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17.07.10 / Von Ostberlin gesteuert / »Welt«-Autor Kellerhof über den Fall Kurras und andere DDR-Spione

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-10 vom 17. Juli 2010

Von Ostberlin gesteuert
»Welt«-Autor Kellerhof über den Fall Kurras und andere DDR-Spione

Wäre Joachim Gauck Bundespräsident geworden, dann würden der Bundestag und staatliche Organisationen nun wohl damit rechnen müssen, wie jetzt von der FDP gefordert, auf ihre Stasi-Vergangenheit durchleuchtet zu werden. Die Wahl Gaucks wäre jedenfalls ein starkes Signal gewesen, heutige und vor allem frühere Bundestagsabgeordnete auf Verbindungen zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hin zu überprüfen. Das träfe ehemalige DDR-Bürger genauso wie Westdeutsche, denn das MfS hatte schließlich auch seine Spione im Westen wie erst 2009 der Fall des Polizisten Karl-Heinz Kurras deutlich machte. Kurras hatte 1967 bei einer Demonstration den Studenten Benno Ohnesorg erschossen, worauf sich Teile der linken Studentenbewegung radikalisierten. Dass dieser Mann, der in den 60er Jahren für manche linke Kreise der Auslöser für ihren Gang in den linksextremen Untergrund war, ein Mitarbeiter der Stasi war, erschütterte  Deutschland.

Sven Felix Kellerhof nimmt sich in „Die Stasi und der Westen – der Kurras-Komplex“ des Falles und seiner Auswirkungen auf die Bewertung der jüngsten Vergangenheit an. Der Leitende Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte in der „Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Berliner Morgenpost“ rollt anhand der Stasi-Akte von Kurras auf, wie der westdeutsche Polizist überhaupt zur Stasi kam, wie seine Arbeit mit dem DDR-Geheimdienst aussah und wie er seine Befehle aus dem Osten Berlins erhielt. Man erfährt, wann und wo sich Kurras mit welchen Kontaktpersonen traf und wie er sich mit ihnen verstand. Während der 1971 geborene Autor Kurras Werdegang als Agent aufrollt, flechtet er Hintergrundinformationen zu anderen DDR-Spionen im Westen wie zum Beispiel dem Unternehmer Hannsheinz Porst oder einer Springer-Sekretärin, die für ihre Informationen aus dem Verlag für DDR-Verhältnisse fürstlich entlohnt wurde. Auch geht Kellerhof auf westdeutsche Medien ein, die Geld aus Ost-Berlin erhielten, wie zum Beispiel das Magazin „konkret“ des heutigen PAZ-Autors Klaus Rainer Röhl. Dafür verbreiteten sie direkt DDR-Propaganda beziehungsweise unterstützten diese redaktionell.

Kellerhof erwähnt, dass anlässlich der Aufdeckung des Fall Kurras der Gedanke aufkam, man müsse den linksextremen Terror und die Rote Armee Fraktion insgesamt neu interpretieren, da beides nun keine reine Reaktion auf bundesrepublikanische Verkrustungen war, sondern vom Regime in Ost-Berlin mit initiiert wurde. Er selbst greift diesen Gedanken allerdings nicht auf. Überhaupt ist das Buch eine Dokumentation der damaligen Ereignisse, die manchmal so wirkt, als hätte der Autor diese chronologisch von einem Praktikanten zusammenstellen lassen, während er selbst einige verbindende Worte dazu formulierte. Die Chance, aus den neuen Erkenntnissen die jüngste Vergangenheit neu zu analysieren, hat Kellerhof hingegen nicht genutzt.    R. Bellano

Sven Felix Kellerhof: „Die Stasi und der Westen – der Kurras-Komplex“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, gebunden, 350 Seiten, 23 Euro


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