20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.08.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-10 vom 07. August 2010

Gründe und Abgründe / Warum die einen nicht einwandern, die anderen aber auswandern, und wieso sich manche Deutsche vor ihrem neuen Nachbarn fürchten
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wer verreist, sollte sich vorher informieren und das Kleingedruckte sehr sorgfältig lesen. So manches Versprechen hat sich als grobe Lüge erwiesen. Besonders unseriöse Reiseveranstalter locken ihre arglose Kundschaft gar mit üppig scheinenden „Geschenken“, die man später teuer bezahlen muss. Die armen Leute landen in trostlosen Bierzelten oder leerstehenden Gasthofruinen am Rande von Wasweißich und müssen kostspielige Abnahmeverpflichtungen unterzeichnen, um ihren Verschleppern zu entkommen.

Auf diese Masche fallen immer noch welche herein, obwohl ständig davor gewarnt wird. Das ist Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle nicht entgangen, weshalb er es auch mal mit der „Geschenke“-Nummer probieren möchte. Mit „Begrüßungsgeld“ will der Liberale ausländische Fachleute nach Deutschland locken, ohne dass die ahnen sollen, was sie hier erwartet.

Ein ruchloser Plan, der nur gelingen kann, weil unsere Flughäfen so gebaut sind, wie sie gebaut sind. So nämlich, dass sich An- und Abreisende praktisch gar nicht mehr über den Weg laufen. So werden die ausländischen Einwanderer nie den inländischen Auswanderern begegnen, um sie zu fragen, warum sie denn wegwollen aus Brüderles Land.

Weil es kein Begrüßungsgeld gibt für Leute, die schon da sind und nicht mehr begrüßt werden müssen? Kaum. Die entnervten Auswanderer würden den erstarrten Einwanderern die grausame Wahrheit sagen über das Leben in der Grotte des Kraken Fiskus: Von deinem „Begrüßungsgeld“ (das ja die Firmen zahlen sollen, wie Brüderle es sich wünscht) nimmt dir der Staat gleich 60 Prozent wieder ab. Mit deinem Gehalt als Fachkraft bist du hierzulande die wandelnde Beleidigung der „Benachteiligten“, weshalb dich die gute Fee der sozialen Gerechtigkeit jeden Tag aufs Neue in die Rosinenpresse schickt.

Von den 30 wichtigsten Industrieländern hat Deutschland die höchsten Brutto-Lohnkosten, heißt: Nirgends geben die Arbeitgeber so viel Geld für ihre Arbeitnehmer aus wie bei uns. Bei den Nettolöhnen liegt Deutschland nur auf Platz elf. In dem Abgrund zwischen eins und elf verschwinden die Milliarden, die der Krake verschlingt.

Ärgerlicherweise petzt die OECD solche Vergleiche in die Welt hinaus, weshalb es der Begegnung am Flughafen gar nicht bedarf: Die Hochqualifizierten, die Herr Brüderle auf seine goldene Leimrute zerren will mit dem Begrüßungsnepp, die lesen solche Aufstellungen und lassen sich lieber anderwärts begrüßen. Dort begegnen sie ihren deutschen Kollegen, die jenem Untier entkommen konnten, dem sie gar nicht erst in die Tentakeln tappten.

Ein ganz Schlauer könnte einwerfen: Beenden wir einfach die Einwanderungsfrage, indem wir die Auswanderungsgründe abschaffen! Darauf sind die in Berlin natürlich längst selber gekommen und diskutieren daher intensiv darüber, wie man unser Steuersystem „leistungsgerechter“ machen könnte. Sie tun das seit ... waren wir da eigentlich schon auf der Welt? Weiß ich nicht mehr. Aber es muss ungefähr in der Epoche gewesen sein, als sich die politisch Verantwortlichen eindringlich die Frage stellten, ob und wie lange wir die Kernkraft noch benötigen. Andere Länder haben darauf vor Jahrzehnten eine Antwort gefunden. Wie überstürzt! Berlin dreht sich in der Kernkraftfrage weiter entspannt in der Endlosschleife, mal so herum, mal anders, Hauptsache im Kreis.

Ungemütlich wird es, wenn  uns auswärtige Einflüsse brutal aus dem Karussell schleudern und eine Entscheidung abnötigen. So geschah es bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung, deren Sinn, Unsinn und sittliche Vertretbarkeit wir ebenso lange innigst besabbeln, wie die Verwahrregelung existiert.

