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31.07.10 / Die Last der Schuld / Kroate liebt Serbin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-10 vom 31. Juli 2010

Die Last der Schuld
Kroate liebt Serbin

„Die Tür ging auf, und im selben Moment schossen die Flammen empor, Flammen in verschiedenen Farben, blau, gelb, als hätte jemand das Feuer geschürt.“ So schildert eine Zeugin in Nicol Ljubis Roman „Meeresstille“ den Moment, als sie ihre Familie verlor. Der in Berlin lebende Kroate hat den Krieg in Jugoslawien als Thema für seinen Roman gewählt, in dem er den Prozess gegen den fiktiven serbischen Kriegsverbrecher Zlatko Simic schildert. Dieser soll damals als Helfer des Roten Kreuzes getarnt eine muslimische Familie in ein Haus gelotst haben, von dem sie angeblich Busse des Roten Kreuzes abholen und vor den Auseinandersetzungen zwischen Serben und Muslimen in dem Ort Visegrad in Sicherheit bringen sollten. Doch statt dessen kamen Serben, raubten die Flüchtlinge aus und kurze Zeit später stand das Haus in Flammen und nur die Zeugin konnte sich retten.

Ljubis schildert den Prozess aus Sicht von Robert, einem deutschen Historiker, der als wissenschaftlicher Assistent an einer Universität arbeitet, sich aber trotz der kroatischen Herkunft seines Vaters nie mit dem Jugoslawienkrieg auseinandergesetzt hat. Erst als der schüchterne junge Mann im Theater an der Garderobe die junge Studentin Ana aus Belgrad kennen- und später lieben lernt, bekommt der über ein Jahrzehnt zurückliegende Krieg plötzlich für ihn eine Bedeutung. Dabei waren es eigentlich nur Fragen eines Freundes, der von Ana wissen wollte, was sie nach dem Studium machen wolle, und der, als sie antwortete, dass sie erstmal zurück nach Belgrad wolle, fragte, ob sie den Fall um den Kriegsverbrecher Karadzic verfolgt habe. Anas heftige Reaktion verwunderte Robert und Stück für Stück erfuhr er, warum, so dass er nicht anders konnte, als nach Den Haag zu fahren und den Kriegsverbrecherprozess zu verfolgen.

Der 1971 in Zagreb geborene Autor wechselt zwischen dem Geschehen im Gerichtssaal und Roberts Erinnerungen an seine Beziehung zu Ana hin und her. Allmählich erfährt der Leser, warum Robert nicht anders konnte, als nach Den Haag zu fahren. Hier hofft der unglücklich Verliebte Antworten auf Anas abweisendes Verhalten zu bekommen. Doch auch hier bekommt er sie nicht, so dass er später sogar nach Serbien reist, um vor Ort eine noch immer gespaltene Nation zu erleben.

Das von Nicol Ljubic gewählte Thema ist äußerst reizvoll. Es verknüpft die Frage nach Schuld, Verantwortung und Versöhnung mit einer Liebesgeschichte. Doch leider ist der an sich kurze Roman nicht kurzweilig geraten. Roberts Erinnerungen an seine Liebe zu Ana sind zeitweise langatmig. Robert mangelt es an Selbstbewusstsein und aus Freude, eine so tolle Freundin wie Ana zu haben, fragt er nicht weiter nach, wenn es um ihre Kindheit geht, obwohl er anhand ihrer unkontrollierten Wut darüber, dass die Serben immer die Bösen sein sollen, ahnt, dass sie einen persönlichen Bezug hierzu hat.             Rebecca Bellano

Nicol Ljubic: „Meeresstille“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, gebunden, 191 Seiten, 17 Euro


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