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24.07.10 / Explosive Altlasten / Vor dem Bau der Ostseepipeline müssen Minen geräumt werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Explosive Altlasten
Vor dem Bau der Ostseepipeline müssen Minen geräumt werden

Die Ostseepipeline, ein deutsch-russisches Großprojekt, steht symbolisch für die Überwindung des Krieges, seiner Folgen und Ursachen. Doch bei der Realisierung ist der Krieg immer noch allgegenwärtig – die Trasse der Ostseepipeline von Wyborg nach Lubmin ist gespickt mit scharfen Bomben und Minen.

Bevor die Rohre, durch die demnächst 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr gepumpt werden sollen, auf dem Meeresgrund verlegt werden können, muss ein 50 Meter breiter und 1220 Kilometer langer Sicherheitsstreifen von allen explosiven Altlasten befreit werden. Zuständig dafür ist „Bactec International“, eine in England ansässige, weltweit operierende Firma.

Im November 2009 haben die Spezialisten vor dem russischen Hafen Wyborg und vor der finnischen Küste mit ihrer gefährlichen Arbeit begonnen; bislang haben sie rund 50 Minen aufspüren und sprengen können. Wieviel noch auf sie zukommt, wissen sie nicht. Immerhin schätzen Experten, dass auf dem Grund der Ostsee insgesamt bis zu 150000 Weltkriegs-Blindgänger liegen. Hinzu kommen etliche Tausend Tonnen verklappte Munition aus Beständen der Bundeswehr, der NVA, der Roten Armee und der USA. Was, wo und wieviel ist nicht näher bekannt, unterliegt der militärischen Geheimhaltung.

Die Beseitigung der längs der Ostseepipeline lauernden Gefahren ist erheblich komplizierter und riskanter als die Bombenentschärfung auf dem Festland. Bei Wassertiefen bis zu 100 Meter ist es völlig unmöglich, die Zünder auszubauen oder sonstwie unwirksam zu machen; die Bomben müssen vor Ort zur Explosion gebracht werden.

„Bactec International“ operiert in der Ostsee von zwei Spezialschiffen aus, der „Edda Frey“ und der „Noordhoek Singapore“. Ein ferngesteuerter Unterwasser-Roboter erkundet zunächst mit seiner Videokamera, um welchen Typ es sich handelt – an die 50 unterschiedliche Arten von Minen sind in diesem Bereich bisher bekannt. Als nächstes wird mit einem Roboter-Greifarm eine Sprengladung angebracht. Hier ist es entscheidend, genau die richtige Stelle zu finden. Im Normalfall arbeiten die Engländer mit fünf Kilogramm Plastiksprengstoff pro Mine.

Vor der Sprengung sind strenge Naturschutzauflagen zu beachten. An Bord der beiden Kommandoschiffe sind Meeresbiologen, um größere Fischschwärme, Robben oder Wale zu orten. Ist die Mine zur Sprengung bereit, werden mit Ultraschall Robben und sonstige Meeressäugetiere im Umkreis von einem Kilometer vertrieben. Zugleich wird der Bereich auch für die zivile Seefahrt gesperrt. Wenige Sekunden vor der Sprengung wird in der Nähe der Mine eine kleine Detonation gezündet, um auch Fische aus dem gefährlichen Sektor zu verjagen. Meeresbiologen kritisieren allerdings, dass dies nicht ausreiche, da die Schockwelle der Sprengung bis zu zwei Kilometer weit wirke. Zur Zeit wird mit einem neuen Verfahren experimentiert: Ein künstlich erzeugter Blasenvorhang soll den Radius der Schockwelle auf 200 Meter verringern.

Doch nicht nur auf hoher See wird das Erdgasprojekt von den Altlasten des letzten Krieges eingeholt. Der Bau der Anschluss-Pipeline „Opal“, die das vorpommersche Lubmin mit dem zentraleuropäischen Netz verbinden soll, begann mit der Entschärfung eines sowjetischen Bomben-Blindgängers.             Hans-Jürgen Mahlitz


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