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24.07.10 / Mordfall Brunner: Wie Täter plötzlich Opfer werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Moment mal!
Mordfall Brunner: Wie Täter plötzlich Opfer werden
von Klaus Rainer Röhl

Letzte Woche begann der Prozess gegen die jugendlichen Gewalttäter von München, die am 12. September 2009 den 50-jährigen Unternehmer Dominik Brunner mit Faustschlägen und Fußtritten so schwer verletzt hatten, dass er kurze Zeit danach an einem Herzstillstand starb. Die Anklage lautet auf Mord. Also Tötung aus niedrigen Motiven (zum Beispiel Rachsucht), nicht Totschlag im Affekt.

Der Fall Brunner hatte voriges Jahr die Gemüter in ganz Deutschland bewegt, weil Brunner sich schützend vor vier Kinder gestellt hatte, von denen die drei arbeitslosen Gewalttäter unter Androhung von Gewalt Geld verlangten. Eines der Opfer hatte sich geweigert, sein Geld herauszugeben und war bereits brutal geschlagen worden.

Die Empörung über die blutige Gewalttat auf dem S-Bahnhof Solln war allgemein, neu war der allgemeine öffentliche Zuspruch für Dominik Brunner. Der eben nicht, wie andere Erwachsene bei Raubüberfällen auf Kinder, die täglich in allen Großstädten Deutschlands am helllichten Tag passieren, weggeschaut, sondern der sich schützend vor sie gestellt und die Polizei mit seinem Handy alarmiert hatte.

Er hatte also genau das getan, was ständig von Politikern und allen Massenmedien gefordert wird: Nicht wegschauen, wo Gewalt angewendet wird, sondern Hilfe herbeirufen und eingreifen, wozu einige Zivilcourage und auch physischer Mut gehört.

Doch die Zustimmung für den 50-jährigen Unternehmer, der bald als ein Held der Zivilcourage gefeiert und nach dem sogar in Dietzenbach ein Platz benannt wurde, hielt nicht an. Kurz nach der Eröffnung des Gerichtsverfahrens gegen die Angeklagten – mit dem 80-jährigen Vater des Ermordeten als Nebenkläger – schlug die Stimmung in der linksliberalen Presse um, und es ist für mich kein Zufall, dass ausgerechnet „Stern“ und „Spiegel“ sowie einige Reporter von Rundfunkanstalten daran beteiligt waren, den an sich klaren Mordfall in einer hintergründig-verschleiernden Weise schrittweise in Richtung „Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuldig“ umzukehren.

Man muss sich dazu einmal vor Augen führen, was an diesem einem Nachmittag am S-Bahnhof Solln geschah und wie die Neukonstruktion der Verteidiger in den Medien gesehen wird. Da gibt es inzwischen sehr viel „gutmenschliches“ Verständnis für die Täter. Achselzucken gegenüber den Opfern.

Schon beim Überfall zweier gewalttätiger (ausländischer) Jugendlicher auf einen 77-jährigen Pensionär, der in der Münchner U-Bahn schwer verletzt wurde und noch immer an den Folgen leidet, war die Sympathie zum Teil auf Seiten der Gewalttäter. Weil er die Jugendlichen darauf hingewiesen hatte, dass in der U-Bahn Rauchverbot herrscht, wurde er daraufhin mit den Worten „Scheißdeutscher“ fast totgeprügelt. Dazu hieß es in einigen linken Medien, der ehemalige Lehrer hätte die Schläger durch seine Äußerungen provoziert. Selber schuld, schienen die Genossen Journalisten zu meinen. Er hätte nur den Mund halten müssen, dann wäre ihm nichts passiert!

Genau das hatte Brunner nun nicht getan. Sehr wahrscheinlich, dass er von der sprunghaft ansteigenden Zahl von Gewalt-Überfällen gehört und gelesen hatte. Nun wurde er Zeuge eines solchen Überfalls am helllichten Tage, im Szene-Jargon verniedlichend „Abziehen“ genannt.

