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24.07.10 / Von Loyalität ist nichts zu spüren / Das scheidende CDU-Führungspersonal fühlt sich offenbar weder seiner Partei noch den Bürgern verpflichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Von Loyalität ist nichts zu spüren
Das scheidende CDU-Führungspersonal fühlt sich offenbar weder seiner Partei noch den Bürgern verpflichtet

Sechs Abgänge von CDU-Ministerpräsidenten binnen zehn Monaten, dazu Bundespräsident Köhler – wie soll es weitergehen in der CDU angesichts des schweren Aderlasses von Führungsfiguren?

Peter Müller, Peter Harry Carstensen, Wolfgang Böhmer, Stanislaw Tillich – die Reihe der CDU-Ministerpräsidenten, die vor zehn Monaten bereits im Amt waren und das ersteinmal auch bleiben, ist kürzer als die Reihe derer, die in dieser Zeit ausgeschieden sind oder ihren Rückzug angekündigt haben. Die Gründe sind jeweils unterschiedlich, teils mehr, teils weniger verständlich, doch in der Gesamtschau ergibt sich ein verheerendes Bild für die CDU.

Angefangen hat die Welle mit dem unglücklichen Thüringer Dieter Althaus, der mit seinem Skiunfall öffentlich ungeschickt umging und eine Landtagswahl verlor. Um eine große Koalition zu ermöglichen, zog er sich zurück und überließ das Amt Christine Lieberknecht, ihres Zeichens evangelische Pfarrerin und Angehörige des eher stillen Widerstands in der DDR. Ebenso still ist auch ihre Amtsführung seither.

Dann kam Günther Oettinger, der trotz wirtschaftlicher Erfolge im „Ländle“ enorm unbeliebt blieb. Vor einer drohenden Wahlschlappe 2011 schickte Merkel ihn als Energiekommissar nach Brüssel. Nachfolger Stefan Mappus gilt zwar als konservativ und innerparteilicher Merkel-Kritiker. Aber im neuen Amt ist er noch nicht so richtig angekommen, im Bund irrlichtert er bislang durch die Kulissen. Er fiel vor allem durch eine Rück-trittsforderung gegen Umweltminister Norbert Röttgen wegen der Atomlaufzeiten auf.

Ohne äußeren Zwang, allerdings nach zwei sehr durchwachsenen Wahlen, warf Roland Koch das Handtuch, der zuvor gegen Andrea Ypsilantis Volksfront-Versuch noch bemerkenswerte Durchhaltequalitäten gezeigt hatte. Unter Kochs Abgang leidet der konservative Teil der CDU, auch wenn dieser nicht vor allem ein Konservativer, sondern eher ein fleißiger Wirtschaftsexperte und hochbegabter Stratege war. Er war in der Lage, die Seele der Partei anzusprechen. Sein bundespolitischer Ehrgeiz blieb erfolglos, die Kanzlerin berücksichtigte ihn nicht im Bundeskabinett. Volker Bouffier, bisher Innenminister Hessens, ist älter als Koch, gilt als konservativer Law-and-Order-Mann, ist aber im Bund ein unbeschriebenes Blatt.

Der überraschende und immer noch rätselhafte Rückzug von Bundespräsident Horst Köhler gehört ebenfalls in diese Reihe, weil auch er aus der CDU kam. Er zog einen weiteren Verlust aus der Reihe der Ministerpräsidenten nach sich: Angela Merkel machte Niedersachsens präsidial regierenden – und immer mal wieder als Reservekanzler gehandelten – Christian Wulff zum Nachfolger. Wulff ist damit weg vom Fenster, was die aktive Politik betrifft: Nach dem Schloss Bellevue noch ins Kanzleramt – diesen Sprung kann sich kaum jemand vorstellen. Nachfolger David McAllister eilt der Ruf voraus, volksnäher und hemdsärmeliger als Wulff zu sein, in vielem vielleicht auch konservativer.

Der Abgang des selbsternannten Arbeiterführers Jürgen Rüttgers nach der herben Wahlniederlage in NRW und des im schwarz-grünen Bündnis inhaltlich völlig verbogenen Ole von Beust in Hamburg ist kein großer Schaden für das konservative Profil der CDU, aber der schlimme Gesamteindruck bleibt: Wieder geht der CDU erfahrenes Führungspersonal verloren, Gesichter und Typen, an die sich die Menschen gewöhnt hatten.

Das wird nun auch für „Mutti“ Merkel ein massives Problem. Ohne diese Männer aus der „Generation 50 plus“ kann sie mehrere Strömungen der Partei nicht abdecken und integrieren. Ole von Beust stand für eine profillose, aber modern daherkommende Großstadt-CDU, Jürgen Rüttgers für die „Herz-Jesu-Marxisten“, Koch und Oettinger standen für Wirtschaftskompetenz. Nun soll es die neue Generation richten. Doch die sträubt sich.

Ein Blick auf das Stellvertreter-Tableau der Bundes-CDU zeigt das. Neben der im Amt verbleibenden Annette Schavan werden oder wurden die drei Stellvertre-terposten von Rüttgers, Wulff und Koch frei. Natürlicherweise sollte man von den CDU-Granden aus Baden-Württemberg, NRW oder Niedersachsen erwarten, dass sie Anspruch darauf erheben, um sich im Bund profilieren zu können. Doch – beispielsweise – weder Mappus noch McAllister drängen sich auf, weder durch ihre bisherige Bundes-Ausstrahlung noch verbal. Sie haben offenbar genug damit zu tun, erst einmal Herr im eigenen Haus zu werden. Wenn Merkel die Stellvertreter indes aus dem Bundeskabinett auffüllt, könnte die Bindung der CDU-Führung an die Länder vollends verloren gehen.

Will an der Seite Merkels etwa niemand mehr kämpfen, weil man sie und diese Regierung ohnehin verloren gibt? Lässt sie niemanden neben sich und ihrem Küchenkabinett gelten? Nicht umsonst nennen SPD und FDP Merkel die „schwarze Witwe“, weil sie ihre jeweiligen Koalitionspartner in existenzbedrohende Krisen stürze.

So ähnlich könnte das auch intern für ihre Flügelleute gelten. Aus dem CDU-Vorstand wird kolportiert, Merkel höre sich Kritik zwar ruhig an, aber gehe weder darauf ein, noch ändere sie irgendetwas. Erst kürzlich kritisierte CDU-Mittelstands-Chef Josef Schlarmann Merkel als quasi-autistische Alleinherrscherin, die nur ihrem engsten, absolut loyalen Umfeld traue. Doch sei diese Loyalität eine Einbahnstraße, die Kommunikation verlaufe ausschließlich von oben nach unten. Das klingt alles nicht sehr ermutigend für die CDU. Es könnte bald sehr still um Merkel werden.          Anton Heinrich


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