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28.08.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

man spricht heute so viel über Vernetzung und warnt davor, dass wir total vernetzt werden, wann, wo und wie auch immer. Eine Vernetzung lassen wir uns aber gerne gefallen und knüpfen selber kräftig daran, nämlich die durch unsere Ostpreußische Familie. Irgendwie habe ich es im Gefühl, dass dieses Netz immer engmaschiger wird, denn die vielen Querverbindungen, die sich in der letzten Zeit ergeben haben, sind schon erstaunlich und für die weitere Heimatarbeit sehr wichtig. Unsere Ostpreußische Familie wird aufmerksamer gelesen als je zuvor, und kaum ist eine Frage erschienen, ist schon eine Resonanz zu vernehmen. So schrieb uns kurz nach Erscheinen der Folge 32 unser Landsmann Dietmar Wrage, Kirchspielvertreter von Pobethen, dass die Ausgabe wieder für ihn und die von ihm betreute Heimatortdatei des Samlandes zwei wertvolle Hinweise auf ehemalige Bewohner enthielte. So der von Frau Frieda Lukner aus Florida auf den 103-jährigen Robert Dietrich, der heute in Frankenmuth, Michigan, wohnt und der lange Jahre im samländischen Legden, das zum Kirchspiel Arnau gehört, gelebt hat. Angereichert wird die Kartei weiter durch die Angaben von Herrn Michael Schuncke aus Baden-Baden, dessen im Jahre 2002 verstorbene Ehefrau aus Metgethen stammte. Über deren Familie – Czibulinski – hat Herr Wrage einen Listenauszug erstellt, in dem nun auch Michael Schunke als Ehemann von Dorothea Chibulinski enthalten ist und den er um weitere Ergänzungen gebeten hat. Herr Schuncke war übrigens so überrascht, als er die Zeitung aufschlug und unsere Kolumne las, dass er sofort schrieb: „Am Wochenende traute ich meinen Augen nicht, als ich Ihre so eingehende Beschäftigung mit meiner Familie und der kleinen Sendung an Sie entdeckte. Natürlich freue ich mich riesig, zumal so unerwartet …“ Und nun stellt sich heraus, dass er nicht nur über seine Frau eine Verbindung zu Ostpreußen hat, sondern auch über seine eigene, die weit verzweigte Musikerfamilie Schuncke. Einer seiner Urgroßonkel, Julius Schuncke, war in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts „Schauspieler in Königsberg“. Von ihm gab es herrliche Schilderungen über das Theaterleben der damaligen Zeit in seinen Briefen an die Familie, in der er wegen seiner Originalität noch lange lebendig blieb. Julius Schuncke muss in dem 1808 am Königsgarten, dem späteren Paradeplatz, erbauten Stadttheater gespielt haben. Dort, wo 1836 Richard Wagner als Aushilfskapellmeister tätig war, der noch keine großen Opern dirigieren durfte, mit einer Ausnahme: Als Wagner mit seiner Braut, der Schauspielerin Minna Planer, in der Tragheimer Kirche getraut worden war, ließ man ihn am Abend als Hochzeitsbenefiz „Die Stumme von Portici“ musikalisch leiten. So verlief seine knapp einjährige Königsberger Spielzeit nicht eben ruhmvoll. Aber man vermutet, dass er aus einer

Druck­schrift, die damals die Königlich deutsche Gesellschaft in Königsberg herausgab, den Tannhäuserstoff kennengelernt habe. Wir Königsberger kennen das Gebäude als Opernhaus, das beim Bombenangriff im August 1944 bis auf die Grundmauern abbrannte. Leider sind alle Unterlagen über Julius Schuncke bei einem Brand 1945, dem das damalige so umfangreiche „Schuncke-Archiv“ zum Opfer fiel, verloren gegangen – nur ein „grimmiges“ Bild von Julius wurde gerettet – deshalb möchte Herr Michael Schuncke wissen, ob sich noch irgendwo alte Theaterprogramme aus dem Königsberger Theaterleben Mitte des 19. Jahrhunderts befinden. Leider lebt einer seiner profundesten Kenner, der Schriftsteller und Dramaturg Martin A. Borrmann, nicht mehr. Es tut immer weh, wenn man feststellen muss, dass ein so sicherer Informant, den man befragen könnte, längst von der Bühne abgetreten ist. So muss ich also unser „Netzwerk Ostpreußische Familie“ bemühen und fragen, wer Herrn Schuncke brauchbare Hinweise geben könnte? Bei Herrn Hans-Dieter Meyer, der nach Theaterprogrammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fragte, hat es ja auch ganz gut geklappt. Übrigens weilt Herr Schuncke gerade in Leipzig, wo das wiederhergestellte Grab des Schumannfreundes Ludwig Schuncke vom Gewandhausintendanten Prof. Schulz eingeweiht wird. Und jetzt zeigt sich wieder eine Verbindung zu Königsberg, denn in Leipzig wollte sich Ludwig 1834 mit dem durchreisenden Komponisten Otto Nicolai schlagen, weil der keine gute Meinung über Hornisten und damit über die Schunckes hatte. Und Nicolai, der aber lieber nach Italien statt nach Leipzig reist, war ja Königsberger! (Anschrift: Schuncke-Archiv, Maiengasse 4 in 76530 Baden-Baden, Telefon 07221/75056, Fax 07221/75017.)

