29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.07.10 / Archäologen im Visier / In Makedonien verschwinden bei Ausgrabungen Kunstgegenstände

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-10 vom 31. Juli 2010

Archäologen im Visier
In Makedonien verschwinden bei Ausgrabungen Kunstgegenstände

Das kleine Makedonien ist voll großer Geschichte, gestaltet binnen 4000 Jahren von bronzezeitlichen Ursiedlern, makedonischen Herrschern wie Philipp und Alexander, römischen Eroberern, christlichen Kirchenvätern wie dem Apostel Paulus, byzantinischer Hochkultur, makedonischen und serbischen Zaren wie Samuil und Duschan und schließlich von Osmanen, die vom 14. bis zum frühen 20. Jahrhundert Makedonien als „goldenen Apfel“ ihres Imperiums festhielten.

Die Spuren dieser wechselvollen Historie liegen in rund 4300 „archäologischen Lokalitäten“, zu denen laufend neue hinzukommen, seit 2007 etwa im Dorf Taor im Norden, wo Taurisium ausgegraben wird, der Geburtsort von Justinian, im 6. Jahrhundert der erste Slave auf dem römischen Kaiserthron.

Makedonische Archäologen leiden keinen Mangel an hei-mischen und ausländischen Aufträgen, sind aber schlecht bezahlt, ungenügend versichert und nur selten vertraglich abgesichert. 400 von ihnen arbeiten derzeit „schwarz“, weil sie keine reguläre Anstellung bekamen.

Nach einjähriger Fahndung hat die Polizei jetzt die Aktion „Phalanx“, benannt nach der Elitetruppe Alexanders des Großen, gestartet und 51 Verdächtige in acht Städten verhaftet und 29 in Untersuchungshaft genommen. Bei ihnen wurden Tausende Kunstgegenstände gefunden, datierend vom 8. vorchristlichen bis zum 14. nachchristlichen Jahrhundert: 3000 Münzen, 300 Bronzewaffen, 160 Schmuckstücke, 20 Skulpturen, zahlreiche Gefäße und dutzende Ikonen.

In einer Skopjer Kaserne kann die Öffentlichkeit die Funde bestaunen, während sich Experten noch wochenlang um ihre Bewertung mühen werden. Es geht um Riesensummen: Bei einem Verdächtigen wurde ein Scheck der Deutschen Bank über zwei Millionen Euro gefunden, und im Londoner Auktionshaus Sotheby’s sind „Zwillinge“ makedonischer Statuen für 60000 und mehr Euro veräußert worden.

Innenministerin Gordana Jankulovska und ihre Polizeioffiziere sind berechtigt stolz auf den Erfolg von „Phalanx“, kennen aber auch deren „Pferdefüße“. Die meisten makedonischen Kunstwerke, die in Sofia und Belgrad aufgespürt wurden, sind ganz legal dorthin gelangt, nachdem Makedonien in beiden Weltkriegen zu Bulgarien und in der Zeit dazwischen zu Serbien gehört hatte. Dass das Britische Museum seit Jahrzehnten die „makedonischen Bronzen“ und Statuen aus der makedonischen Ausgrabungsstätte Heraclea besitzt, dürfte rechtlich korrekt sein. Aber wäre es auch illegal – die Makedonen hätten das Nachsehen. Sie wissen im Grunde nicht, welche Schätze verschwanden und welche sie zurückholen könnten.

Erst 1956 begann man, die eigenen Kunstwerke zu erfassen, kam aber über ein Verzeichnis der 25000 Ikonen von den Anfängen bis zum 17. Jahrhundert nicht hinaus. Erst 2004 signierte Makedonien die Unesco-Konvention, die die „Restitution“ von bis 1992 geraubten Kunstwerken regelt. Fürsorge für nationale Kunstwerke sieht anders aus.

Das wird nun anders. „Phalanx“ hat neben geraubten Kunstschätzen auch das ganze Instrumentarium gefunden, das organisierte Kriminelle im Feld der Archäologie benötigen: Detektoren, topographische Karten, Fachbücher, numismatische Kataloge und anderes mehr. Das besondere Interesse der Fahnder erweck-ten Fotos von archäologischen Funden, die wohl als nächste geraubt werden sollten. Das will die Polizei verhindern, indem sie die abgebildeten „archäologischen Lokalitäten“ möglichst rasch identifiziert. Dann kann sie auch die „Kanäle“ versperren, über die die Beute ins Ausland verschwand.            Wolf Oschlies


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren