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24.07.10 / Ein »Stich ins Wespennest« / Afghanistan: Sommeroffensive in die Rückzugsgebiete der Taliban

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Ein »Stich ins Wespennest«
Afghanistan: Sommeroffensive in die Rückzugsgebiete der Taliban

Nach Jahren des Krieges haben wir einen entscheidenden Moment erreicht“, mahnte US-General David Petraeus als er vor wenigen Wochen den Oberbefehl über die 150000 alliierten Soldaten in Afghanistan übernahm. Schon Monate zuvor hatte sein von US-Präsident Barack Obama wegen Respektlosigkeit entlassener Amtsvorgänger Stanley McChrystal die laufende Sommeroffensive der Alliierten als entscheidenden Befreiungsschlag gegen die Taliban gesehen. Doch inzwischen ist von einem Befreiungsschlag nicht mehr die Rede.

Am liebsten möchten die westlichen Alliierten die erhöhte Kampftätigkeit verschweigen. Lieber feiert man die erste in Afghanistan stattfindende Friedenskonferenz als Erfolg. Zwar war von Beginn an klar, dass hier keine großen Entscheidungen getroffen würden, doch die Tatsache, dass sich am vergangenen Dienstag erstmals die Außenminister der Nato-Staaten in Kabul und nicht im Ausland trafen, sollte ein Vertrauensbeweis an die afghanische Regierung darstellen. In salbungsvollen Reden über den für 2011 geplanten Beginn der Übergabe der von der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (Isaf) dann gesicherten Gebiete an die afghanische Armee und Polizei übertünchte man, dass die Voraussetzungen hierfür eigentlich noch nicht gegeben sind. Armee und Polizei sind genau wie ihre Regierung von Kriminalität und Korruption geprägt. Etwa 225000 Soldaten und Polizisten dienen derzeit dem Staat. Doch gut ein Viertel des Personals quittiert jährlich den Dienst wieder. Auch mangelt es in den nur oberflächlich ausgebildeten Einheiten an Führungskräften, was nicht zuletzt an der Analphabetenquote von über 40 Prozent liegt.

Trotzdem sprechen die afghanische Regierung und die westlichen Alliierten weiter über die Übergabe, die bis 2014 vollzogen worden sein soll. Was bis dahin jedoch noch zur Übergabe bereit steht, ist fraglich. Der deutsche Brigadegeneral Josef Dieter Blotz verteidigt die derzeit erhöhte Kampftätigkeit als „Stich ins Wespennest“. „Bislang hatten wir doch eine eher trügerische Ruhe“, so Blotz gegenüber der „Welt“. „In Helmand, Kandahar, Kundus oder im Osten des Landes gab es in den vergangenen Jahren noch Rückzugsräume, in denen Taliban und Aufständische nicht herausgefordert worden sind. Das ist jetzt vorbei. Die Isaf geht mit den aufwachsenden afghanischen Sicherheitskräften in diese Bereiche rein. Das führt zu zusätzlichen Konfrontationen, zu einer erhöhten Anzahl von Gefechten und auch Anschlägen.“ Für den Brigadegeneral sind die derzeitigen Kämpfe also kein Zeichen für eine erhöhte Aktivität der Taliban, sondern eine erhöhte Herausforderung der Aufständischen durch Isaf und Afghanen, um die Bevölkerung umfassender zu schützen.

Eigentlich hatte der Westen gehofft, nach einer erfolgreichen Sommeroffensive aus einer starken Position heraus mit den Taliban verhandeln zu können. Dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, dessen Führungsriege kürzlich für Schlagzeilen gesorgt hatte, weil sie für den Wiederaufbau bestimmte Gelder nach Dubai abgezwackt hatte, ist das egal. Er will so oder so für seinen Machterhalt nach 2014 mit den Taliban verhandeln.           Bel


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