Wir hatten uns darauf eingerichtet, dass das Sabbeln immer so weitergeht. Dann aber brach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in unseren Gesprächskreis ein und erklärte die „nachträgliche“ Sicherungsverwahrung für illegal. „Nachträglich“ heißt, dass die Verwahrung über die Haftzeit hinaus erst während der laufenden Haft beschlossen wird, weil sich erst während der Haft herausgestellt hat, dass der Delinquent unheilbar gefährlich bleiben wird.

Die Euro-Richter haben diese Praxis bereits im Mai verworfen, weil hier ein Mensch für dieselbe Tat zweimal bestraft würde. Ab da war klar, dass sehr bald die ersten gefährlichen Typen auf die Straße entlassen werden müssen, was mittlerweile geschehen ist.

Es bestand also „dringender Handlungsbedarf“ seit spätestens Mai. Doch was hat Berlin seitdem unternommen? Es wurden viele wertvolle Vorschläge gesammelt und erörtert. Beschlossen hat man bis heute – nichts.

Einen besonders reizvollen Vorschlag machte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP: Den entlassenen Triebtätern sollten elektronische Fußfesseln angelegt werden, damit man ihren Aufenthaltsort jederzeit überprüfen könne.

Was das soll? Glaubt jemand, dass die Fessel einen besinnungslosen Triebtäter in dem Moment, da ihn die finstere Begierde durchfährt, von der schrecklichen Tat abhält? Natürlich nicht. Aber mithilfe der Signale von der Fessel können die Behörden später viel leichter ermitteln, wo’s passiert ist! Das sollte die künftigen Nachbarn der seelisch gestörten Zeitbomben doch gründlich beruhigen, nicht wahr?

Nicht wirklich, befürchtet die CSU und beharrt energisch auf der Beibehaltung der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Über eine Idee, wie man das an den Euro-Richtern vorbeibringen könnte, die doch genau dieses Verfahren gerade verboten haben, verfügen die Christsozialen nicht. Also „beharren“ sie bis auf weiteres folgenlos vor sich hin.

Aus der CDU wiederum schallt der Vorschlag, die Gefährder in Luxusgefängnissen mit eigener Küche, Computer und Garten unterzubringen, um so dem europäischen Vorwurf zu entgehen, die deutsche Verwahrpraxis verstoße gegen die Menschenrechte, indem man die Leute nach der verbüßten Strafe in knasttypische Zellen gesperrt habe.

Diese Idee wird beim Wahlvolk fabelhaft ankommen: Während geläuterte Strafgefangene nach Verbüßung ihrer Tat auf die Straße gespült werden, wo viele von ihnen vereinsamt zusammenbrechen, kriegen unheilbare Mörder und Vergewaltiger das beschauliche Leben eines gut versorgten Frührentners spendiert – vom Steuerzahler. Wer händeringend nach Gründen zur Auswanderung sucht, hat hiermit ein weiteres Prachtstück für seine Sammlung gefunden.

Doch wie gesagt: Das sind alles bloß Ideen, die da herumgereicht werden. Beschlossen wird wohl kaum etwas. Derweil stemmt die Polizei beispielsweise in Hamburg eine 24-Stunden-Überwachung eines der entlassenen Sexualstraftäter, der, egal wo er wohnt, Angst und Schrecken verbreitet – geschätzte Kosten der Operation: 50000 Euro pro Woche.

Wirklich kunterbunt wird das Bild, dass sich den Deutschen hier bietet, wenn wir das Gewürge um die Sicherungsverwahrten mit der Causa Kachelmann vergleichen: Dem von der Leiter gestürzten Wetterfrosch werfen manche alles Mögliche vor – aber Gemeingefährlichkeit? Dennoch saß er vier Monate in Untersuchungshaft.

Das hat sicherlich auch mit der sozialen Gerechtigkeit zu tun. Kachelmann ist (na ja: war) Spitzenverdiener, da hat er es verdient, dass ihn die Justiz anders behandelt als den kleinen Mann auf der Straße. So einen Schnösel wie den wollen wir erst mal richtig fallen sehen, kleingemacht.

Wir können und wollen halt nicht verleugnen, dass wir evolutionshalber immer noch die späten Nachfahren eines kleinen Nagers sind, dessen Name heutzutage nicht eben für noble Gesinnung steht. An den schrägen Ahnen muss uns niemand erinnern, das tun wir schon selber.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren