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28.08.10 / Die Armee als Staat im Staat / Erdogan könnte die Entmachtung der Generäle gelingen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Die Armee als Staat im Staat
Erdogan könnte die Entmachtung der Generäle gelingen

Die türkische Innen- und Außenpolitik der letzten Jahrzehnte war geprägt vom Machtkampf zwischen „Kemalisten“ und „Islamisten“. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan scheint es nun aber zu schaffen, eine endgültige Entscheidung herbeizuführen.

Erdogan trat als 15-Jähriger der radikal-islamischen Bewegung Milli Görüs bei und war dann in den islamistischen Parteien des späteren Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan aktiv. Als auch die letzte davon 2001 verboten wurde, gründete er die AKP, die seit den Wahlen 2002 über die absolute Mehrheit verfügt. Erdogan, 1998 wegen islamistischer Verhetzung zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt, konnte erst nach Aufhebung dieses Verbots 2003 Regierungschef werden.

Die „Kemalisten“, ebenfalls wechselnden Parteien zuzurechnen, sehen sich als Erben des laizistischen, westlich orientierten Staatsgründers Kemal Atatürk. Ihre Hochburgen waren bisher in Universitäten, der Justiz, der Polizei und vor allem der Armee, die 1960, 1971 und 1980 gewaltsam in die Politik eingriff, Triebkraft beim Sturz Erbakans war und faktisch ein Staat im Staate ist.

Ein im Westen ignorierter Aspekt sind die Dönme, die Nachfahren von zum Islam konvertierten Mitgliedern einer kabbalistischen Sekte auf dem Balkan, die 1918 in die Resttürkei übersiedelten, eifrige Unterstützer Atatürks waren und hohe Funktionen erreichten. Der frühere General-stabschef Ilker Basbug war Dönme und angeblich Atatürk selbst. Die Hassausbrüche nach Israels Gaza-Aktionen haben nicht zuletzt damit zu tun, dass die türkische Armee mit der israelischen engste Beziehungen unterhält und dass prompt das alte Gerücht neu auflebte, die Dönme seien nur Schein-Konvertiten.

Erdogan scheint spätestens im Gefängnis erkannt zu haben, dass islamistische Ziele nur mit einem langen „Marsch durch die Institutionen“ durchsetzbar sind. Diesen geht er nun konsequent. So haben es erst Umbesetzungen in der Justiz ermöglicht, hohe Offiziere wegen angeblicher Verschwörung zu verhaften und anzuklagen. Das wiederum hat Familien von im Kurdengebiet gefallenen Soldaten ermutigt, Klagen gegen die Armeeführung einzureichen. Auch die jüngsten Vorwürfe von Giftgaseinsatz gegen Kurden treffen primär die Armee.

Die Annäherung der Türkei an die „Erbfeinde“ Griechenland und Armenien passt ebenso ins Bild wie die Verbrüderung mit dem einst von der Armee bedrohten Syrien, die ausgezeichneten Beziehungen mit Russland und die Unterstützung für den Iran. Bei Neubesetzungen an der Armeespitze konnte Erdogan jüngst Teilerfolge erzielen, und eine neue Verfassung soll der Regierung zulasten der Armee weitere Befugnisse geben. Beim Referendum darüber am 12. September hat Erdogan die vielleicht entscheidende Unterstützung durch den inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan. Er hat indirekt die Kurden aufgefordert, für die Annahme zu stimmen.  RGK


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