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28.08.10 / Gewerkschaften bremsen / Die französische »Protestkrankheit« lähmt das Wachstum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Gewerkschaften bremsen
Die französische »Protestkrankheit« lähmt das Wachstum

Nach 21 Tagen Urlaub mit seinen drei Söhnen aus zwei Ehen in der Mittelmeer-Villa seiner dritten Ehefrau Carla Bruni ist Nicolas Sarkozy letztem Montag nach Paris zurück-gekehrt, wo ihn am 7. September Streiks und Demonstrationen der Gewerkschaften erwarten. Mindestens zwei Millionen Franzosen werden auf die Straße gehen, der Lehrkörper wird Schulen und Universitäten bestreiken, Betriebe werden schließen, um dem Volksunmut über die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahren Ausdruck zu verleihen.

Diese beiden Jahre Mehrarbeit sind natürlich nur ein Vorwand für den massiven Protest. Die Regierung hätte fünf oder sieben Jahre aufstocken können, der linke Aufstand wäre genauso ausgefallen und die Regierungsmehrheit hätte das Rentenpaket sowieso durchgebracht. Anhänger des Staatspräsidenten wundern sich über diese kontraproduktive Zurückhaltung. Angesichts der trägen Wirtschaftskonjunktur hätten sie eine längere Lebensarbeitszeit gewünscht. Die Annahme eines Sparplans durch 80 Prozent der Belegschaft bei einer Filiale des US-Automobilherstellers GM im Elsass hatte vor kurzem gezeigt, dass die Arbeitnehmer zu Kompromissen bereit sind, um ihren Job zu behalten. 

Für die Zeit nach dem großen Protest kündigen die Gewerkschaften anhaltende Auflehnung an. Trotz aller Versuche Sarkozys gleich nach seiner Amtsübernahme 2007, einen Dialog auf deutsche Art mit den Gewerkschaften zu knüpfen, verharren diese bei ihrer Radikalität. Gespeist durch eine französische Tradition, die auf die Erstürmung der Bastille am 14. Juli 1789 zurückgeht, und durch die marxistische Ideologie grassiert bei den Arbeitnehmervertretern die „französische Krankheit“. Vor zwei Wochen veröffentlichte der Rat für Strategische Analyse (CAS) beim Premierminister eine Studie, die den französischen Gewerkschaften empfiehlt, sich am Beispiel der skandinavischen Schwesterorganisationen zu orientieren. Letztere bieten ihren Anhängern Dienstleistungen in Beruf und Alltag an und sammeln durch Repräsentativität Pluspunkte am Verhandlungstisch. „Das ist nicht unser Bier“, reagierte die kommunistische CGT. „Wir kämpfen gegen den Stress und für die Löhne. Wir sind keine Dienstleister…“, trumpfte die nichtkommunistische CFDT auf. Kein Wunder, dass weniger als acht Prozent der französischen Arbeitnehmer im Unterschied zu Schweden (über 68 Prozent) und Norwegen (über 50 Prozent) Mitglied einer Gewerkschaft sind!

Wenn diese Grundhaltung auch nicht die einzige Ursache der anhaltenden Schwäche der französischen Konjunktur ist, so ist es doch nicht verwunderlich, dass die Wachstumsrate des Bruttoinlandproduktes im zweiten Quartal mit „nur“ 0,6 Prozent ausfiel (2,2 Prozent in Deutschland). Die Prognose für 2010 lautet noch 1,4 Prozent. Sarkozy hat dieser Tage die Wachstumsprognose für 2011 von 2,5 auf zwei Prozent zurückgestuft. Dabei muss er seinen Nimbus bei Mittelständlern, Arbeitnehmern und Bauern zurückgewinnen. Immerhin hat er der Nahrungsmittelindustrie eine Erhöhung der Milchpreise um zehn Prozent zugestanden und damit einem Konflikt ein Ende gesetzt.            Jean-Paul Picaper


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