28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.08.10 / Deutscher »Erfinder« Jugoslawiens / Bischof Josip Juraj Strossmayer – Neue Biographie in der Tradition Hermann Wendels erinnert an den politischen Geistlichen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Deutscher »Erfinder« Jugoslawiens
Bischof Josip Juraj Strossmayer – Neue Biographie in der Tradition Hermann Wendels erinnert an den politischen Geistlichen

Deutsche wie August Ludwig von Schlözer und Jakob Grimm haben im 19. Jahrhundert der südslawischen Einigungsidee das Epithetom „jugoslawisch“ gegeben (von slawisch „jug“ – Süden). Und ein „Schwabe“ (wie Volksdeutsche traditionell von ihren südslawischen Nachbarn genannt werden) konkretisierte es. Josip Juraj Strossmayer, damals führender Kirchenfürst im habsburgischen „Dreieinigen Königreich Slawonien, Kroatien und Dalmatien“, gründete 1866 eine „Jugoslawische Akademie“ mit dem Auftrag, „Kunst und Wissenschaft im slawischen Süden bei Serben, Kroaten, Slowenen und Bulgaren zu pflegen und zu fördern“. Nun hat der serbische Historiker Vasilije eine neue Strossmayer-Biographie veröffentlicht, welche die Hindernisse für dessen Jugoslawismus untersucht.

Strossmayer wurde 1815 in einer deutsch-slawischen Familie im slawonischen Esseg (serbisch und kroatisch: Osijek), eine damals nahezu rein deutschsprachige Stadt, geboren. Priester wollte er werden und absolvierte geistliche Lehranstalten in Wien und Budapest. Mit 20 Jahren promovierte er 1835 in Budapest zum Doktor der Theologie, wobei ein Kleriker sagte, dieser junge Mann werde „sich zum ersten Ketzer des Jahrhunderts oder zur ersten Säule der Kirche entwickeln“.

1849/50 wurde Strossmayer von Kaiser Franz Joseph I. zum Bischof und von Papst Pius IX. zum apostolischen Vikar für die Katholiken in Serbien ernannt. Er war „Bischof an der türkischen Grenze“, denn sein Bistum lag an der „Militärgrenze“, der antiosmanischen Schutzzone von der Adria bis zum Karpatenbogen. Es war die größte und reichste Diözese der Monarchie, zudem eine politisch bedeutsame, wie geschaffen für Strossmayers politische Neigungen gegen offizielle Politik.

1853 schuf er ein Seminar für bosnische Theologen, was Wien Krach mit der Hohen Pforte eintrug. 1866 folgte seine „Jugoslawische Akademie“, 1874 die Universität in Agram (Zagreb). Von seinen häufigen Besuchen in Serbien wurde der von 1868 zum wahren Triumphzug, ein Affront für das notorisch antiserbische Wien. 1870 war er beim Konzil in Rom einer von zwei Gegnern des neuen Dogmas von der päpstlichen Unfehlbarkeit, weswegen er niemals Kardinal wurde. 1888 gratulierte er Russland zur 900-Jahrfeier seiner Christianisierung, was ihm selbst der Kaiser verargte.

Besonders deutsche Autoren haben Strossmayer für solche Eskapaden bewundert: Roda Roda (Alexander F. Rosenfeld, 1872–1945), der große literarische Mittler zu den Südslawen, hat den Bischof noch persönlich erlebt und ihn in seinen Büchern mit aller Sympathie porträtiert. Hermann Wendel (1884–1936), zu Beginn des 20. Jahrhunderts der jüngste Abgeordnete des Deutschen Reichstags und der wohl beste Balkankenner, den Westeuropa je hatte, publizierte 1921 eine umfassende Biographie Strossmayers. Auf ihr basiert auch Krestics neue Strossmayer-Biographie.

Ein souveräner Mann wie Strossmayer musste auf dem zerrissenen Balkan oft anecken: Habsburg versus Osmanisches Imperium, Orthodoxie versus Islam und Katholizismus, kyrillisches versus lateinisches Alphabet, Julianischer versus Gregorianischer Kalender – konnte eine Kulturregion gespaltener sein als die Heimat der Südslawen?

Seit 1926 steht im Zentrum Zagrebs ein Denkmal Strossmayers, geschaffen vom genialen Ivan Mestrovic. Strossmayer hat sich selber oft „Kroate“ genannt, die Kroaten, Serben, Bulgaren et cetera jedoch alle gleichermaßen als „sinovi jugoslavenskog naroda“ angesehen, als „Söhne des jugoslawischen Volks“. Und „die wichtigste Aufgabe der Jugoslawen ist, sich zu einigen und zu vereinigen“.

Roda Roda hat Strossmayer mit Luther und Bismarck verglichen und bedauert, dass seine Pläne, die er in den 1860er Jahren als Abgeordneter im Reichsrat verfochten hatte, nicht aufgingen, vor allem nicht sein Traum, Habsburg in eine Föderation seiner Völker zu verwandeln. Und Wendel beklagte, dass Strossmayer 1905 starb und so nicht mehr miterlebte, dass – wenn auch nicht auf der Basis echter Gleichberechtigung – ein jugoslawischer Staat entstand. Dessen blutiges Ende in unseren Zeiten hätte den Bischof wohl verzweifeln lassen.   Wolf Oschlies


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren