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31.07.10 / Zwei Altmeister der Moderne / Ausstellungen in Schleswig-Holstein würdigen das Werk von Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-10 vom 31. Juli 2010

Zwei Altmeister der Moderne
Ausstellungen in Schleswig-Holstein würdigen das Werk von Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel

In einem Gemeinschaftsprojekt machen die großen norddeutschen Kunstmuseen unter dem Titel „Expressionismus zwischen den Meeren: Die Brücke in Schleswig-Holstein“ den Einfluss deutlich, den Schleswig-Holstein auf die Entwicklung des deutschen Expressionismus genommen hat.

Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Werke von Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) und Erich Heckel (1883–1970). Beide Künstler verbrachten etliche Monate an der deutschen Ostseeküste, wo sie sich zu großartigen Arbeiten inspirieren ließen. Besonders in dem Œuvre Schmidt-Rottluffs sind Motive von diesem Küstenstrich zu finden. Die Ostseebilder, die derzeit in Lübeck zu sehen sind, stammen aus Alsen, Nidden, Hohwacht, Jershöft, Rumbke (Lebasee) sowie Sierksdorf und geben einen Einblick in das Lebenswerk des Künstlers. „Mit sich allein in der Einsamkeit der Natur fand er zu einzigartigen Bildern“, schreibt Magdalena M. Moeller, Direktorin des „Brücke“-Museums, im Katalog zur Ausstellung. Der Maler gilt heute als ein Klassiker der Moderne, als einer der Hauptvertreter des Expressionismus in Deutschland. Ursprünglich wollte er, der sich schon während seiner Schulzeit in Chemnitz durch besondere Begabung im Zeichnen hervortat, Architekt werden. So besuchte er die Technische Hochschule in Dresden. Dort rief er gemeinsam mit Erich Heckel, Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner 1905 die Künstlergemeinschaft „Brücke“ ins Leben.

Die gemeinsame Begeisterung für die Malerei hatte die vier Studenten zusammengeführt und schon bald stießen gleichgesinnte Maler zu ihnen, darunter Max Pechstein und Otto Mueller. 1906 kam Emil Nolde dazu, der allerdings die Gruppe bald wieder verließ. Nach dem Umzug der Maler 1911 nach Berlin blieb die Gemeinschaft nur noch zwei Jahre bestehen. Bereits 1913 zerstritten sich die Freunde, und jeder begann seinen eigenen Weg zur Kunst zu suchen.

Schon während der gemeinsamen Zeit der „Brücke“ verfolgte Schmidt-Rottluff seine Ansichten von Kunst mit der ihm eigenen Ausschließlichkeit. „Das von Anfang an konsequente Beharren auf der eigenen Bildvorstellung und der eigenen Position ließ Schmidt-Rottluff auch später Werke von großer Unabhängigkeit und künstlerischer Selbständigkeit hervorbringen“, betonte Magdalena M. Moeller. „Als einzigem der ehemaligen ,Brücke‘-Künstler gelang es ihm, die Stilmöglichkeiten des Expressionismus vollständig auszuschöpfen beziehungsweise im Spätwerk sogar noch einmal zu steigern.“ Entscheidend waren nicht nur die Monate, die Schmidt-Rottluff 1913 auf der Kurischen Nehrung verbrachte.

1909 hatte Max Pechstein das Fischerdorf Nidden für sich entdeckt, und er mag auch Schmidt-Rottluff darauf aufmerksam gemacht haben. Von Juni bis August 1913 blieb er in Ostpreußen. Beeindruckt von der unvergleichlichen Landschaft, malte Schmidt-Rottluff dort auch zum ersten Mal Akte in der freien Natur. Lebensfreude und Sinnlichkeit darzustellen gelingt ihm ebenso wie die Synthese von Ausdruck und Form.

Vor und nach dem Ersten Weltkrieg war es Hohwacht, das Schmidt-Rottluff die Motive lieferte. Nun waren es nicht mehr Akte, sondern bekleidete, statische Frauenfiguren, die er auf die Leinwand bannte. Immer aber war es die Landschaft, die ihn faszinierte. Eine „unerklärliche Sehnsucht, das zu fassen, was ich sehe und fühle, und dafür den reinsten Ausdruck zu finden“, sei es, was ihn antriebe, hat Schmidt-Rottluff einmal bekannt.

Nachdem die Künstlergruppe „Brücke“ im Mai 1913 auseinander gebrochen war, machte sich auch Erich Heckel auf, um fern von Berlin in möglichst unberührter Natur ein Refugium für sich und seine Kunst zu finden. In Osterholz an der Flensburger Förde entdeckte er schließlich sein Maler-Paradies. „Ich glaube, es ist wohl auch in meinen Arbeiten hier mehr von dem Wind und den bewegten Büschen, den gebogenen Bäumen und dem bewölkten Himmel darin als heitere Sommerruhe, was ja zu dem eigenen Suchen und unruhigen Sehen auch besser passt“, schrieb er 1913 an einen Freund. Bis in die 1930er Jahre zog er in den Sommermonaten an die Förde, um zu malen. Heute zählt Heckel wie Schmidt-Rottluff zu den Altmeistern der Moderne und hat ein Werk von ausgeprägter Individualität hinterlassen.            Silke Osman

Bis 5. September sind in Lübeck Karl Schmidt-Rottluffs „Ostseebilder“ zu sehen. Im Museum Behnhaus Drägerhaus, Königstraße 9–11, sind Werke ausgestellt, die er bis in die 1940er Jahre hinein schuf, die Kunsthalle St. Annen zeigt seine Sierksdorfer Motive der Nachkriegszeit (dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr), Katalog Hirmer Verlag, München 2010, 264 Seiten, gebunden, 39,90 Euro.

Bis 29. August wird unter dem Titel „Aufbruch und Tradition“ eine große Retrospektive mit Werken von Erich Heckel in der Reithalle des Schlosses Gottorf präsentiert. Katalog Hirmer Verlag, München 2010, 326 Seiten, gebunden, 39,90 Euro.


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