Erstes Großkampfschiff im Mittelmeer
Vor dem Ersten Weltkrieg lagen drei Großmächte im Wettstreit um die
Vorherrschaft im Mittelmeer: Frankreich, Italien und Österreich-Ungarn.
Am 3. Dezember 1906 stellte die Royal Navy mit der „Dreadnought“ das
weltweit erste Großkampfschiff in Dienst. Das entwertete mit einem
Schlag alle anderen Linienschiffe. Die Reaktionen der Mittelmeeranlieger
fielen sehr unterschiedlich aus. Frankreich wäre industriell in der Lage
gewesen, dem britischen Vorgehen sofort zu folgen. Aber das Land zögerte
aufgrund der „Jeune Ecole“ (Junge Schule), die auf kleinere Einheiten
setzte. Erst im Herbst 1910 begann es mit dem Bau von Großkampfschiffen.
In Italien entschloss man sich schon 1907, Großkampfschiffe zu bauen,
konnte aber aus industriellen Gründen erst 1909 die „Dante Alighieri“
auf Stapel legen.
Wollte das Habsburgerreich nicht ins Hintertreffen geraten, musste es
ebenfalls handeln. Das k.u.k. Parlament ging jedoch 1910 auseinander,
ohne den Bau von Großkampfschiffen bewilligt zu haben. Der Kommandant
der k.u.k. Marinesektion Admiral Rudolf Graf von Montecuccoli erteilte
daraufhin auf eigene Verantwortung der Werft STT in Triest zwei
Bauaufträge für Großkampfschiffe. Tatsächlich bewilligte das Parlament
bei seinem nächsten Zusammentreten sogar vier.
Vor 100 Jahren, am 24. Juli 1910, wurde mit dem Bau des ersten
Schiffes, das später den Namen „Viribus Unitis“ erhielt, begonnen. Der
Bau schritt ungewöhnlich rasch voran. Schon nach elf Monaten konnte der
Stapellauf erfolgen. Im Sommer 1912 war der Ausbau der „Viribus Unitis“
soweit vorangekommen, dass im August 1912 mit den ersten Probefahrten
begonnen werden konnte. Am 5. Dezember 1912 wurde sie in Dienst
gestellt.
Damit war die Donaumonarchie die erste Seemacht im Mittelmeer, die
über ein Großkampfschiff verfügte. Die italienische „Dante Alighieri“
war zwar schon am 6. Juni 1909 auf Stapel gelegt worden, konnte aber
erst am 15. Januar 1913 in Fahrt gebracht werden. Der
österreich-ungarische Vorsprung wurde am 14. Juli 1913 wieder
hergestellt, denn mit der Indienststellung der „Tegetthoff“ besaß die
k.u.k. Marine nun zwei Großkampfschiffe. Diesen Vorsprung konnte die
Doppelmonarchie bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges halten. 1915
aber konnte Rom gleich drei weitere Großkampfschiffe in Fahrt bringen,
Wien jedoch nur eines. In der Gewissheit dieser zahlenmäßigen
Überlegenheit erklärte Italien Österreich-Ungarn im selben Jahr den
Krieg, obwohl es eigentlich mit den Mittelmächten verbündet war. Im
Krieg wurden die Großkampfschiffe nach Art einer „Fleet in being“
defensiv eingesetzt. Und trotzdem überstand die „Viribus Unitis“ den
Waffengang nicht. Am 1. November 1918, dem letzten Kriegstag für die
k.u.k. Marine, wurde sie von zwei italienischen Agenten im Hafen von
Pola gesprengt. Klaus Gröbig
Der Verfasser dieses Artikels ist Autor des Heftes über die „Viribus
Unitis“, das aus Anlass des 100. Jubiläums in der Reihe „Schiffe –
Menschen – Schicksale“ erscheint. |