Das Mäppchen mit den zwölf Fotos von der Marienburg, das uns Herr Schuncke zur Weitergabe überließ, hat der erste Bewerber, der sich meldete, erhalten. Herr Klaus Josef Schwittay aus Kierspe ist einer der eifrigsten Sammler von „Prussalien“, die ich kenne: Alles, was irgendwie mit Ostpreußen zu tun hat, wird gesammelt, gesichtet, gehortet, gehütet. Aber er sitzt nicht auf seinen Schätzen sondern gibt sie gerne weiter, wenn Interesse besteht oder damit geweckt werden kann. So übersandte er mir zum Dank für das Mäppchen, das ich bei ihm in guten Händen weiß, die Kopie einer naturwissenschaftlichen Schrift, die 1926 in der Schriftenreihe der Königsberger Gelehrten-Gesellschaft erschien. Es handelt sich um die Abhandlung „Die regionale Verteilung des Asthma bronchiale in Ostpreußen“ von Kurt Tiefensee. Angaben über den Verfasser der preisgekrönten Arbeit fehlen, aber er hat zweifellos an der Albertina studiert. Falls jemand aus wissenschaftlichen oder persönlichen Gründen Interesse an dieser Schrift hat, überlasse ich sie ihm gerne. Er selber „vernetzt“ seinen Dank mit einer kleinen Frage, die sich auf eine von der Stadtgemeinschaft Tilsit herausgegebene Schrift bezieht, die in Folge 32 der PAZ/Das Ostpreußenblatt angeboten wird. In dieser Broschüre dokumentiert der Autor Hans Dzieran, Chemnitz, das schwere Schicksal der Familie Silberstein, einer jüdischen Unternehmerfamilie, deren Betrieb in Schwirgallen enteignet wurde. Herr Schwittay bestellte sich sofort die kostenlose Broschüre und stieß beim Durchlesen auf eine Stelle, die ihn zu der Frage anregte. Der Familie Silberstein gelang es nach den Bombardierungen Tilsits im Sommer 1944 mit einem Evakuierungszug in das südliche Ostpreußen zu flüchten. Dort fanden sie in einem kleinen Dorf bei Allenstein eine Bleibe, aber nur für kurze Zeit, denn am 23. September befand sich die Familie bereits im sächsischen Riesa. Herr Schwittay, in Jomendorff geboren und unermüdlicher Chronist des Kreises Allenstein, möchte nun gerne wissen, in welchem Dorf bei Allenstein die Familie in diesen Spätsommertagen 1944 lebte und bei wem sie Obdach fand. Vielleicht erinnert sich noch jemand an den hochgewachsenen Simon Silberstein mit der Augenbinde – er war Schwerkriegsbeschädigter aus dem Ersten Weltkrieg –, seine liebenswürdige Frau und den 17-jährigen Sohn Siegfried? (Klaus Josef Schwittay, Fliederstraße 39 in 58566 Kierspe, Telefon 02359/6001.)

Eine Dokumentation besonderer Art hat auch Frau Hanna Kopp aus Hildesheim erhalten, und das kam so: Aufgrund des von Herrn Helmut Priebe im Nachlass seines Vaters gefundenen Berichtes über die furchtbaren Zustände in Königsberg nach dem Russeneinfall in Königsberg und im Samland, den wir in Folge 16 veröffentlichten und der eine sehr große Resonanz fand, beschäftigte sich Frau Kopp mit dem Schicksal ihres Großonkels Dr. med. Herbert Bitt­rich und seiner Frau, die ihrem Leben damals selbst ein Ende gesetzt hatten. Frau Kopp wollte nun gerne wissen, unter welchen Bedingungen die Ärzte damals gelebt und gearbeitet hätten und erwähnte dabei die „Ostpreußische Arztfamilie“. Das las auch Frau Sigrid Apitzsch und leitete diese Frage sofort an Herrn Dr. med. Joachim Hensel in Bockhorn weiter. „Vielleicht hilft es ihr weiter, das wäre schön!“, schrieb Frau Apitzsch. Es sind tatsächlich Informationen aus erster Hand, die Frau Kopp von Dr. Hensel bekam, wie ich aus der Kopie seines an sie gerichteten Schreibens entnehme: „Liebe Frau Kopp, von Bekannten erhielt ich den Bericht von Frau Ruth Geede aus dem Ostpreußenblatt mit Ihrer Bitte, mehr über das Schicksal der Ärzte in Königsberg zu erfahren, darüber hat ja Dr. Hans Graf von Lehndorff in seinem „Ostpreußischen Tagebuch“ ausführlich berichtet. Frau Geede hat aber auch Recht, dass in der „Ostpreußischen Arztfamilie“ das Thema in vielen Aufsätzen und Vorträgen behandelt wurde. Die „Ostpreußische Arztfamilie“, von Dr. Paul Schröder 1945 gegründet, wurde 1995 aufgelöst. Aus den vielen Publikationen habe ich zum Ende dieser Institution 1995 einen Sammel-Band als Nachdruck ,Medizin in und aus Ostpreußen‘ herausgegeben. Dieses Buch schicke ich Ihnen heute gerne. Darin finden Sie im Teil 3 ,Ärzte in der Festung‘ viele authentische Schilderungen und Berichte über Ärzte, die im Krieg und in den ersten Nachkriegsjahren unter unsäglichen Bedingungen in Königsberg gearbeitet haben. Ich hoffe, ich kann Ihnen damit helfen.“ Ich danke Ihnen, lieber Herr Dr. Hensel, sehr für diese tatkräftige und wertvolle Hilfe und auch Frau Apitzsch für die Vermittlung.

