19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.07.10 / Umbau statt Abriss / Von der Kirche zur Kita: Ein zweites Leben für ein denkmalwürdiges Bauwerk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-10 vom 31. Juli 2010

Umbau statt Abriss
Von der Kirche zur Kita: Ein zweites Leben für ein denkmalwürdiges Bauwerk

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und ihre Landeskirchen leiden unter schrumpfenden Mitgliederzahlen. So bleibt der Abschied von manchem Kirchengebäude nicht aus: 340 Gotteshäuser gab die EKD zwischen 1990 und 2005 zur Umnutzung frei. Einige wurden abgerissen (46), andere verkauft (97) – davon die meisten wegen Baufälligkeit (79). Sehr viele dieser Kirchen und Kapellen stehen jedoch ungenutzt da (130) – Zukunft ungewiss. Nur 26 Kirchbauten konnten erfolgreich an Dritte vermietet werden. Oft mangelt es am kirchenkonformen Nutzungskonzept. Immerhin 41 einstige Bethäuser wurden bundesweit umgewidmet.

Dass eine Kirche jedoch nicht nur baulich erhalten bleibt, sondern in der Trägerschaft der Gemeinde und zudem Kindern Spieloase und Ort der Heranführung an den Glauben bietet, ist einmalig. Die Hamburger Bethlehem-Kirche wird so zum Pilotprojekt für einen modern-großzügigen Kindergarten und den Erhalt christlicher Architektur.

Im Jahr 2005 entwidmet und bald zum Abriss freigegeben, stand der Bethlehem-Kirche, einem roten Ziegelbau aus den 60er Jahren, ein düsteres Schick-sal bevor. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Der Umbau zum Kindergarten verläuft plangemäß, im Spätsommer ziehen zwei Gruppen mit 44 Kindern um. Im September soll der Außenbereich fertig sein. Es ist ein Projekt, das Denkmalschutz, weiterer kirchlicher Nutzung und den Bedürfnissen der Kinder Rechnung trägt – für 1,2 Millionen Euro.

Kirsten Dieckow leitet die Kita in den farbenfrohen, doch beengten alten Räumen. Dieses Gebäude wird abgerissen. Mit der neuen Nutzung bleibt der Kirchbau in der Trägerschaft der Gemeinde. Die eigentliche planerische Revolution bildet jedoch die rund 300 Quadratmeter große Innen-Spielfläche im Kirchenschiff, das weiterhin einen Altar beherbergen wird – trotz Entwidmung – als Ort späterer Kindergottesdienste, „vielleicht auch für Taufen, wenn Eltern das wünschen“, so Dieckow. Das Spiel-Themenfeld wird gerade mit den Architekten geplant. Flexibel soll es sein. Den denkmalgeschützten Bau öffnen die Planer nach innen und außen mit einem Haus im Haus. So entstehen Gruppenräume in luftiger Stahl-Glas-Konstruktion.

Wenn Kirsten Dieckow von dem jahrelang erwarteten Bau spricht, kommt sie ins Schwärmen: „Die Kinder können den einstigen Kirchenraum für sich erobern – ein einmaliger Vorgang und darum habe ich mich bei der Planung dafür eingesetzt, viele Bereiche schlicht zu halten, damit die Kinder die Nutzung festlegen.“ Dem Bau bleibt somit erspart, was vor allem in den Neuen Ländern heute viele Orte belastet: Kirchen-Umnutzungen mit ungewisser Zukunft.

Noch hallt Baulärm durch den weiten, klar gegliederten Raum. „Um den späteren Geräuschpegel mache ich mir nicht so Sorgen – wir haben die Kirche schon oft genutzt. Die Anwohner, die für den Erhalt der Kirche gekämpft haben, begrüßen nach meiner Erfahrung das Projekt.“ Gerade ältere Gemeindemitglieder können die Aufgabe von Kirchgebäuden erfahrungsgemäß schwer akzeptieren – mit der neuen Lösung bleibt der Kirchbau nicht nur sichtbar, sondern auch funktionell der einstigen Bestimmung nah.   Sverre Gutschmidt


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren