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17.07.10 / Die Sackgasse des »Gärtner-Konservatismus«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Gastkommentar
Die Sackgasse des »Gärtner-Konservatismus«
von Ansgar Lange

Immer wieder gibt es Debatten über das Wesen und die Zukunftsfähigkeit des Konservativismus. Schon 1962 fand eine solche Diskussion beispielsweise in der Zeitschrift „Der Monat“ statt. Armin Mohler, „das Enfant terrible des deutschen Nachkriegskonservatismus“ (Axel Schildt), hat dem damaligen bundesrepublikanischen Konservatismus ein kritisches Zeugnis ausgestellt und den Begriff des „Gärtner-Konservatismus“ geprägt. Er definierte ihn wie folgt: „Aus Furcht, von neuem in die faschistische Umarmung zu geraten, enthielt man sich ängstlich der Klärung von Grundsatzfragen. Konservative Politik war in dieser Sicht einfach ein Hegen und Pflegen des von selbst Wachsenden unter gelegentlichem Ausrupfen von Unkraut. In dieser Sackgasse des ‚Gärtner-Konservatismus‘ hat sich fast alles festgefahren, was seit 1945 in der Bundesrepublik an Anläufen zu einer konservativen Lehre unternommen worden ist.“

Doch was die Haltung dieser Konservativen wirklich so falsch? Intellektuelle Konservative wie Hans Freyer, Arnold Gehlen und Helmut Schelsky reagierten auf die neuen industriewirtschaftlichen Verhältnisse mit ihrem Entwurf eines modernen oder technokratischen Konservativismus. Und sie taten recht daran, denn die Prozesse der Modernisierung waren zu akzeptieren.

Auch Konservative von heute müssen zunächst von dem ausgehen, „was ist“ (Armin Mohler). Daher zeichnet sie nüchterner Realitätssinn aus. Doch bloße Ideologiefreiheit reicht vielleicht aus, um als Konservativer zu gelten. Um ein Konservativer zu sein, muss deutlich mehr hinzukommen. Ein moderner Konservativer des Jahres 2010 sollte eine eigene Ideologie ausarbeiten und auch das Wort – horribile dictu – konservative Weltanschauung nicht scheuen, denn am kalten Feuer der Ideologiefreiheit kann man sich nicht wärmen.

Freiheit, Eigenverantwortung, Familie, Gottesglaube, Ordnung, Sicherheit, Bewahrung der Schöpfung: Die Liste konservativer Topoi ließe sich fortsetzen. Wer tritt heute noch für diese Werte ein? Es ist schon auffällig, dass ausgerechnet Bundesaußenminister Guido Westerwelle von der FDP eine „geistig-politische Wende“ Anfang dieses Jahres – allerdings ziemlich folgenlos und ohne Echo bei den „Freunden“ der Union – ausgerufen hat. Der Verdacht liegt nahe, dass er damit nur die politisch Korrekten provozieren und eine kleine Knallbombe loslassen wollte. Doch es ist schon auffällig, dass innerhalb der Unionsparteien kaum jemand den Mut findet, den Bürgern ein klares konservatives Konzept zu präsentieren, welches als Zielvorstellung für gelb-schwarze Regentschaft dienen könnte.

Einige Konservative sagen etwas larmoyant, man halte sich als Konservativer am besten abseits und bewahre seine Unabhängigkeit. Wenn man sich publizistisch engagiert, ist diese Haltung angemessen. Doch die Konservativen müssen auch endlich ihrer organisatorischen und personalpolitischen Unfähigkeit ein Ende setzen. Wer etwas erreichen will, muss Macht ausüben. Für deutsche Konservative bleibt daher letztlich nur ein parteipolitisches Engagement innerhalb der Unionsparteien übrig, eventuell noch in der FDP, die jedoch in der Innen- und Rechtspolitik, teilweise in der Außenpolitik und in der Frage des Lebensschutzes sowie von Glauben und Kirche Positionen vertritt, bei denen ein echter Konservativer Bauchgrimmen bekommen muss.

