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21.08.10 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-10 vom 21. August 2010

Es lebe der Revisionsschacht / Ein Aufschwung, den niemand sah / Warum Volksschüler besser rechnen können / Nicht alle Großspenden stinken
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

Was die alles können, die Akrobaten in der Zirkus-kuppel. Schweben scheinbar mühelos in luftiger Höhe. So hoch, dass wir es nicht sehen, wenn sie uns wieder mal eine Nase drehen. Schwingen am Trapez. Aufschwung! Abschwung! Neuer Aufschwung! Beinahe ein Absturz. Dem Publikum stockt der Atem. Neuer Aufschwung, hoppladihopp! Ein Aufschwung, so hoch wie niemals zuvor, so wie die deutsche Wirtschaft. „Ein Aufschwung XL“, staunt der Bundeswirtschaftsminister. Und alle anderen staunen mit ihm. Wer hätte das gedacht: Eben noch der Beinahe-Absturz in die Weltwirtschaftskrise, der Strudel der Finanzkrise, das Inferno der monetären Staatskrisen – und nun das! Ein wundersamer Wirtschaftsaufschwung, den niemand für möglich gehalten hatte. Auch keiner von den vielen Experten in den vielen Wirtschafts- und Orakelinstituten, die uns sonst mit ihren Prognosen so zuverlässig unterhalten. Zuverlässig, was den Abgabetermin betrifft. Darauf kann man sich verlassen, der wird stets pünktlich eingehalten. Die Zuverlässigkeit der Prognose selbst allerdings, die hat etwa die gleiche Trefferquote wie die Wettervorhersage – manchmal stimmt sie, häufiger stimmt sie nicht, wer weiß das schon so genau.

Jedenfalls sieht es so aus, als spülten Fleiß und Bescheidenheit der Menschen draußen im Lande deutlich mehr Geld in die Kassen des Staates, als bis vor kurzem noch angenommen wurde. Und schon haben alle, die Politik nach Kassenlage machen, die eingemotteten Spendierhosen wieder aus dem Schrank geholt. Dorthin können sie sie gleich wieder zurücklegen, denn seit Beginn dieser Woche ist die „Schwäbische Hausfrau“ aus der Sommerfrische zurück. Nun ist Schluss mit der Sommerpause in Berlin und das Sommerloch wird zugeschüttet. Allerdings mit dem gleichen Quark, mit dem man uns auch vor und während des Sommerlochs abspeiste.

Zum Beispiel die Sache mit der Rente: Da können Beschlüsse mit noch so großer Mehrheit gefasst worden sein, irgendeiner buddelt das Thema wieder aus, und wenn er noch so tief graben muss. Sigmar Gabriel hat gebuddelt und die „Rente mit 67“ für sich entdeckt. Da will wieder einmal einer verteilen, was er nicht hat. Die Halbwertzeit politischer Vorsätze wird immer kürzer. Oder wie ist das mit dem Vorsatz, heute nicht mehr auf Kosten der Kinder von morgen leben zu wollen? Heute schon schustern die Steuerzahler jährlich 80 Milliarden Euro zur Rente dazu. Genosse Franz Müntefering kam offenbar mit dem kleinen Einmaleins besser zurecht als sein Parteifreund Gabriel: „Man muss kein Mathematiker sein, da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen: Wir müssen irgendwas machen.“ Und dann setzte er sich für die „Rente mit 67“ ein. Aber leider hat Gabriel nicht die Volksschule Sauerland absolviert, er hat Gymnasium Harz gemacht. Woran man wieder mal sehen kann, wie groß das Bildungsgefälle im deutschen Schulsystem ist. An diesem Beispiel ist das auch ohne Pisa-Test sehr schön zu erkennen. Und das erklärt auch, warum Gabriel es gut findet, die „Rente mit 67“ zwecks Revision wieder auszubuddeln.

Revision per Buddelei scheint ja augenblicklich enorm angesagt zu sein. Jedenfalls in linken Kreisen. Den Fritz Teufel, den haben sie auch wieder ausgebuddelt. Noch darf gerätselt werden, wer das war, wer die Revision der letzten Ruhestätte des Alt-Kommunarden veranlasste, wer dessen Urne ans Grab von Rudi Dutschke überführte. Rainer Langhans (ach, wie gerne denken wir an den, weil er mit der barbusigen Uschi Obermaier immer so hübsch posierte), der meint, sein Kumpel Teufel selbst habe diese Umbettung veranlasst. Kann schon sein. Einmal Kommune, immer Kommune. Da sucht man Nähe. Dutschke und Teufel, Asche an Asche, Staub an Staub. Vielleicht war Teufel auch mal im Konfirmandenunterricht und hatte sich an die liturgische Formel erinnert. Jedenfalls ist es eher unwahrscheinlich, dass es nicht die Freunde aus der kommunarden Rentnergang waren, die Teufels Urne klauten. Wenn, wie Langhans sagt, nur intimste Freunde die Grabstelle kannten, konnten ihn auch nur intimste Freunde ausbuddeln. 

Jedenfalls war das ordentlich geplant. In eine ordentliche Planung gehört ein Revisionsschacht. Das ganze Leben besteht eigentlich aus Revisionsschächten. Das lernt ein angehender Ingenieur bereits auf der Fachhochschule. In einen Revisionsschacht kann man einsteigen und das Unterste nach oben fördern. Anschließend macht man den Deckel dicht und alles ist wie vorher, nur anders. Bis man wieder in den Revisionsschacht einsteigt. Dann ist alles anders, nämlich wieder wie vorher. Das ist manchmal schwer zu verstehen, weshalb zur verantwortlichen Aufsicht über Revisionsschächte das Studium an einer Fachhochschule verbindliche Voraussetzung ist.

Wer in der Lage ist, einen Revisionsschacht zu planen, mit dem der Gestank aus dem Gully verhindert wird, der bekommt ein Diplom. Leute mit Diplom sprechen nicht von Gestank, sondern von Gasen. Das klingt hübscher, kann aber auch gewaltig zum Himmel stinken.

Aufmerksamen Lesern dieser Kolumne – und das sind vermutlich alle – kommt jetzt unter Umständen der Parteichef der „Linken“, Klaus Ernst in den Sinn. Über den hat Hans Heckel im Wochenrückblick der vergangenen Woche geschrieben. Der sorgt nun weiter für Gesprächsstoff: Wie ist es zu werten, wenn einer Parteimitglieder erfindet, damit er die Zahl seiner Anhängerschaft erhöht? Der so beschuldigte Ernst wehrt sich, alles sei erstunken und erlogen ... Irgendwie auffällig ist es schon, in wie vielen Schlammschlachten der Apostel der sozialen Gerechtigkeit zur gleichen Zeit steckt.

Vielleicht sind zwischenzeitlich auch jenem Rentner Zweifel gekommen, der der Linkspartei ihre erste Großspende hat zukommen lassen. Der Mann lebt in Bad Rothenfelde, hat aber sonst sein Leben lang nichts mit den Roten zu tun gehabt. Rothenfelde liegt in Niedersachsen, im Osnabrücker Land, da tendiert man eher zu Schwarz als zu Rot. Auch der besagte Rentner. Was ihn nicht davon abhielt, seine gesamten Ersparnisse der Linkspartei zu spenden. Weil der Mann in seinem Beruf als Chemiker tüchtig war, weil er brav und solide gelebt hatte, konnte er ein ordentliches Sümmchen auf die hohe Kante legen. 175000 Euro waren so zusammengekommen. Die hat jetzt die Linkspartei, vertreten durch selbstlose Leute wie Klaus Ernst. Vielleicht wären dem Rentner in Bad Rothenfelde dann doch Zweifel gekommen, wenn er von den Vorwürfen gewusst hätte, die gegen den Linken-Chef erhoben werden.

Er hatte auch nicht gewusst, dass Großspender den Linken suspekt sind. Die stehen unter Generalverdacht. So wie jene Milliardäre in den USA, die versprachen, die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu stiften. Alles Verdächtige. Immerhin sind sie nach vollbrachter Tat immer noch Milliardäre und müssen sich bei den täglichen Ausgaben vermutlich nicht sonderlich einschränken. Anders als der Rentner in Bad Rothenfelde. Der gab alles, was er hatte. Wenn einer 82 Jahre alt ist und alleine lebt, dann kann man schon mal auf solch einen Gedanken kommen. Und die Linkspartei, die fand das richtig gut. Auch ein Parteivorsitzender mit 17000 Euro Monatseinkommen kann den Wert von 175000 Euro noch richtig einschätzen. Weshalb das hübsche Sümmchen ganz ohne Generalverdacht dankend angenommen wurde. Mehr noch: Das „Neue Deutschland“, einst Organ der SED, heute Hauspostille der Linkspartei, sandte eine Korrespondentin ins Osnabrücker Land. Irgendwie müssen der Zweifel gekommen sein, denn die fragte den Rentner, ob er die Idee mit der Spende nicht skurril finde. Ein höflicher Mensch fragt so, wenn er Zweifel am Urteilsvermögen ausdrücken will. Vermutlich ist der Mann der erste Großspender einer Partei, der das gefragt wurde. Aber trotz aller Zweifel widmete das „Neue Deutschland“ dem Rentner eine komplette Zeitungsseite. Und der Ortsverband Bad Rothenfelde lud den Mann zum Essen ein. Da kann er aber dankbar sein.

Hans Heckel ist diese Woche im Urlaub.


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