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28.08.10 / Wahrheit und Miteinander / Zum Tag der Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-10 vom 28. August 2010

Wahrheit und Miteinander
Zum Tag der Heimat
von Wolfgang Thüne (Teil II)

Man glaubte, diese Krise mit Geld, Geld und noch mehr Geld reformieren wie bewältigen zu können. Ist die Krise überwunden? Das Gegenteil ist eingetreten, sie hat sich eher verschärft. Immer wieder neue Milliardenspritzen sollen die Lösung bringen, doch was nützt alles Geld, wenn der Lernwillen, die Lernbereitschaft wie die Lerndisziplin nicht gefördert, sondern ins Belieben des Einzelnen gestellt werden?

Ordnung und Sicherheit in einem Staat können auch nur gewährleistet werden, wenn Rechtsdisziplin gefordert und die Einhaltung des Rechts überwacht wird. Es gilt: Kein Friede in der Gesellschaft ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Frieden. Der Philosoph Immanuel Kant unterschied die Legalität als Handeln nach dem Gesetz von der Moralität als Handeln aus Achtung vor dem Gesetz. Wir Bürger, die wir zur Legalität wie Moralität vom Staat angehalten werden, haben das Recht zu verlangen, dass auch der Staat in all seinem Tun Legalität und Moralität wahrt. Wie kann ein Staat Tugendhaftigkeit von seinen Bürgern verlangen, wenn er selbst nicht tugendhaft ist?

Alle Krisen haben letzten Endes ihren Ursprung in der Politikkrise, die auf einem völlig falsch verstandenen Verständnis von Demokratie beruht. Die Tatsache, dass Regierungen an das Mehrheitsprinzip gebunden sind, erlaubt den regierenden Parteien nicht, sich über das Legalitätsprinzip hinwegzusetzen. Auch und vor allem der Staat muss sich dem Legalitätsprinzip unterordnen, sich auf seine Aufgaben beschränken und Maßhaltung üben. Das Legalitätsprinzip ist eine der größten moralischen Errungenschaften der Neuzeit. Alle hart erkämpften bürgerlichen Errungenschaften und Freiheiten, beginnend in England 1688, in den USA 1776, in Frankreich 1789, in Preußen 1794 mit dem Allgemeinen Landrecht sind als Stufen der Entwicklung der Menschenrechte anzusehen. Sie sind unveräußerliche, rechtlich unantastbare Freiheitsrechte jedes einzelnen  Menschen. Es sind individuelle Freiheitsrechte, die keine Regierung antasten darf, die sie schlicht und einfach zu schützen hat. Es gilt: Keine Gerechtigkeit ohne Freiheit, keine Freiheit ohne Gerechtigkeit. Auch hier hat Kant klare Worte gesagt: Freiheit ist das Dasein der Wahrheit. Denn Wahrheit ist nicht diktierte, sondern gesuchte und stets nur partiell gefundene Wahrheit.

Wir stellen fest: Alles politische Handeln ist nur dann dem Menschen gemäß, wenn die Unveräußerlichkeit der Würde des Menschen gewährleistet ist. Eine Demokratie kann ihren Bürgern nur dann Freiheit gewähren, wenn sie ein Rechtsstaat ist. Nur ein Rechtsstaat kann seinen Bürgern Rechtsgarantien wie den Rechtsschutz geben und somit Minderheiten vor Mehrheitsentscheidungen schützen. Dies ist in Zeiten der Globalisierung unabdingbar für das Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft, Kultur und Geschichte in Frieden und Freiheit. Alles Leben unterliegt dem Zeitpfeil, ja die Zeit ist die Vorbedingung jeder Erfahrungswissenschaft. Wir werden die Zukunft nicht erschließen, wenn wir uns darauf beschränken, die Vergangenheit zu richten. Die Vergangenheit ist dazu da, um aus der Geschichte zu lernen und Fehler nicht zu wiederholen.  Der größte Fehler war die einseitige Ideologiegebundenheit, ja Ideologiebesessenheit. Auch heute blühen wieder zahllose Weltverbesserungsideologien und versuchen, sich Menschen mit Krisengesängen und Katstrophenängsten wie Sehnsüchten nach einer besseren Welt für Zwecke ihrer Macht nutzbar zu machen.

Offensichtlich haben wir aus der Geschichte wenig gelernt und fallen immer wieder in alte Denkschemata zurück. Daher unser Appell an den Rechtsstaat, strikt das Legalitätsprinzip zu wahren, Freiheit, Recht und Frieden zu schützen und die Menschenrechte zu garantieren wie vom Grundgesetz gefordert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Wenn wir Heimatvertriebenen, denen selbst schon das Recht auf Trauer streitig gemacht wird, dies einfordern, dann aus dem Bewusstsein heraus, dass ein Staat nur dann ein wirklich freiheitlicher Rechtsstaat ist, wenn er die Menschenrechte aller seiner Bürger auch konkret schützt. Der Staat ist zur Wiedergutmachung des Unrechts an seinen Bürgern verpflichtet, denn es sind die Bürger, die unter den Folgen einer verbrecherischen Politik zu leiden haben. Der Staat leidet nicht unter der Amputation der ostdeutschen Provinzen, wohl aber die Vertriebenen unter dem Verlust ihrer Heimat wie der andauernden Entrechtung.

Umso dankbarer sollte der Staat sein, dass die Vertriebenen auf zwischenmenschlicher Ebene über die neuen Grenzen hinweg Versöhnung praktizieren. Während die Staaten die Gespenster der Vergangenheit beschwören und Kollektivschuldthesen pflegen, bauen die Heimatvertriebenen tatkräftig an einem freiheitlichen und friedlichen „Haus Europa“.


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