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10.07.10 / Besser spät als nie / Russland will Armee verschlanken − Berufsarmee im Gespräch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Besser spät als nie
Russland will Armee verschlanken − Berufsarmee im Gespräch

Am 16. Juni verkündete der russische Präsident Wladimir Putin, die Regierung werde bis 2013 knapp 1,2 Billionen Rubel (31,5 Milliarden Euro) für die „neue Gestalt der Armee“ aufwenden. Allein zehn Milliarden Euro sind für moderne Wehrtechnik bestimmt, was allerdings wenig bewirkt in einer Armee, in der, so Putins Rüge, „Systeme, die vor 20, 30 Jahren produziert wurden“, eingesetzt werden. Eine Modernisierung sollte bereits Viktor Tscherkesow, als Chef des Waffenbeschaffungsamts eine „Kreatur Putins“, bewirken, scheiterte aber. Mitte Juni vergab Präsident Medwedew das Amt an die bis dahin für Moskau zuständige Verwaltungsleiterin des Föderalen Steuerdienstes Nadeschda Sinikowa – ein Schlag gegen Putin und ein Indiz für den Streit, der in Russlands politischer und militärischer Führung um Personal-, Versorgungs-, Rüstungs- und Ausbildungsprobleme der Armee eskaliert.

Hauptkontrahenten sind Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow und Generalstabschef Nikolaj Makarow. Der Minister möchte die Armee, derzeit 1,1 Millionen Mann, durch Entlassungen, Abwracken von Waffen und Garnisonsschließungen radikal „verschlanken“, zudem anstelle von Wehrpflichtigen in nächster Zukunft 400000 Berufs- und Zeitsoldaten aufstellen. Seine Pläne werden jedoch vom Generalstabschef und dessen Offizieren hintertrieben, die die Wehrpflicht, zwölf Monate zwischen dem 18. und 27. Lebensjahr, nicht aufgeben wollen. Zu ihnen stieß Bildungsminister Andrej Fursenko, der das Wehrpflichtsalter auf das 21. bis 30. Lebensjahr verschieben möchte, sich damit aber wütende Proteste der besten Hochschulen und Firmen Russlands, die um kreativen Nachwuchs fürchten, einhandelte. Krach gibt es zudem um die veraltete Schwarzmeer-Flotte, die vier russischen Militärbasen im „nahen Ausland“ (Ex-UdSSR) und weitere kostspielige und wertlose Dinge.   

Auch andere Probleme innerhalb der Armee sind bis heute ungeklärt. Da ist das „Großvatertum“, der Terror gegen junge Wehrpflichtige, den alljährlich rund 1000 von ihnen nicht überleben. Eine präventive Militärpolizei gibt es nicht, und wie Vizeverteidigungsminister Nikolaj Pankow warnte, schwappt dieser Terror seit 2008 im Gefolge rechtsradikaler Jugendgruppen in Russland vermehrt in die Armee. Belastet ist diese auch durch den inflationär ausgreifende Drogenmissbrauch. So müssen laut Medien bei „mehreren Millionen Junkies und jährlich 30000 Drogentoten“ in Russland jedes Jahr Tausende Jugendliche aus diesem Grund vom Wehrdienst befreit werden (– Tendenz steigend).

1998 höhnte Solschenizyn in seinem Buch „Einstürzendes Russland“, Russland habe wieder eine „Arbeiter und Bauernarmee“, weil Gebildete und Begüterte vor der Armee flüchten. Das bestätigte jüngst Generalstabschef Makarow: Zehntausende junge Männer reißen vor der Wehrpflicht ins Ausland aus – am liebsten nach Deutschland, England und Frankreich, wo man leicht die akademischen Stipendien bekommt, die diese Flucht erst ermöglichen.   Wolf Oschlies


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