24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.08.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

nicht nur Grüße erreichen uns jetzt aus unserer alten ostpreußischen Metropole von Landsleuten, die dort „Heimaturlaub“ machen, sondern auch Fragen, die wahrscheinlich nur durch uns als letzte Zeitzeugen zu klären sind. Zumeist brauchen wir nicht unsere Ostpreußische Familie zu bemühen, weil die Lösung nicht so schwer ist, aber jetzt liegt uns eine Anfrage von russischer Seite vor, bei der wir passen müssen. Es geht um ein Exponat, das in die im Friedländer Tor befindliche Sammlung eingegliedert werden soll, dessen Herkunft aber vollkommen unbekannt ist. Dieses Museum in den alten Festungsmauern, das im April 1991 von privater Seite gegründet wurde, enthält im Königsberger Gebiet gefundene Relikte aus der deutschen Geschichte, die vor allem aus dem Alltagleben stammen wie Arbeitsgeräte, Fässer, Reklameschilder, besonders von der ehemaligen Königsberger Brauerei, aber auch besondere Exponate wie ein zwölfteiliges Service aus dem Blutgericht, dem berühmten Weinlokal im Königsberger Schloss. Nun wird es um eine Skulptur bereichert, die das Museum im vergangenen Jahr erhalten hat, leider ohne jeden Hinweis auf deren Herkunft. So wendet sich die Direktorin des Museums, Frau Swetlana Sokolowa, an uns in der Hoffnung, dass – wie sie schreibt – „jemand von den ehemaligen Bewohnern Ostpreußens diese Skulptur erkennt. Wir werden für jede Information auf diese Frage dankbar sein.“ Also beschäftigen wir uns einmal mit diesem Kunstwerk, das sich zurzeit in einer Werkstatt befindet, wo es von Fachkräften restauriert wird. Es handelt sich um die Figur einer Wölfin in Lebensgröße mit weit aufgerissenem Rachen, die bis auf den Unterleib und die Vorderläufe, von denen anscheinend eines vorhanden ist, noch gut erhalten scheint. Der Fundort der Figur aus Gusseisen ist unbekannt wie auch ihre Herkunft. Frau Sokolowa vermutet, dass sie aus dem alten Königsberger Tiergarten stammt, aber ein Nachweis hat sich bisher nicht finden lassen. Es gab zwar viele Tierfiguren in dem weitläufigen Zoo, der zu den schönsten Deutschlands gehörte, aber es handelte sich vor allem um Bildhauerarbeiten wie die von dem aus Gumbinnen stammenden Bildhauer Arthur Steiner, dessen Orang-Utan-Skulptur erhalten blieb, oder das „Claaß-Denkmal“ von Walter Rosenberg, das ein mit einem Löwen spielendes Kind zeigt. Der Königsberger Apotheker Bernhard Claaß war der Gründer und erster Direktor des Tiergartens, der 1896 eröffnet wurde. Besonders Steiner hat viele Tierfiguren geschaffen, auch die eines Wolfes ist in seinem Werkverzeichnis angegeben, aber es handelt sich um eine Kleinplastik. Kurz und gut, trotz aller Bemühungen ist es uns nicht gelungen, auch nur annähernd Standort und Herkunft des Fundes zu bestimmen. Vor allem beschäftigt die Museumsdirektorin und auch uns die Frage: Wer hat die Wölfin geschaffen? War es ein Königsberger Künstler? Wer war der Auftraggeber? Ich bin sicher, dass wir diese „Wolfsgeschichte“ klären und dazu beitragen können, dass die Figur mit authentischen Informationen versehen ihren Platz im Museum im Friedländer Tor finden wird.

Es ist schon eigenartig, dass uns fast gleichzeitig eine ähnliche Frage erreicht, so dass wir heute zwei Bilder zu einem Thema bringen können. Es handelt sich ebenfalls um eine handgeschmiedete Figur, die aber jüngeren Datums als die Wölfin sein dürfte, einen stilisierten Adler. Der Einsender der Abbildung, Herr Paul Burchert aus Bonn, schreibt dazu:

„Den auf diesem Foto abgebildeten Adler, handgeschmiedet, habe ich vor einiger Zeit in Ostpreußen, in Heilsberg, gekauft. Er wurde mir in einem sehr desolaten Zustand angeboten, verbogen und ohne Schild. Dieses wurde von mir nachträglich erstellt und danach komplett restauriert. Der zweite dazu gehörende Adler, aber ohne eventuelles Familienwappen, wurde mir leider nicht verkauft. Der Adler war nicht – wie auf dem Foto – schwarz, sondern in Naturfarben. Braun und grau. Mich würde interessieren, woher dieser Adler kommt. An welcher Einfahrt oder Hauswand wurde dieses Familienwappen gesehen?“