Mehr Fröhlichkeit, Witz und Schlagfertigkeit würde den Konservativen gut zu Gesicht stehen. 1986 erschien ein Buch aus der Feder des „CDU-Intellektuellen“ Ludolf Herrmann mit dem Titel „Die neue Zuversicht − Über den Erfolg der politischen Erneuerung“. Herrmann glaubte damals wirklich, dass eine geistig-moralische Wende in unserem Lande Platz greifen könne. Er kritisierte nicht nur die linken Kulturkritiker, sondern auch die „konservative Selbstbeschimpfung“. „Die sozialliberale Säuerlichkeit, die sich seit 1969 mit ranzigem Moralin in alle Gesellschaftsfugen ergossen hatte, kann nun endlich ausgeputzt werden. Zukunft – man darf wieder daran glauben. Freiheit – sie wird wieder verstanden. Dass man sich auch einmal freuen darf – die Deutschen werden es hoffentlich endlich wieder lernen“.

Christlich-konservative Kritiker der Union wollen sich jedenfalls nicht der Resignation hingeben. Die „Democrazia Christiana“ in Italien ist untergegangen. Wird die deutsche CDU das gleiche Schicksal erleiden? Diese Frage stellte der Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels in seinem vor einiger Zeit erschienenen Buch „Das hohe C − Wohin steuert die CDU?“ Ockenfels sieht die CDU von der Gefahr der Profillosigkeit und Traditionsvergessenheit bedroht. Diese „Tendenz des Relativismus“ zeichne sich auch in den CDU-Grundsatzprogrammen deutlich ab. Letztlich ist Merkel selbst verantwortlich dafür, wenn ihr Kritiker einen Zick-Zack-Kurs vorwerfen. „Mal bin ich liberal, mal christlich-sozial, mal konservativ“ sagte sie am 24. März 2009 in der „FAZ“. Verwaschener und unpräziser kann eine politische Standortbestimmung kaum ausfallen

„Die CDU sollte für Christen nicht nur als geringeres Übel in Erscheinung treten“, schreibt Ockenfels „seiner“ Partei ins Stammbuch. Kann es auf Dauer gut gehen, wenn die Partei Konrad Adenauers und Ludwig Erhards in Fragen des Lebensschutzes, der besonderen Würdigung von Ehe und Familie und in punkto wirtschaftlicher Ordnungspolitik weiter schwächelt? Bei aller Berücksichtigung hedonistischer Großstadtmilieus: Wer Alfred Dreggers kluge Devise „Zuerst kommt die Stammkundschaft, dann die Laufkundschaft“ vergisst, verspielt die eigene Mehrheitsfähigkeit. Die Kanzlerin vernachlässigt das C als Markenkern der Union. Als „beste Ich-AG aller Zeiten“ hat sie sich selbst zu einer Marke gemausert. „Niemand steht so sehr für sich und seine anpassungsfähigen Grundüberzeugungen wie Merkel“, sagt der katholische Publizist Martin Lohmann. Mit dem Christlichen verkümmert auch zusehends alles Konservative in der Partei, denn wenn von den Konservativen in der Union gesprochen wird, dann ist dies fast schon ein Schimpfwort.

Besonders deutlich wird die Vernachlässigung des C bei der Familienpolitik, die man besser als „Frauenerwerbsförderungspolitik“ bezeichnen kann. Insbesondere bei Themen wie Abtreibung und Familie versagt die Union als C-Partei auf ganzer Linie. Brauchen wir also eine neue christliche Partei? Momentan sind solche Pläne nicht realistisch. Konstruktive CDU-Kritiker wie Lohman plädieren eher für das Modell der systematischen Unterwanderung. Viele überzeugte Christen sollten sich in der Merkel-Partei engagieren und ihr dadurch letztlich den Stempel aufdrücken.

Inwieweit sich das Christliche, Liberale und Konservative in der Union in den nächsten Jahren wieder durchsetzen, ist offen. Die konservativen Milieus in Bayern und Baden-Württemberg waren immer der Garant für gute Ergebnisse auf Bundesebene. Doch auch dort laufen der Union mittlerweile die Wähler davon. Will sich die CDU vor dem Schicksal der völlig orientierungslosen SPD hüten, muss sie das wieder betonen, was sie einst zur Gründungspartei der alten Bundesrepublik gemacht hat. Denn wer nur die eigene Stammkundschaft lästig findet, wird langfristig Konkurs anmelden müssen.


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