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17.07.10 / »Er gab der Leinwand das Leben« / El Greco fasziniert noch heute die Kunstfreunde – In Griechenland geboren, in Spanien berühmt geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

»Er gab der Leinwand das Leben«
El Greco fasziniert noch heute die Kunstfreunde – In Griechenland geboren, in Spanien berühmt geworden

400 Jahre nach seinem Tod erscheint der Maler El Greco weiter modern. Ausstellungen mit Werken des Griechen, der in Spanien Karriere machte, ziehen  Besucher aus ganz Europa an.

Im Madrider Prado können Kunstfreunde noch bis zum 1. November einen malerischen Ausblick auf Toledo genießen. Das Gemälde des spanischen Nationalkünstlers El Greco bietet einen weitläufigen und raffiniert-perspektivischen Blick über die Stadt, der von einem Grundriss ergänzt wird. Der Künstler hat hier kein genaues Abbild der Stadt Toledo wiedergegeben, sondern Architekturelemente neu kombiniert. Als Teil seines Spätwerks ist das Gemälde geprägt von einem dynamisch-skizzenhaften Malstil und dem ebenso typischen Gewitterhimmel, der oft auch auf seinen Heiligenbildern zu finden ist. Die Ausstellung der einzigen erhaltenen reinen Landschaftsdarstellung El Grecos wird durch drei dieser Heiligenbilder ergänzt, auf denen einzelne berühmte Gebäude der Stadt detaillierter wiedergegeben sind. El Greco hat nicht zuletzt mit diesem um 1597 entstandenen Bild bei den jungen Malern des Expressionismus einen bleibenden Eindruck hinterlassen und viele von ihnen nachhaltig beeinflusst.

Geboren wurde der Maler als Doménikos Theotókopoulos um 1541 in Fodele bei Kandia (später Heraklion) auf Kreta. Das kleine Dorf, inmitten von Orangenhainen und abseits des großen Touristentrubels an der Nordküste der Insel gelegen, schmückt sich mit seinem berühmten Sohn. Bars und Tavernen entlang eines schmalen Flusses, auf dem sich Enten, Gänse und sogar ein Schwan tummeln, haben sich seinen Namen „ausgeliehen“. Eine Bronzetafel und eine Büste auf dem Dorfplatz erinnern an Theotókopoulos, den sie in Spanien El Greco, den Griechen, nannten, weil ihre Zungen mit dem schwierigen Geburtsnamen nicht zurechtkamen. Als El Greco ist er dann auch in die Kunstgeschichte eingegangen.

In Fodele erinnert mittlerweile auch ein kleines Museum an den Maler. Etwas abseits gelegen, aber nach einem Kilometer gut zu Fuß erreichbar, zeigt das „Museum El Greco“ Beispiele aus seinem Schaffen. In dem aus Feldsteinen wieder aufgebauten Haus der Familie Theotókopoulos sind natürlich keine Originale zu sehen, aber die übergroßen Dias ausgewählter Werke geben in den dunklen Räumen einen guten Einblick in das Schaffen des Malers. Meist sind es religiöse Themen, die El Greco in seiner Kunst darstellte. Neben der intensiven Farbigkeit seiner Gemälde, die weit ins Irrationale hinüberreicht, ist es vor allem seine Figurensprache, die uns noch heute beein-druckt. Die immer wiederkehrenden  langen, verzerrten Gesichter, Hände, die wie Flammen züngeln, faszinieren den Betrachter. Auf Wandtafeln und einem Faltblatt kann man nachlesen, wie das Leben dieses Mannes aus dem 16. Jahrhundert verlief.

Viel ist allerdings nicht bekannt. So ging er in jungen Jahren nach Khandakas, dem heutigen Hera-klion, um dort bei Sinaiten-Mönchen als Lehrling zu dienen. Dort wurde er auch als Ikonenmaler ausgebildet. Erste Eindrücke mag er in der kleinen byzantinischen Kapelle unweit seines Elternhauses erhalten haben. Sehr sorgfältig hat man dort einen Teil der aus dem 11. und 12. Jahrhundert stammenden Wandmalereien restaurieren können. 1566 ging Theotókopoulos nach Venedig, unter dessen politischer Verwaltung Kreta damals stand. Dort wurde er im Atelier von Tizian ausgebildet und begegnete den Werken anderer großer Maler wie Tintoretto oder Veronese. Vier Jahre später ging er nach Rom, wo er sich mit Architektur und Bildhauerkunst beschäftigte und mit den Werken Michelangelos auseinandersetzte.

1577 zog es den Griechen nach Spanien, wo König Philipp II. mit seiner Kloster- und Schlossanlage El Escorial die Künstler anlockte. Heute sind dort viele wertvolle Gemälde El Grecos zu finden. Um 1583 ließ er sich in Toledo nieder, wo er 1614 starb. Der Dichter Luis de Góngora y Argote trauerte um El Greco: „Er gab dem Kreuz Geist und der Leinwand das Leben.“ Heute weiß man von 115 Gemälden, 15 Skizzen und 150 Zeichnungen von der Hand El Grecos. Er führte allerdings eine große Werkstatt, wo wegen der großen Nachfrage Repliken seiner Gemälde angefertigt wurden. Nach seinem Tod erlosch das Interesse an dem Griechen und seinem Werk. Erst im 19. Jahrhundert entdeckten französische Künstler wie Edgar Degas und Eugène Delacroix den Maler wieder. Mit Julius Meier-Graefe, der die europäischen Dimensionen in El Grecos Leben und seiner vergeistigten Ausdrucks-kunst betonte, änderte sich der Blick auf den Maler und sein Werk, das man lange verächtlich betrachtet hatte. Ausführlich schildert Meier-Graefe seine Begegnung mit El Greco im Prado in einem Buch, das vor 100 Jahren erstmals erschien. Mit der „Spanischen Reise“ wurde El Greco wie ein neuer, unbekannter Kontinent entdeckt. „Ich habe einen Menschen gefunden, einen großen, über alle Begriffe genialen Menschen: Greco. Ein Mann aus der Gegend Rembrandts, und uns so nahe wie ein Zeitgenosse“, schrieb Meier-Graefe. „Was gäbe ich darum, wenn ich Dir die Göttlichkeit dieses Menschen zeigen könnte. Ich meine oft, es müsste besser mit uns werden, nicht nur in der Kunst, sondern überall, wenn jeder verstände, was in solchen Menschen steckt.“ Nicht zu Unrecht hat man El Greco, den Mann aus dem kleinen kretischen Dorf Fodele einen Wegbereiter der Moderne genannt. Spanisch? Griechisch? – Das Werk El Grecos ist abendländisch, europäisch.  Silke Osman


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