Ja, das ist nun eine typische Frage an unsere Ostpreußische Familie. Es handelt sich wahrscheinlich um eine handgeschmiedete Arbeit, bestehend aus zwei Adlerfiguren mit einem Wappen in den angegebenen Naturfarben. Sie könnte ein Portal geschmückt haben, vielleicht die Freitreppe eines Gutshauses oder einer Villa. Sie wäre aber auch als Schmuck eines offiziellen Gebäudes wie Landratsamt oder Rathaus mit Kreis- oder Stadtwappen denkbar. Da das Objekt Herrn Burchert in Heilsberg angeboten wurde, ist es anzunehmen, dass es aus dieser Gegend stammt. Also schließe auch ich mich der Frage unseres Lesers an: „Wer hat diesen Adler wann und wo gesehen?“ Antworten an Herrn Paul Burchert, Steinerstraße 1 in 53225 Bonn, Telefon (0228) 483588.

Spät kommt sie, doch sie kommt – die Mitteilung, dass sich im Rahmen unserer Familienarbeit etwas bewegt hat. Manchmal genügt schon ein Rubbaks, so ein kleiner Anstoß, wie bei Frau Hiltraud Pelzer, die nun, angeregt durch die letzten Folgen unserer Kolumne, uns in einem ausführlichen Brief berichtet, was sie infolge einer kleinen Suchfrage alles erlebt hat. Sie schreibt:

„Vor langer Zeit bat ich Sie um Mitsuche nach einem Buch, aus dem meine Lateinlehrerin aus Berlin-Zehlendorf Yella Vulpius – sie stammte aus Riga – unter ihrem Mädchennamen „Erdmann“ auszugsweise vorgelesen hatte. Mich hatten damals Inhalt und Sprache sehr gefesselt, bekam aber das Buch nicht in die Hände. Auch Sie und Ihre Leserschaft konnten nicht helfen, aber etwas anderes geschah: Aus der Schweiz meldete sich ein Herr Emil Erdmann, der von einem in Kanada lebenden Landsmann auf den Namen aufmerksam gemacht worden war. Herr Erdmann ist mit Frau Vulpius nicht verwandt, wie sich herausstellte, aber es entspann sich zwischen ihm, seiner lieben Frau und mir ein so schöner Briefwechsel, dass man schon von einer Brieffreundschaft sprechen kann.“

Da hat unsere Ostpreußische Familie mal wieder gut die Fäden geknüpft. Dass Frau Pelzers Buchwunsch dann doch erfüllt wurde, geschah ganz unerwartet. Als sie sich vor kurzem in einem Antiquariat nach einem Buch über Schlesien umsah und bald fündig wurde, ließ sie beiläufig ihren Blick über die Regale mit Tausenden von Büchern gleiten und blieb an einem Titel hängen: Fünf auf einem Ast! „Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, es war das Buch, das ich über 50 Jahre lang immer wieder gesucht hatte.“ Und mit dem Buch fand Frau Pelzer ein Stück ihrer Kindheit wieder, denn es enthält die Familiengeschichte der Erdmanns aus Riga. Der Vater war Arzt, die Mutter lebte allein mit ihren fünf Kindern, von denen das älteste ihre verehrte Lehrerin war.

Das ist eine nette kleine Geschichte, und sie beweist, dass man die Hoffnung nie aufgeben soll, denn der Erfolg stellt sich manchmal erst durch Spätzündung und gänzlich unerwartet ein. Das gilt auch für Sie, liebe Margot Potopaaw, denn Sie haben wirklich viel zu schnell die Flinte ins Korn geworfen. Erst in Folge 27 hatten wir die Suchfrage der väterlicherseits aus Ostpreußen stammenden Berlinerin nach Verwandten aus dieser Linie gebracht – ihr Vater Fritz Matiszick war 1891 in Norutschatschen/Gumbinnen geboren und hatte mehrere Geschwister gehabt –, aber es hatte sich bis zum 30. Juli niemand gemeldet. Unter diesem Datum schreibt Frau Potopaaw nämlich: „Schade! Es liegt wahrscheinlich nicht mehr in Ihrer Hand, weiter zu helfen. Zurück bleibt Traurigkeit. Die Zeit heilt zwar Wunden – es war zu spät“. Liebe Frau Potopaaw, kaum drei Wochen nach der Veröffentlichung kann man nicht einfach die Akte schließen. Jetzt ist Ferienzeit, viele Leserinnen und Leser sind verreist, Post und Zeitungen werden erst nach der Rückkehr durchgesehen. Ein großer Teil unserer Abonnenten lebt im Ausland, da muss man Zeitverzögerungen einschließen. Hinzu kommt, dass leider nicht alle infrage kommenden Informanten die Zeitung halten, sondern erst aus dem Kreis unserer Leserschaft auf die entsprechende Suchfrage aufmerksam gemacht werden können. Andere stoßen erst im Internet auf unsere Kolumne, und da kann es dann zu späten und überraschenden Reaktionen kommen. In Ihrem Fall spricht noch mit, dass Ihr Vater und seine Brüder schon früh nach Berlin gingen und die Beziehungen zu der ostpreußischen Verwandtschaft wohl nicht gepflegt haben. Kurz und gut: Noch ist es viel zu früh, einen Schlussstrich zu ziehen. Ich gebe noch einmal Ihre Telefonnummer bekannt: (030) 5123882.

