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17.07.10 / Die Mittelschicht muss wieder ran / Erhöhung des Spitzensteuersatzes trifft heutzutage schon den Normalverdiener

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Die Mittelschicht muss wieder ran
Erhöhung des Spitzensteuersatzes trifft heutzutage schon den Normalverdiener

Skeptiker warteten von Anbruch der jüngsten Steuerdebatte an nur auf den Moment, an dem aus der „Steuersenkungsdiskussion“ ein Streit um Steuererhöhungen werden würde. Dass Erhöhungen statt Erleichterungen ins Haus stehen, davon ließen sie sich auch von noch so vielen Beschwörungen aus der Politik nicht abbringen.

Dass es nun endgültig soweit ist, davon zeugen vor allem die Quellen der allerneuesten Forderungen nach höheren Steuern: „Steuerpolitik heißt Umverteilen“, stellte FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fest und sagte: „Die Leistungsträger müssen dazu beitragen, den Sozialstaat zu finanzieren.“ Sie brachte dies vor wie eine Forderung, die erst noch erfüllt werden müsste.

Dem CDU-Politiker und seit kurzem Bundespräsidenten Christian Wulff blieb es überlassen, die Dinge geradezurücken: Die oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher bezahlten 80 Prozent des gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommens, so Wulff in seinen letzten Tagen als niedersächsischer Ministerpräsident.

Die Steuerdebatte droht – nicht zum ersten Mal – eine besonders für die Mittelschicht verhängnisvolle Wendung zu erfahren. Dabei verläuft sie nach einem bekannten Muster: Zunächst wurde über den mangelnden Beitrag der „Reichen“ geschimpft. „Die mit den breiteren Schultern müssen mehr tragen“ schallte es von Linkspartei bis Union.

Also hätte sich eine Erhöhung der sogenannten „Reichensteuer“ angeboten. Das sind drei Prozent zusätzlich zum Spitzensteuersatz, die ab einem Jahreseinkommen von 250000 Euro zu entrichten sind. Prompt meldete sich eine Reihe prominenter Reicher, um ihre Bereitschaft zu signalisieren, ja sogar zu fordern, dass sie mehr Steuern zahlen.

Das Problem: Die Anhebung der „Reichensteuer“ um einen Prozentpunkt bringt Schätzungen zufolge zwischen 250 und 300 Millionen Euro jährlich. Selbst eine Erhöhung von drei auf 13 Prozent erbrächte also höchstens drei Milliarden Euro mehr. Bei einem Bundesetat von rund 320 Milliarden Euro, von denen 173 Milliarden allein für Soziales ausgegeben werden und 65 Milliarden schuldenfinanziert sind, bringen drei Milliarden recht wenig.

Ergo verlagerte sich die Debatte schnell auf eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Vor allem linke Politiker werden nicht müde zu betonen, dass dieser Satz in den 80er Jahren noch 56 Prozent betragen habe und seitdem schrittweise auf 42 Prozent gesenkt worden sei. Das ist, nominell, richtig. Was die Politik zielstrebig unterschlägt ist, dass jener „Spitzensteuersatz“ seinen Namen kaum noch verdient, denn die ihn entrichten müssen, sind schon lange nicht mehr nur „Spitzenverdiener“.

Rechnet man den Kaufkraft­verlust heraus, kann man die Entwicklung dieses Steuersatzes, sein Vordringen in immer geringere Gehaltsgruppen nachzeichnen. Inflationsbereinigt wurde der Spitzensteuersatz Ende der 50er Jahre ab einem Jahresgehalt von 160000 Euro fällig. Bedenkt man, dass die Bundesrepublik seit dieser Zeit deutlich reicher geworden ist, ein echtes Spitzengehalt.

Heute wird der Höchstsatz schon ab einem Jahresbruttogehalt von 52800 oder 4400 monatlich fällig. Dies liegt nur unweit oberhalb vom Durchschnittsgehalt der Rentenbeitragszahler, das sich laut Deutscher Rentenversicherung derzeit bei rund 32000 Jahresbrutto bewegt. Eine Anhebung träfe also abermals die mehrfach geschröpfte Mittelschicht, sprich: Frau Leutheusser-Schnarrenbergers „Leistungsträger“. Die Politiker selbst aus der SPD beeilen sich mit der Anschlussforderung, auch die Einstiegsschwelle zum Spitzensteuersatz anzuheben, um die Mittelschicht nicht weiter zu belasten. Das Rechenmodell mit der „Reichensteuer“ aber zeigt, dass die Anhebung der Schwelle nicht allzu stark ausfallen dürfte, wo es doch darum geht, viel Geld in die staatlichen Kassen zu bekommen.

FDP-Veteran Hermann Otto Solms steht fast einsam da, wenn er seine Partei ermahnt, ihren „Markenkern“ nicht aufs Spiel zu setzen. Die Parteiführung scheint eher Leutheusser-Schnarrenberger zuzuneigen.       Hans Heckel


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