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07.08.10 / Endlich eine gute Nachricht aus Brüssel / Was Berlin nicht gelang, könnte nun die EU schaffen: Das schnellere »Aus« für die Kohlesubvention

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-10 vom 07. August 2010

Endlich eine gute Nachricht aus Brüssel
Was Berlin nicht gelang, könnte nun die EU schaffen: Das schnellere »Aus« für die Kohlesubvention

Brüssel gegen Berlin und Düsseldorf: Um die Frage, wie lange der Abbau von Steinkohle noch staatlich subventioniert werden soll, ist ein Streit entbrannt. Deutschland will die Förderung erst 2018 auslaufen lassen, die EU schon 2014. Und sie hat Recht.

Kaum eine Subvention wird von Wirtschaftswissenschaftlern so einhellig verurteilt wie die deutsche Kohleförderung: Zwei Milliarden Euro im Jahr für 27000 Arbeitsplätze, da wird jede Stelle mit atemberaubenden 74000 Euro pro Jahr gefördert. Die Kohlehilfe gleicht noch nicht einmal eine vorübergehende Unwirtschaftlichkeit aus, sondern sie konserviert alte Strukturen, die in Deutschland wegen hoher Löhne und wenig vorteilhafter Lagerstätten chancenlos unrentabel sind.

Vor diesem Hintergrund hat der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, der als Ministerpräsident von Baden-Württemberg schon lange diese Zahlungen in ein schwarzes Loch kritisiert hatte, kaum gelitten, als sich die EU ziemlich kurzfristig die deutsche Kohlesubvention vorknöpfte. Womöglich um Ärger in Berlin und Düsseldorf zu vermeiden, hat Oettinger an der entscheidenden Sitzung der Kommission in Brüssel gar nicht erst teilgenommen.

Die Bundesregierung und die betroffenen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Saarland wollen nämlich den Abbau heimischer Steinkohle noch bis 2018  fördern, mit durchschnittlich knapp zwei Milliarden Euro jährlich. Auf einen entsprechenden Kompromiss hatten sich Union, SPD und Grüne 2007 verständigt und dafür auch das Plazet der Arbeitsgeber- und Arbeitnehmervertretungen gefunden.

In der EU-Kommission aber haben sich zuletzt jene Kräfte durchgesetzt, die im schnellen Ausstieg aus dem Steinkohlen-Bergbau einen wesentlichen Beitrag zum Schutz von Klima und Umwelt sehen. Hingegen setzte sich Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, ansonsten „von Amts wegen“ eher ein Gegner von Subventionen, intensiv, wenn auch erfolglos für ein längere Übergangsfrist bis zum Jahre 2022 ein. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass Almunia Spanier ist und – neben Deutschland und Rumänien – auch in seinem Heimatland nach wie vor Steinkohle gefördert wird.

Anders als der spanische EU-Kommissar dachte sein deutscher Kollege nicht daran, sich für (vermeintliche) nationale Interessen stark zu machen. Im Gegenteil: Den weitgehenden Beschluss, schon zum 15. Oktober 2014 durch Subventionsstopp die Stilllegung unrentabler Zechen zu erzwingen, verteidigte Öttinger später offen: Der deutsche Steinkohlekompromiss von 2007 habe von Anfang an „keine EU-Rechtsgrundlage“ gehabt. Eine großzügig erteilte europäische Ausnahmeregelung für die deutschen, spanischen und rumänischen Kohle-Beihilfen laufe Ende dieses Jahres aus, und somit sei die Verlängerung um vier Jahre „schon ein großes Entgegenkommen der EU-Kommission“. Oettinger ist hier allerdings keineswegs inkonsequent: Fast alle Ökonomen sind der Ansicht, dass die milliardenschweren Kohlehilfen Deutschland selbst am meisten schaden. Das weiß man auch in Berlin und ist über die Vorgabe aus Brüssel vermutlich keineswegs unfroh - nur für Nordrhein-Westfalen sieht die Rechung hier anders aus. Ohne den Einfluss aus Düsseldorf gäbe es diese Subvention denn auch sicher nicht mehr.

Nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist sollen, so sieht es jedenfalls der Kommissionsbeschluss vor, staatliche Zuschüsse nur noch zulässig sein, wenn sie an einen Stillegungsplan mit festen Terminen gebunden sind und ausschließlich dazu dienen, soziale und ökologische Folgen des Ausstiegs aus dem Steinkohlebergbau abzufedern.

In Deutschland fand Oettinger nur bei den Freien Demokraten offene Unterstützung. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle begrüßte die Pläne der EU-Kommission: Ein schnelleres Aus für den subventionierten Steinkohle-Bergbau sei „ökologisch und ökonomisch durchaus vernünftig“.

Union und SPD hingegen wollen zumindest nach außen hin das aus Brüssel „drohende Unheil“ noch verhindern. Sie argumentieren vor allem mit den gefährdeten 27000 Arbeitsplätzen, aber auch mit den Exportchancen der Hersteller von Spezialmaschinen für den Kohlebergbau. 

Die neue NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sucht nun  den Schulterschluss mit der CDU: „Ich gehe davon aus, dass wir mit der CDU zusammenarbeiten und uns gegen Brüssel wehren werden.“ Auch ihr grüner Koalitionspartner in Düsseldorf zieht da mit. Zwar befürworten sie, auf der Basis ihrer rigorosen umwelt- und klimapolitischen Positionen, einen schnellen Totalausstieg aus der Steinkohle. Andererseits bekräftigen sie aber, ein einmal beschlossener Kompromiss müsse auch eingehalten werden. Vermutlich ist diese demonstrativ betonte Vertragstreue auch dem gerade erst geschlossenen Regierungsbündnis und den höchst schwierigen Mehrheitsverhältnissen in Düsseldorf geschuldet.

Aus Regierungskreisen in Berlin verlautete, der EU-Beschluss habe „so nur durch eine Mischung aus Intrigen und Dilettantismus fallen können“ - hier merkt man den Einfluss aus Düsseldorf. In diesem Zusammenhang wurde das Fehlen Öttingers auf der entscheidenden Sitzung bestätigt, aber nicht kommentiert – was man durchaus als Kritik verstehen kann.

Ob der Beschluss Rechtskraft erlangt, hängt nun noch von der Zustimmung der 27 Mitgliedsstaaten ab. Dafür aber reiche die einfache Mehrheit aus, Deutschland habe „keine Veto-Möglichkeit“, wie Kommissar Oettinger verkündete. H.J.M./K.B.z


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