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10.07.10 / Wermutstropfen im Wein der Freude / Trotz des eindeutigen Abstimmungsergebnisses erhält der Verlierer einige Grenzstreifen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Wermutstropfen im Wein der Freude
Trotz des eindeutigen Abstimmungsergebnisses erhält der Verlierer einige Grenzstreifen

Obwohl mehr als neun von zehn westpreußischen Abstimmern für Ostpreußen gestimmt hatten, verblieb das Abstimmungsgebiet Marienwerder nicht vollständig beim Deutschen Reich. Am 12. August 1920 entschied die Botschafterkonferenz der alliierten und assoziierten Hauptmächte in Paris, dass die fünf Dörfer Außendeich, Johannisdorf, Kleinfelde, Kramershof und Neu-Liebenau in der Nordwestecke des Kreises Marienwerder zu Polen kommen. Gleiches gilt für den Hafen von Kurzebrack, einen Brückenkopf an der später von den Polen abgebrochenen Brücke nach Münsterwalde und den Bahnhof Garnsee. Vier Tage später legte die Reichsregierung dagegen folgenden Protest ein:

„Der Oberste Rat in Paris hat durch seine Entscheidung über das westpreußische Abstimmungsgebiet Ost- und Westpreußen von der Weichsel völlig abgeschnitten. Die Grenze wird zwischen Deich und Weichsel gezogen. Das gesamte Ufer fällt an Polen: der beste Hafen des Marienwerder Gebiets, der Hafen von Kurzebrack, wird mit allen seinen Anlagen Polen zugeschlagen, ebenso die Eisenbahnbrücke der Bahn Marienwerder–Munsterwalde mit ihrem Brückenkopf und innerem Deich, sowie das dortige Gebiet bis zum Fuß des vom Fluss weit entfernt gelegenen zweiten Deichs. Ferner werden die in der Nordwestecke des Kreises Marienwerder gelegenen fünf Ortschaften Johannisdorf, Neu-Liebenau, Außendeich, Kramershof und Kleinfelde an Polen gegeben und damit eine Art Brückenkopf auf dem rechten Weichselufer geschaffen.

Der Friedensvertrag sieht für Polen lediglich ein Stromaufsichtsrecht vor, das in keiner Weise die Begründung zu territorialen Gebietsansprüchen geben kann. Das Recht der Überwachung und Aufsicht über den Strom hat mit der Souveränität über die östliche Stromhälfte und das Ufer nicht das Mindeste zu tun. Es wäre ein Widersinn, die Bevölkerung eines Landstreifens zur Abstimmung über ihr zukünftiges Schicksal aufzufordern, wenn von vornherein feststehen soll, dass ihr Schicksal ohne Rück­sicht auf die Abstimmung negativ entschieden werden muss.

Die deutsche Regierung erhebt hiermit feierlichst Einspruch gegen die Entscheidung des Obersten Rates. Sie muss es ablehnen, irgendeine Verantwortung für die sich etwa aus diesem Spruch ergebenden Folgerungen zu übernehmen; sie kann diese Entscheidungen nicht anerkennen, da sie mit den Bestimmungen des Friedensvertrages nicht vereinbar ist; sie widerspricht ebensosehr dem Selbstbestimmungsrecht der Völker wie den wirtschaftlichen und geographischen Notwendigkeiten des Landes.“

Natürlich blieb der deutsche Protest erfolglos.

Ohne Proteste trat das Reich vom südostpreußischen Abstimmungsgebiet die drei Dörfer Groschken, Lobenstein und Nappern an Polen ab. In diesen unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze liegenden Dörfern des Kreises Osterode hatte die Mehrheit für einen Anschluss an Polen gestimmt, der am 31. Oktober 1920 auch erfolgte. Wie es zu diesem punktuellen polnischen Abstimmungserfolg wider den Trend kommen konnte, erklärt Max Worgitzki, der damalige Leiter des deutschen Wahl- beziehungsweise Abstimmungskampfes, in seinem 1921 erschienen Buch „Geschichte der Abstimmung in Ostpreußen“:

„In den masurischen Kreisen ist die Bevölkerung evangelischen Bekenntnisses. Sie ist zur Hälfte etwa deutsch. Die andere Hälfte, in einigen Kreisen etwas mehr, in anderen etwas weniger, machen die Masuren aus. Daneben gibt es, vor allem in den westlichen Kreisen einige kleine Inseln mit echt polnischer, katholischer Bevölkerung. Sie sind aber zahlenmäßig so geringfügig, dass sie für den Charakter des Abstimmungsgebietes nicht von Bedeutung sind. In Erscheinung getreten sind sie nur im Kreise Osterode, wo an der Westgrenze, die ja heute ostpreußisch-polnische Grenze ist, sich ein Dutzend Ansiedlungsdörfer mit zum Teil überwiegend polnischer Bevölkerung finden. Drei von ihnen haben wir an Polen abtreten müssen. Und wem verdanken wir das? Als Kuriosum sei es mitgeteilt, einer preußischen Behörde, der Generalkommission, die seinerzeit aus wer weiß welchen krausen Erwägungen heraus diese Ansiedlung schuf und dazu ausgerechnet westpreußische polnische Bauern verwandte.“            PZ


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