25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.08.10 / »Er war tot, ehe er starb« / Der erste und letzte Präsident der DDR, Wilhelm Pieck

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

»Er war tot, ehe er starb«
Der erste und letzte Präsident der DDR, Wilhelm Pieck

Als am 7. September 1960 Wilhelm Pieck, der erste und gleichzeitig letzte Präsident der DDR, verstarb, war er längst zu einer Art Frühstücksdirektor mutiert. Am 3. Januar 1876 in ein katholisches Elternhaus hineingeboren, war er eigentlich ein Kind der Kaiserzeit. Sein behäbiger, ein wenig barocker Habitus ließ ihn im Vergleich zu Walter Ulbricht als eine Art gütige Ausgabe der DDR-Nomenklatura erscheinen.

Piek erlernte den Beruf eines Tischlers und geriet in Bremen unter den Einfluss der Sozialdemokratie und dort in das geistige Umfeld der polnischen Berufsrevolutionärin Rosa Luxemburg. Ab 1906 lebte er nicht mehr von seinem Handwerk, sondern von der Partei. 1915 zum Kriegsdienst herangezogen, desertierte er 1917 und versteckte sich in Berlin, wo er an der Gründung des Spartakusbundes beteiligt war. Zwar wurde er beim Bürgerkrieg 1919 in Berlin zusammen mit Luxemburg und Karl Liebknecht verhaftet, aber der Freikorpsoffizier Waldemar Pabst ließ ihn nach eigenen Angaben laufen, weil er ihn ausführlich über militärische Pläne sowie Verstecke führender Mitglieder der KPD informiert habe.

Es folgte eine kontinuierliche Parteikarriere: 1921 wurde er Mitglied des Preußischen Landtages, 1925 Vorsitzender der Roten Hilfe und 1928 Reichstagsabgeordneter. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten führte er ab Februar 1934 in Vertretung für den inhaftierten Ernst Thälmann die KPD. Da befand sich Pieck aber schon im Exil – erst in Paris, dann in Moskau. Die mörderische „große Säuberung“ der Jahre 1936 bis 1938 überstand er unbeschadet als Bewohner des berüchtigten Hotel Lux, wo nächtens mancher Genosse „abgeholt“ wurde. Diese Parallele mit der Vita Herbert Wehners hat zu neuen Vermutungen und Gerüchten über Verrat an Genossen geführte.

Nach dem Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages am 23. August 1939 war in der Sowjetunion nicht mehr vom Kampf gegen den „Faschismus“ die Rede. Am 18. März 1941 sprach Pieck vor Exilanten über diese „Linie der Partei“. Über die damaligen Machtverhältnisse unter den deutschen Kommunisten berichtet Wolfgang Leonhard: „Pieck war damals unbestritten der erste Mann, wenn auch schon viele wichtige politische Fragen von Ulbricht behandelt wurden.“

Ab Juni 1941 lagen Russland und Deutschland miteinander im Krieg und die alten Parolen konnten reaktiviert werden. Dass Pieck 1943 zu den Mitbegründern des „Nationalkommitees Freies Deutschland“ gehörte, hat dem zunächst überparteilichen Anstrich des Unternehmens eher geschadet.

Als am 29. April 1945 eine Gruppe Kommunisten nach Berlin beordert wurde, war Pieck nicht mit dabei, dafür aber Ulbricht. Damals wurden erste Machtstrukturen in der sowjetischen Besatzungszone geschaffen. Leonhard äußerte sich hierzu wie folgt: „Das nächste Mal sah ich Wilhelm Pieck ernst, ja fast verbittert.“ 1946 wurden Pieck als Vorsitzender der KPD und Otto Grotewohl als Vorsitzender des Zentralausschusses der (Ost-)SPD zu gemeinsamen Vorsitzenden der zwangsvereinigten SED gewählt. Am 11. Oktober 1949 wählten ihn Länderkammer und Volkskammer zum Präsidenten der DDR. Seine Aufgaben waren fast nur noch repräsentativer Art, wie Neujahrsansprachen. Leonhard urteilte: „Er war tot, ehe er starb.“ Hans Lody


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren