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04.09.10 / Wehrlos gegen Brüssel / Muss EU-Rettungsschirm bald erstmals zahlen? − Karlsruher Richter enttäuschen Hoffnungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Wehrlos gegen Brüssel
Muss EU-Rettungsschirm bald erstmals zahlen? − Karlsruher Richter enttäuschen Hoffnungen

Während das Bundesverfassungsgericht sich vergangene Woche bewusst dem Europäischen Gerichtshof unterwarf, werden die Gefahren des Euro-Rettungsschirmes für die Bürger kleingeredet.

Alles ist gut, alles ist fein, so der Tenor der Aussagen von Klaus Regling, dem Chef des Europäischen Rettungsfonds. Doch der Zeitpunkt, zu dem er diese Aussagen traf, war ein eindeutiger Beweis dafür, dass eben nicht alles „auf Entspannung“ hindeutet, wie er behauptet. Denn der unbekannte Regling trat erst ins Licht der Öffentlichkeit, nachdem die Rating-agentur Standard & Poor’s Irlands Kreditwürdigkeit weiter heruntergestuft hatte.

Das hat zur Folge, dass sich das bereits stark überschuldete Euro-Land nun zu höheren Zinsen am Geldmarkt refinanzieren muss und das macht für die Iren die von Regling geführte, erst im Juni ins Leben gerufene Finanzmarktstabilisierungsfazilität (EFSF), die wesentlicher Bestandteil des Euro-Rettungschirmes ist, interessant. Denn während das wirtschaftlich deutlich instabilere Griechenland nach seiner Beinahe-Pleite auf ein eigenes EU-Hilfspaket zurückgreifen kann, das ihm Geld zu niedrigeren Zinsen anbietet, als Athen regulär am Kapitalmarkt zahlen müsste, wird Dublin voll zur Kasse gebeten. Zwar müssen die Iren aufgrund besserer wirtschaftlicher Basisdaten auch am Kapitalmarkt weniger zahlen als die Griechen, die inzwischen wieder 11,4 Prozent Euro für zehnjährige Anleihen berappen müssen, doch auch Irland wird bald um die sechs Prozent erübrigen müssen. Geld von der EFSF wäre vermutlich billiger, auch wenn es mit viel bürokratischen Aufwand und Auflagen verbunden wäre, doch da allein im Monat September 13 Milliarden Euro staatsgarantierter Bankanleihen fällig werden, können derartige Erschwernisse Irland nicht unbedingt schrecken. Und auch in Portugal und Spanien muss man neue Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen, um alte Schulden zurückzuzahlen.

Doch Klaus Regling beteuert unverdrossen, dass alle Euroländer, auch Spanien, Portugal und Griechenland, in den letzten Wochen kein Problem gehabt hätten, Geld an den Märkten aufzunehmen. „Das alles deutet auf Entspannung hin“, so der EFSF-Chef, der der EU-Kommission untersteht. Zwar hat er recht, dass derzeit alle Euro-Länder Geld am Kapitalmarkt bekommen, doch den zum Teil exorbitanten Preis lässt er genauso unerwähnt wie die zum Teil unerfreulichen aktuellen Wirtschaftsdaten, die aus vielen der bereits angeschlagenen Ländern kommen. Wie eine Erholung so möglich sein soll, zumal über den Atlantik eine unerfreuliche Wirtschafts-Nachricht aus den USA nach der nächsten schwappt, bleibt im Nebel. Und auch wenn Regling überzeugt ist, dass eine Inanspruchnahme der EFSF „äußerst gering“ sei, so bemüht er sich derzeit um ein gutes Rating bei den drei seit der Bankenkrise umstrittenen, aber immer noch tonangebenden US-Ratingagenturen. „Die Gespräche dauern etwas, die EFSF ist ja eine ungewöhnliche Gesellschaft“, versucht  der deutsche Spitzenbeamte die Tatsache zu überspielen, dass die Ratingagenturen offenbar Probleme haben, das „ungewöhnliche“ Konstrukt einzuschätzen, schließlich sind hier die 16 Euro-Länder Aktionäre, Bürgen und potenzielle Kreditnehmer in einer juristischen Person, die sich ohne aufsichtsrechtliche Kontrolle am Kapitalmarkt fremdfinanzieren wollen. Und während Standard & Poor's, Moody's und Fitch darüber grübeln, wie sie die Kreditwürdigkeit des Fonds einschätzen sollen, war gegen diesen zuvor vergeblich am deutschen Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe Klage eingereicht worden. Doch aus Sicht der Karlsruher Richter waren die Argumente der Bundesregierung für eine deutsche Beteiligung, die Berlin im schlimmsten Fall nach bisherigen Schätzungen 148 Milliarden Euro kosten könnte, gewichtiger, als die der Klageerheber.

Die Griechenland- und Euro-Rettung sind vielen Deutschen ähnlich unheimlich wie die Folgen des seit 1. Dezember 2009 gültigen Lissabon-Vertrages. Wo hört die EU auf und wo fängt Deutschland an? Die nationalen Grenzen sind nur noch auf Landkarten klar auszumachen, die Grenzen der jeweiligen Einflussnahme verschwimmen immer mehr, wie ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes letzte Woche erst wieder bewiesen hat. Dabei lagen auf Karlsruhe die letzten Hoffnungen jener, die meinen, dass die EU zu viel Einfluss auf nationale Belange erhält. Selbst Ex-Bundespräsident Roman Herzog hatte an die deutschen Verfassungsrichter appelliert, doch sein Aufruf „Stoppt den Europäischen Gerichtshof“ in der „FAZ“ verhallte so gut wie unbeachtet. Nur der 2005 auf Initiative der CDU/CSU in Richteramt in Karlsruhe gelangte Herbert Landau sah die zur Überprüfung vorliegende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes als Kompetenzüberschreitung an, schließlich würde deren sogenanntes Mangold-Urteil in den Bereich Arbeits- und Sozialpolitik fallen. Diese seien laut EU-Verträgen aber noch eindeutig nationale Einflusssphäre. Doch seine Kollegen aus dem zweiten Senat um Andreas Vosskuhle urteilten anders. Und nicht nur das, sie betonten sogar, künftig nur noch einzuschreiten, wenn EU-Institutionen ihre Kompetenzen in „schwerwiegender Weise“ überschreiten würden.

„Deutschland hat seit 1950 sehr viel Gutes getan und wird dies weiter tun. Aber welches Deutschland“, fragte der britische Thriller-Autor Frederick Forsyth, der sich selbst als EU-, aber nicht europa-kritisch bezeichnet, unlängst im „Focus“. „Ein ins Zaumzeug gespannter Ackergaul, der Tag und Nacht schuftet, um für die Faulenzer unter ihren Olivenbäumen zu bezahlen? Oder eine stolze Nation, die auf ihrer nationalen Souveränität beharrt, die bereit ist, mit Brüssel zusammenzuarbeiten, sich aber nicht einer undemokratischen Regierung in einer belgischen Stadt unterwirft?“ Rebecca Bellano


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