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10.07.10 / Selbstbestimmung als Schlüssel / Europa kann aus den Volksabstimmungen vor 90 Jahren lernen – Freiheit nach innen und außen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Selbstbestimmung als Schlüssel
Europa kann aus den Volksabstimmungen vor 90 Jahren lernen – Freiheit nach innen und außen

In der eher traurigen Geschichte Ostpreußens im 20. Jahrhundert ragt der 11. Juli 1920 positiv heraus. Mit den für Deutschland erfolgreichen Abstimmungen fand ein völkerrechtliches Prinzip Anwendung, das heute mehr denn je als Grundlage für tragfähige Friedensregelungen anerkannt ist.

Volle drei Generationen liegt der deutsche Abstimmungserfolg in Ostpreußen zurück. Auf den ersten Blick kommt ihm keine Bedeutung mehr zu: Das immerhin gut 14700 Quadratkilometer große Gebiet blieb ja nicht einmal für weitere 25 Jahre deutsch. Nazi-Diktatur und Vertreibung, 45 Jahre kommunistische Diktatur und 20 Jahre Zugehörigkeit zum demokratischen Polen haben sich schichtweise über das Ereignis gelegt. Doch selbst als bloße „Fußnote der Geschichte“ wäre der Vorgang beachtlich: Die Abstimmungen haben eindrucksvoll bestätigt, dass auch der südliche Teil Ostpreußens bis 1945 eindeutig deutsch war, weil die kleine masurische Sprachgruppe in diesem Gebiet sich als deutsch empfand. Und zwar so eindeutig, dass selbst nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg nur ein sehr kleiner Teil dieser Gruppe der an sich ja naheliegenden Verlockung nachgab, durch den Wechsel des nationalen Bekenntnisses auf die Seite der Sieger zu gelangen. Das war zwar 1920 jedem mit den örtlichen Verhältnissen Vertrauten klar, doch die Abstimmungen haben diese Tatsache der Welt nochmals eindrücklich vor Augen geführt.

Damals wie heute lohnt sich die Frage, wie wohl Volksabstimmungen im Memelland, in der westpreußischen Kaschubei (dem späteren „Korridor“), aber auch im Elsass und im Sudetenland ausgegangen wären. Obwohl es damals noch keine Meinungsumfragen gab, lassen sich diese Fragen recht klar beantworten: Es gibt aus allen diesen Gebieten genug aussagefähige Daten über das damalige nationale Selbstverständnis der jeweiligen Bevölkerung. Neben den reichsdeutschen Volkszählungen, bei denen auch die Umgangssprache erfragt wurde, über die Wahlerfolge von Minderheitenparteien bis zur Zahl der Desertionen und der Kriegsauszeichnungen im Ersten Weltkrieg: Ein Großteil der Gebiete, die die geschlagenen Mittelmächte abtreten mussten, wären nicht anders als die ost- und westpreußischen Abstimmungsgebiete bei Deutschland oder Österreich geblieben, wenn man ihre Bewohner gefragt hätte. Über die Verhältnisse in Ostpreußen war man 1918 in Paris offenbar ungenau informiert, denn die Sieger ließen Abstimmungen damals sonst nur dort zu, wo sie eine realistische Chance sahen, sie zu gewinnen – etwa in Nordschleswig.

Die Ententemächte wussten später nur allzu gut, dass sie ihr angeblich leitendes Prinzip der Friedensordnung nach dem Ersten Weltkrieg, das Selbstbestimmungsrecht der Völker, opportunistisch nur dort angewendet hatten, wo es ihnen passte. Das wurde nach 1933 zu einem Hauptproblem bei der Mobilisierung der Demokratien gegen den aufstrebenden deutschen Nationalsozialismus. „1914 hat man unseren Männern gesagt, sie würden für das Selbstbestimmungsrecht der Völker in den Krieg ziehen. Sollte man ihnen jetzt sagen, sie sollen gegen das Selbstbestimmungsrecht Krieg führen?“, fragte eine britische Zeitung im September 1938 bitter, warum man Nazi-Deutschland kampflos das Sudetenland überlassen müsse. 1939 stellten Franzosen mit den Worten „Mourir pour Dantzig?“ („Für Danzig sterben?“) die selbe Frage.

Doch das Selbstbestimmungsrecht der Völker hat die pervertierte Anwendung durch den NS-Staat ebenso überdauert wie die Verlogenheiten von Versailles. Auch Hitler handelte ja zutiefst opportunistisch, wie sein Verhalten gegenüber den Baltendeutschen und den Südtirolern belegt. 1966 gelang die verbindliche völkerrechtliche Kodifizierung des Selbstbestimmungsrechts, 1989 feierte es schließlich mit der Befreiung Ostmittel- und Osteuropas seinen größten Triumph. Seitdem ist auch klar, wie geradezu untrennbar eng Selbstbestimmung nach innen und außen miteinander verbunden sind.

Zu bewältigen bleibt für Europa das bittere Erbe der millionenfachen Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg, die gegen nichts so sehr verstieß wie eben gegen das Selbstimmungsrecht der Völker. Die Erinnerung daran macht die Aktualität der Abstimmungen vor 90 Jahren aus. K.B.


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