Sie lebte getrennt von ihrem Ehemann, ihre Töchter versuchte sie aus Medien und Justiz-Problemen herauszuhalten. Vor wenigen Wochen hatte sie erreicht, dass ihr Neuköllner Modell tatnaher Gerichtsverfahren bei Jugendlichen auf ganz Berlin ausgeweitet wird.

Für ihre geplantes Buch, eine Abrechnung mit Justiz und Gesellschaft, reichte sie noch kurz vor dem Tod Korrekturen ein. Gerüchte, Heisig sei in psychologischer Behandlung gewesen, wollte die Justiz nicht bestätigen. Fragen nach Personenschutz für Richter, aber auch psychologischer Beratung stehen jetzt auf der Tagesordnung, genauso wie die Zukunft von Heisigs Neuköllner Modell.            SV


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