Abziehen, das ist nichts weiter als Straßenraub: Kohle raus, sonst gibt‘s was auf die Fresse! Einer der überfallenen Jungen hatte sich geweigert, sein Geld herauszugeben, und war schon brutal geschlagen worden, als Brunner eingriff und die Flucht der Kinder in Solln ermöglichte. Die angetrunkenen, mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraften Schläger sannen auf Rache: Den machen wir fertig. Hier beginnt der Vorsatz, sagt die Anklage. Einer der drei Kleinkriminellen stieg übrigens aus. Er fuhr mit der U-Bahn zu seiner Oma. Geld „abziehen“.

Die beiden anderen gingen auf Brunner los. Einer von ihnen, der zur Tatzeit bereits volljährige Markus S., richtete seinen Schlüsselbund als Schlagring her, was verheerende Verletzungen beim Angegriffenen verursachte. Dann stürmten sie gemeinsam auf Dominik Brunner los.

Was dann geschah, schildert einer der beiden Angeklagten, die wie Mamis Lieblinge brav und reumütig vor Gericht erschienen, etwa so: „Der Typ versetzte mir einen Faustschlag ins Gesicht. Es tat verdammt weh. Da rastete ich aus.“ Also kein Mord, sondern Totschlag aus Wut? Da kommt auf der linken Seite Verständnis auf. Denn Wutanfälle liebt man seit 1967/68. Was lange währt, wird endlich Wut! Vielleicht trug zur Sympathie der Journalisten auch bei, dass der vielfach vorbestrafte Schläger in einem Internet-Forum auf die Frage, was er am liebsten tun möchte, antwortete: „Ein Bullen-Revier in die Luft jagen!“ Kommt uns das nicht bekannt vor?

Die Sympathie für die Angeklagten ist noch vorsichtig. Aber langsam lässt sich die Verteidigungslinie des Anwalts und der ihn unterstützenden Presse klarer erkennen: Schwere Jugend. Keinen Bock auf Schule. Arbeitslos. Frustriert. Aus Frust jeden Abend betrunken. „Und dann kommt so’n Arsch und macht uns an. Den machen wir alle.“ Von zwei Seiten schlagen sie immer wieder auf Brunner ein. Auch noch, als der bereits blutend und hilflos am Boden liegt. Sie hatten eben Wut. Sollen wir Verständnis haben für die Mörder?

Bald werden die Verteidiger und ihre linken Freunde Umstände finden, die für eine milde Strafe und vorzeitige Haftentlassung der Schläger sprechen, und werden alles dafür tun, dass sie bald wieder frei unter uns herumlaufen. Und mit ihnen zehntausend andere Jugendliche, die an unseren Schulen heranwachsen. In München, in Köln und in Berlin.

Wenn sie alle Lehrer verprügelt, alle Schulstunden geschwänzt, alle Ausbildungen geschmissen haben, gehen sie voller Wut über das „ihnen angetane Unrecht“, wir würden sagen, aus Langeweile, auf die Straße. In Berlin, in Köln, in München. Und schlagen zu.

Und wenn sie trotz einer Riesenliste von schweren Körperverletzungen, Diebstahl, Raub und Erpressung doch einmal vor Gericht geraten, steht eine ganze Garde von Anwälten, Beratern und Betreuern bereit, den ihre Mitbürger tot oder zum Krüppel schlagenden Tätern zu helfen, ihnen beizustehen und drohende Strafen zu verhindern oder abzumildern.

„Eine Summe von Zufällen ändert den Weltgeist“, sagt Hegel. Einfacher sagt es eine sehr alte Volksweisheit aus dem ausgehenden Mittelalter: „Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.“

Es gibt keine Brunnen mehr, aus denen wir das Wasser mit Eimern oder Krügen schöpfen müssen, ebenso kein Fass, das plötzlich überlaufen kann. Brunnen und Fässer gibt es nur noch in alten Bildern und Märchen. Aber die Warnung, die in dem alten Sprichwort steckt, gibt es noch: Genug ist genug. Der Überfall auf Dominik Brunner war nur einer von tausenden. Aber er war einer zu viel. Nach Erwachsenenstrafrecht müsste Markus S. wegen Mordes verurteilt werden, lebenslänglich ins Gefängnis.

Das sind wir Dominik Brunner schuldig.

Besuchen Sie Klaus R. Röhl auf seiner Internetseite www.klausrainerroehl.de


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