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24.07.10 / Erstes Großkampfschiff im Mittelmeer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-10 vom 24. Juli 2010

Das Original vom Ballhausplatz
Bruno Kreisky wird nicht nur wegen seiner langen Regierungszeit den Österreichern in Erinnerung bleiben

Originell war er allemal, der Bruno Kreisky, agnostischer Jude und ab 1967 Chef der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ). Besonders fiel das auf, als er in seiner Amtszeit als österreichischer Bundeskanzler (1970–83) den USA und Israel einen Eigensinn entgegensetzte, den er sich wohl nur deshalb leisten konnte, weil er einen kleinen Staat vertrat.

Im September 1973 schloss der am 22. Januar 1911 geborene Wiener ein auf österreichischem Boden entstandenes Transitlager für Juden, die aus dem Ostblock ausgewandert waren, nachdem palästinensische Terroristen einige der Auswanderer in ihre Gewalt gebracht hatten. Auf dem Osloer Kongress der Sozialistischen Internationale vom November 1973, unmittelbar nach dem Jom-Kippur-Krieg, setzte Kreisky sich für die Schaffung eines Palästinenser-Staates ein und forderte eine besondere Rolle Europas zur Lösung des Nahost-Konfliktes. Der müsse mit arabischen Augen betrachtet werden, sagte er.

Im März 1974 bereiste er Israel, Ägypten und Syrien auf einer „Fact Finding Mission“ und traf sich mit PLO-Chef Yassir Arafat, der damals noch als Erzterrorist galt. Zwei weitere Touren durch die arabische Welt folgten, auch dem bizarren Muammar al-Gaddafi von Libyen wandte Kreisky sich zu. Solche Treffen fielen auf, auch wenn Kreisky kein anderes Ergebnis nach Hause bringen konnte als die Verkündung des Willens der Araber, dass Israel die besetzten Gebiete (Sinai, Gazastreifen, West Bank, Golanhöhen) räumen solle.

Ägyptens Präsident Anwar El-Sadat kam anschließend gleich dreimal nach Wien, 1978 traf er dort den israelischen Oppositionsführer Schimon Peres. Da begann sich der ägyptisch-israelische Friedensvertrag von 1979 anzubahnen. Im selben Jahr kam auch Arafat, und beide erklärten, dass Israels Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten ein schweres Hindernis für den Frieden sei. Am 19. März 1980 erkannte Österreich als erster westlicher Staat in Europa die PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes an. Das trug Kreisky den Vorwurf des israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin ein, er sei ein „jüdischer Verräter“.

Kreisky hatte in seiner Minderheitsregierung von 1970 vier Minister, die Mitglied der NSDAP gewesen waren, der Landwirtschaftsminister Öllinger noch dazu bei der Waffen-SS. Der sogenannte Nazi-Jäger Simon Wiesenthal nahm daran schweren Anstoß, doch Kreisky hielt stand: „Es ist das unveräußerliche Recht jedes Menschen, seine politischen Ansichten im Lichte der Erfahrung zu überprüfen und auch zu ändern.“ Wiesenthal warf er im Gegenzuge vor, mit der Gestapo kollaboriert zu haben, was ihm gerichtlich und mit Geldstrafe untersagt wurde. Er starb am 29. Juli 1990, ohne sie bezahlt zu haben.

Man kann Kreiskys Nachsichtigkeit gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten zumindest teilweise damit erklären, dass er als junger Funktionär der SPÖ, die damals noch „Sozialdemokratische Arbeiterpartei“ (SDAP) hieß, von den Austrofaschisten, die das Land von 1934 bis 1938 beherrschten, ins Gefängnis gesteckt worden ist. Die Austrofaschisten waren für ihn daher schlimmer als die Nationalsozialisten, denn die hatten ihn 1938 „nur“ ins Exil geschickt. Er war nach Schweden gegangen, um dort eine liberalisierte Sozialdemokratie kennenzulernen. Die habe er dann, sagte er selbst mit großer Gebärde, in Österreich eins zu eins umgesetzt.

Überhaupt neigte er sehr zur Selbststilisierung. So hat er auch seine Mitwirkung als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten am Zustandekommen des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 kräftig herausgestrichen. Immerhin, Kreisky ist bei diesem für Österreich identitätsstiftenden Ereignis unübersehbar dabei gewesen. Und mit 13 Amtsjahren ist er der am längsten amtierende Bundeskanzler in der Geschichte Österreichs. Allein deshalb schon ist ihm ein Platz im Pantheon der Zweiten Republik sicher.  Bernd Rill


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