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10.07.10 / Altes Bündnis in der Zerreißprobe / Die Partnerschaft der Türkei mit Israel steckt in der Krise – Hauptgrund ist wachsender Islamismus Ankaras

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Altes Bündnis in der Zerreißprobe
Die Partnerschaft der Türkei mit Israel steckt in der Krise – Hauptgrund ist wachsender Islamismus Ankaras

Die langjährigen Partner Türkei und Israel sind seit kurzem tief zerstritten. Jüngster Anlass ist Israels Kaperung des türkischen Schiffes „Mavi Marmara“, das versuchte, die Blockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen. Doch die wahren Ursachen liegen tiefer. Die USA versuchen vergeblich, die Wogen zu glätten.

Was war das doch für eine legendäre strategische Freundschaft zwischen den so verschiedenen Staaten Türkei und Israel. Beide Länder hatten über Jahrzehnte gleichgerichtete Interessen: Beide wussten sich einig in der Freundschaft mit den USA, beide waren einigermaßen säkular und demokratisch regiert sowie mehr oder weniger gleichermaßen verfeindet mit den arabischen Nachbarstaaten, denn die waren entweder islamistisch oder im Sinne der „Baath“-Ideologie sozialistisch-nationalistisch. Israel und die Türkei unterstützten einander diplomatisch und veranstalteten sogar regelmäßig gemeinsame Militärmanöver.

Das türkisch-jüdische Sonderverhältnis ist sogar älter als der Staat Israel. Schon 1492, bei der Vertreibung der Juden aus Spanien, öffnete der türkische Sultan sein Land für jüdische Flüchtlinge und begründete damit eine Tradition, die über die Jahrhunderte, bis in die NS-Zeit hinein Bestand haben sollte. Das ungewöhnliche Verhältnis blieb stabil, weil es stets mehr gemeinsame Gegner oder Konkurrenten als Interessengegensätze gab.

Nach der Gründung Israels und den Nahostkriegen funktionierte diese Partnerschaft weiter, weil die Türkei jahrzehntelang stabil laizistisch ausgerichtet war: Wenn die Islamisten an die Macht drängten, putschte das Militär und sicherte die an Atatürk angelehnte Grundausrichtung des Landes ab – zuletzt 1997 gegen den Islamisten Necmettin Erbakan. Doch mit dem Machtwechsel hin zur islamistischen AKP-Partei des Recep Tayyip Erdogan – einem Epigonen Erbakans – änderte sich alles, wenn auch zunächst nur schleichend: Erdogan verfolgt die Konzeption einer Wiedererrichtung des Osmanischen Reiches mit starker Orientierung an Islam und Scharia. Dazu versucht er eine Annäherung an die arabischen und anderen islamischen Regime sowie die Profilierung der Türkei als Regionalmacht im Nahen Osten. Und wie profiliert man sich im Nahen Osten am einfachsten als Regionalmacht? Indem man klar gegen Israel Stellung bezieht.

Bei den meisten etablierten arabischen Staaten konnte er damit nicht landen: Sie haben historische Ressentiments gegen die Türkei und dazu Angst vor islamistischen Ambitionen. Wo er aber ein offenes Ohr fand, waren die Terrorgruppen Hamas in Gaza und Hisbollah im Libanon sowie in Syrien und beim Mullah-Regime im Iran. Große Aufmerksamkeit erregte das bilaterale Treffen in Istanbul zwischen Erdogan und dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad – international ein absoluter Paria wegen seiner Vernichtungsdrohungen gegen Israel. Die Türkei unterstützte den Iran in der Abwehr von ernsthaften UN-Sanktionen wegen seines Atomprogramms. Das Scheinabkommen zwischen der Türkei, Brasilien und dem Iran zur Anreicherung der Brennstäbe im Ausland vom Mai verärgerte wiederum die USA. Dazu kamen antisemitische Äußerungen von Erdogan selbst. Eher harmlos war noch das vergiftete Lob „Die Juden konnten schon immer gut mit Geld umgehen“, offen antisemitisch hingegen der Vorwurf: „Wenn es ums Töten geht, mit dem Töten kennt ihr euch sehr gut aus“, an die Adresse von Schimon Peres in Davos im Januar 2009.

Auf die Annäherung der Türkei an seine Todfeinde Hamas, Hisbollah, Syrien und Iran reagiert Israel mit zunehmender Härte. Anfang Juni lief ein sogenannter „ziviler Hilfskonvoi“ aus sechs Schiffen von Istanbul in Richtung Gaza aus – auf Betreiben der türkischen Regierung, organisiert von der islamistischen Organisation IHH und mit dem Ruf: „Oh ihr Juden! Die Armee des Propheten Mohammed wird zurückkommen! Intifada bis zum Sieg!“ Da war für Israel das Maß voll, ein Marinekommando stürmte das Flaggschiff „Mavi Marmara“ und stoppte den Konvoi. Als die Soldaten auf Deck angegriffen wurden, schossen sie (nach israelischen Angaben in Notwehr) und töteten dabei neun IHH-Aktivisten.

Ministerpräsident Erdogan beschuldigte Israel umgehend des „Staatsterrorismus“. Mehr noch: Er drohte Israel und stellte indirekt seine Existenzberechtigung in Frage: „Israel ist dabei, seine Legitimität zu verlieren“, und: „Sie werden diesen Einsatz noch bereuen.“ Als Begleitmusik protestierten Hunderttausende Menschen auf staatlich durchorganisierten Demonstrationen gegen Israel und skandierten Hassparolen gegen den Judenstaat. Die Palästinenser trugen bei ihren Protesten das Konterfei Erdogans vor sich her und schwenkten – ein absolutes Novum – die türkische Fahne.

Die USA mit ihrer überfordert wirkenden Obama-Regierung bemühen sich mittels Dreiecks-Diplomatie um Beruhigung der Lage, bislang erfolglos. Die Türkei gießt weiter Öl ins Feuer, fordert ultimativ eine Entschuldigung Israels für den Zwischenfall auf der „Mavi Marmara“ – den sie selbst mit verursacht hat – sowie eine internationale Untersuchung. Andernfalls werde die Türkei die diplomatischen Beziehungen mit Israel abbrechen, drohte Außenminister Ahmet Davutoglu jüngst.

Zweischneidig wirkt die Rolle der EU: Die USA kritisieren, dass Westeuropa die Islamisierung der Türkei indirekt gefördert habe: Da die EU nicht bereit sei, die Türkei als Vollmitglied aufzunehmen, habe sich diese aus Enttäuschung dem Osten zugewandt. Für Türkei-Experten aber wird umgekehrt ein Schuh daraus: Durch die von der EU forcierten Verfassungsreformen und die Entmachtung des Militärs gibt es in der Türkei keine Garantiemacht des Atatürk-Säkularismus mehr. Erst im Februar waren 40 hochrangige Offiziere wegen angeblicher Putschpläne festgenommen worden.

In jedem Fall hat es die Türkei in der letzten Zeit geschafft, zwischen Israel einerseits sowie die USA und die EU andererseits immer neue Keile zu treiben. Die linke Mainstream-Presse und israelkritische linke Parteien Westeuropas unterstützen die Türkei auch noch dabei.     Anton Heinrich


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