Über Umwegen erreichte uns eine Anfrage aus Schweden, für deren Verbreitung unsere Ostpreußische Familie wohl der einzig gangbare Weg ist. Übermittler ist ein Heimatforscher aus Sachsen, der sich auch mit dem Thema „KLV Lager im Erzgebirge“ beschäftigt. Herr Ludwig Börner aus Pockau konnte schon viel wertvolles Material zusammentragen, so dass er jetzt Vorträge über dieses heute kaum bekannte Kapitel deutscher Geschichte hält. Besonders wichtig sind ihm dabei die menschlichen Schicksale der damals noch so jungen Lagerinsassen und ihr weiteres Leben: Wie haben die Kinder aus den Vertreibungsgebieten so fern der Heimat es damals verkraftet, nicht mehr nach Hause zu kommen, nichts oder sehr spät etwas über die Angehörigen zu erfahren und sie erst nach langer Zeit wieder zu sehen? Und manchmal gab es kein Zusammenfinden, wenn die Eltern verstorben waren oder vermisst blieben, wie auch Geschwister und andere Verwandte. Im Rahmen dieser Arbeit erhielt Herr Börner Kontakt zu einer in Schweden lebenden Frau, die als Kind im Rahmen der Kinderlandverschickung in das Lager Oelsnitz im Erzgebirge kam. Leider liegen im Augenblick nur wenige Informationen vor, so wurde mir nur der Vorname der Königsbergerin – Dorothea – mitgeteilt, aber weder ihr Mädchenname noch die Königsberger Adresse, auch Zeitangaben fehlen. Es ist anzunehmen, dass Dorothea nach den Bombenangriffen auf Königsberg im August 1944 mit einem KLV-Transport in das Lager Oelsnitz kam, das von 1944 bis zur Auflösung 1945 existierte. Dorothea lebte nach der Lagerzeit in West-Berlin und kam dann nach Schweden. In dem skandinavischen Land verlief dann auch ihr weiteres Leben. Sie trägt heute einen schwedischen Namen, aber die schwerste Zeit ihrer Kindheit hat sie nie vergessen. Sie möchte deshalb mit ehemaligen Schicksalsgefährtinnen in Verbindung treten, die mit ihr im Lager Oelsnitz waren. Vielleicht erinnert sich eine von ihnen an die kleine Dorothea aus Königsberg? Als Vermittler bietet sich Herr Börner an, die Zuschriften sind bitte an ihn zu richten. Aber auch der Heimatforscher selber ist an dem Schick­sal aller ehemaligen Lagerkinder interessiert, die sich 1944/45 in einem KLV-Lager im Erzgebirge befanden. Auch wer Dorothea nicht kannte, aber wie sie in Oelsnitz oder in einem anderen Lager war, melde sich bitte bei dem Heimatforscher. Auf seine Dokumentation, die auch für den in diesem Jahr in Oelsnitz stattfindenden Preußentag wichtig ist, werden wir noch gesondert eingehen. (Ludwig Börner, Dorfstrasse 48 in 09509 Pockau, Telefon 01733/942066.)

Eine nette Zuschrift zur „Kuripest“, die meine Auslegung der Bezeichnung bestätigt, kam von unserem eifrigen Mitdenker Herrn Herbert Skroblin:

„Tatsächlich geht der Ausdruck indirekt auf die Pute, die Kurre, zurück. Kurre war auch ein Schimpfwort für eine alte ungeschickte Frau. Und es gab den Ausdruck ,de es ute Kurrepest‘ für altmodische Kleidung aus längst vergangener Zeit. Diese Bezeichnung trat vorwiegend im Ermland, Oberland und Natangen auf, im übrigen Ostpreußen nur vereinzelt. Der Bezug ist für den leicht verständlich, der als kleines Kind ängstlich den hässlichen Kurren gegenüber stand. Sie sahen tatsächlich vernachlässigten Menschen ähnlich. Ich hoffe, Frau Lehmann mit dieser Erklärung zufrieden gestellt zu haben.“

Haben Sie, lieber Herr Skroblin, und mich auch!

Eure Ruth Geede


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren