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14.08.10 / Die Karriere des Wortes »Revanchismus«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-10 vom 14. August 2010

Die Karriere des Wortes »Revanchismus«

Wenn es darum geht, die Vertriebenen und ihre Anliegen zu diffamieren, wird nur relativ selten der Vorwurf erhoben, dieses oder jenes Argument sei sachlich falsch oder dieses oder jenes angemahnte Recht sei nicht Bestandteil des geltenden Völkerrechts. Dies wäre auch kaum möglich, denn sonnenklar verbietet das allgemeine Völkerrecht nicht nur Massenmord und Vertreibung, sondern auch die Anerkennung von mit diesen Mitteln geschaffenen Fakten.

Viel häufiger ist denn auch der nicht näher begründete Hinweis, das Beharren auf einer wahrhaftigen Darstellung der Geschichte und zumindest symbolischen Wiedergutmachungsschritten vertrage sich nicht mit dem Ziel der Versöhnung. So absurd diese Position angesichts der Erfahrungen vieler Länder und auch der Ergebnisse der Friedens- und Konfliktforschung ist, sie ist in der Bundesrepublik des Jahres 2010 mehrheitsfähig, ja in der politischen Klasse fast Konsens.

Noch ganz anders argumentieren linke Politiker und Publizisten. Über „Revanchismusverdacht“ in Bezug auf Hartmut Saenger und Arnold Tölg klagte am 3. August allen Ernstes ein Autor namens Florian Gathmann in „SpiegelOnline“. Womöglich wusste er nicht, dass er damit direkt den Sprachgebrauch des Stalinismus übernommen hatte: Das auch von bekannten SPD-Politikern bis in die 90er Jahre hochgehaltene Recht auf die Heimat wurde vor allem in der stalinistischen Ära etwa im „Neuen Deutschland“ routinemäßig als „Revanchismus“ abgetan.

Heute gilt dieser Sprachgebrauch aus dem Wörterbuch des Unmenschen kaum mehr als Hinweis auf eine linksextremistische oder menschenverachtende Gesinnung.           K.B.

 

Zeitzeugen

Jürgen Trittin – Der 1952 geborene Grünen-Politiker war einst Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB). Trittin gehört zu denen, die den Begriff des „Revanchismus“ für die Belange der Vertriebenen gesellschaftsfähig gemacht haben. So warf er der Regierung Kohl einen „Kniefall vor dem organisierten Revanchismus“ vor, als diese sich weigerte, gegenüber Prag auf alle Rechte der Sudetendeutschen zu verzichten.

Hermann Lübbe – Der 1926 in Aurich Geborene gilt als einer der brillantesten Köpfe der politischen Philosophie in Deutschland. 1972 erkannte Lübbe „die Entfaltung einer Kultur der Gegenaufklärung“ infolge der 68er-Bewegung, die sich durch „politische Heilsgewissheit, wirklichkeitsüberlegene Besserwisserei, penetranten Moralismus und eifernde Intoleranz“ auszeichne.

Arnold Tölg – Der 1934 im schlesischen Königswalde geborene CDU-Politiker saß von 1977 bis 2001 im Landtag von Baden-Württemberg. Seit 1999 ist er Vorsitzender des dortigen Bundes der Vertriebenen. Tölg hat einst darauf hingewiesen, dass Länder von Deutschland Entschädigung für Zwangsarbeiter fordern, die selbst in großem Stil deutsche Zwangsarbeiter ausgenutzt hatten.

Hartmut Saenger – Der 1940 Geborene ist Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft und war Mitarbeiter der hessischen CDU. Saengers Geburtsort Schönlanke hatte zunächst zur Provinz Posen, dann zur Grenzmark Posen-Westpreußen gehört. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer verteidigte ihn ebenso wie Tölg gegen linke Attacken.

Kurt Schumacher – Der SPD-Vorsitzende der Jahre 1946 bis 1952 verbrachte die Jahre 1933 bis 1943 im KZ. Der gebürtige Culmer vertrat Überzeugungen, die heute kein CDU-Politiker mehr auszusprechen wagen würde, etwa: „Mag das Verbrechen des deutschen Nazismus an der Welt noch so schwer sein, das deutsche Volk kann und darf nicht darauf verzichten, sein Reich … als nationales und staatliches Ganzes zu behaupten.“ Im Wahlkampf 1949 zeigten SPD-Wahlplakate Landkarten, auf denen selbst Westpreußen noch deutsch war.


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