Dass der von Herrn Priebe übersandte Bericht so viel Aufmerksamkeit bewirken konnte, erstaunte auch unsern Leser Herrn Hans-Georg Malskies aus Steinfurt. „Ich wunderte mich, dass solch ein Beitrag nach so vielen Jahren plötzlich von Interesse sein kann“, schrieb er mir bereits im Juni, und wenn ich bisher nicht auf seinen Brief eingegangen bin, lag es an der Beilage zu seinem Schreiben. Der geborene Königsberger, der zusammen mit seiner aus Palmnicken stammenden Frau jahrzehntelang in der Vertriebenenarbeit tätig war, fand nach ihrem Tod vor vier Jahren in ihrem Nachlass einen auf den ersten Blick ähnlich erscheinenden Zeitzeugenbericht, der sich aber doch von dem von Herrn Priebe übersandten Beitrag wesentlich unterscheidet. Er listet nicht so viele Namen auf, sondern beschreibt vor allem die Situationen, in denen sich die in Königsberg und im Samland Verbliebenen nach der Okkupation durch die Russen befanden und bietet damit ein breites Spiegelbild der Lage in den ersten Nachkriegsmonaten. Der Bericht ist von Herrn Hill, dem früheren Administrator auf dem Gut Adlig Laukischken, Kreis Labiau, und Herrn Studienrat Zimmermann von der Mittelschule am Dom, geschrieben worden. Als knapp und kurz gefasstes Zeitdokument bietet er auf zweieinhalb eng beschriebenen Schreibmaschinenseiten eine Fülle von Informationen. Wie er in die Hände von Frau Malskies gekommen ist, weiß ihr Mann nicht. Spielt auch keine Rolle, denn es geht ja um den Inhalt, der für viele Leserinnen und Leser sehr aufschlussreich sein könnte. Ich habe ihn bisher noch nicht gebracht, da er – um Überschneidungen zu vermeiden – sehr sorgfältig bearbeitet und leider auch gekürzt werden muss, damit er Platz in unserer Kolumne hat. Das wird innerhalb der nächsten Wochen erfolgen. Zuerst möchte ich Herrn Malskies den schon lange fälligen Dank für die Übersendung dieser Aufzeichnungen sagen. Er fällt jetzt nach eingehender Betrachtung aber umso herzlicher aus.

In jener Zeit der Zerstörung und Vernichtung von deutschem Besitz durch die russischen Besatzer führt das Foto zurück, das wir heute zeigen. Herr Alfred Meyer aus Stockelsdorf fand es an einem Frühwintertag 1945 auf einem Feld bei Fasten, Kreis Sensburg. Inmitten anderer Fotos aus zerrissenen Alben und Bildern, die aus einer aufgebrochenen Kiste gefallen waren und nun weit verstreut herumlagen. Ein Foto, das noch heil war, hob er auf und steckte es ein, bewahrte es nach Ausweisung und Aufnahme in den Westzonen 1948 bis heute. Nun hofft Herr Meyer, dass sich durch Veröffentlichung in unserer Kolumne die Familie findet, der dieses Bild zuzuordnen ist. Es handelt sich um das Porträtfoto eines jungen Mädchens, etwa 15/16 Jahre alt. Eine Beschriftung ist leider nicht vorhanden, es sind auch keine gravierenden Merkmale erkennbar. Einziger Schmuck ist die Brosche in Kleeblattform. Es ist anzunehmen, dass die Kiste aus einem Haus in Fasten stammt. Der Fundort lag hinter dem Ort zwischen dem letzten Bauernhaus und dem Friedhof. Herr Meyer würde sich freuen, wenn das von ihm so sorgsam bewahrte Bild in die richtigen Hände käme – vielleicht sogar in die der Abgebildeten, die heute allerdings über 80 sein müsste, wenn sie Flucht und vielleicht auch Verschleppung überstanden hat. (Alfred Meyer, Lohstrasse 111g in 23617 Stockelsdorf, Telefon 0451/49 18 20.)

Eure Ruth Geede


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