28.03.2024

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04.09.10 / Am Scheideweg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Am Scheideweg

Zum Schutz und zur Durchsetzung ihrer vitalen Interessen brauchen kleinere und mittlere Staaten – wie Deutschland – politisch-militärische Allianzen. Im „Kalten Krieg“ war Deutschland größter Nutznießer der Nato. Deutschland hat seine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit auch den Bündnispartnern zu verdanken, die glaubwürdig machen konnten, dass sie willens und fähig waren, Deutschland auf seinem Territorium gegen Erpressung und Angriffe zu verteidigen. Dafür haben sie über Jahrzehnte menschliche und materielle Opfer gebracht.

Vorbei und vergessen? Mit der Vorstellung der neuen Struktur der Bundeswehr kündigt Deutschland den Rückzug aus diesem Solidarpakt an. Kein Verbündeter kann sich künftig auf einen wirkungsvollen militärischen Beistand Deutschlands verlassen. Dies wird das Ansehen und den Einfluss Deutschlands im Bündnis und darüber hinaus weiter schwächen, zumal Deutschland noch bestehende Verpflichtungen gegenüber der Nato und der EU nicht mehr einhalten kann.

Im Inland wird die Bundeswehr noch weniger in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das „freundliche Desinteresse“ (Ex-Präsident Horst Köhler) wird weiter zunehmen. Bei Naturka-tastrophen kann die Bundeswehr nicht mehr schnell genügend Personal und Material zur Verfügung stellen. Öffentliche „Feierliche Gelöbnisse“ in den Standorten – immer ein besonderes Ereignis für die Soldaten, ihre Angehörigen und die Garnisonsgemeinde – werden kaum noch stattfinden können. In den Familien wird das Thema „Grundwehrdienst“ – und damit auch der Ersatzdienst – kaum noch eine Rolle spielen.

Die Bundeswehr steht am Scheideweg.           Dieter Farwick

 

Zeitzeugen

Harald Kujat – „Derzeit steht ja die Frage nach der Wehrpflicht im Zentrum der Diskussion. Viel entscheidender sind aber sicherheitspolitische Fragen“, warnt der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und damit höchster Offizier der Bundeswehr (2000−2002) Harald Kujat. „Welches sind unsere Interessen, welche Aufgaben muss die Bundeswehr im Rahmen der Bündnisse erfüllen? Welche Fähigkeiten braucht sie dafür, wie muss sie ausgestattet werden? Die Frage, ob dies mit der Wehrpflicht geschehen soll, resultiert daraus“, so der Militär, der von 2002 bis 2005 den Vorsitz des Militärausschusses der Nato inne hatte.

Peter Struck – Ziemlich zu Beginn seiner Amtszeit als Verteidigungsminister (2002−2005) ließ der SPD-Politiker die Verteidigungspolitischen Richtlinien neu überarbeiten. Darin steht nun: „Verteidigung heute umfasst allerdings mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff. Sie schließt die Verhütung von Konflikten und Krisen, die gemeinsame Bewältigung von Krisen und die Krisennachsorge ein. Dementsprechend lässt sich Verteidigung geographisch nicht mehr eingrenzen, sondern trägt zur Wahrung unserer Sicherheit bei, wo immer diese gefährdet ist. Die Vereinbarkeit internationaler Einsätze der Bundeswehr, die im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit durchgeführt werden, mit der Verfassung wurde durch das Bundesverfassungsgericht und den Deutschen Bundestag bestätigt. Deutsche Verteidigungspolitik ist das Handeln Deutschlands zur Sicherheitsvorsorge im Rahmen seiner Außen- und Sicherheitspolitik. Streitkräfte sind ein wesentlicher Teil einer auf Vorbeugung und Eindämmung von Krisen und Konflikten zielenden Außen- und Sicherheitspolitik.“

Gerhard von Scharnhorst – Zusammen mit Carl Philipp Gottlieb von Clausewitz und August Graf Neidhardt von Gneisenau stand der preußische Heeresreformer 1807 als Vorsitzender der Militärreorganisations-Kommission vor der Herausforderung, die Napoleon unterlegene preußische Armee zu reformieren. Da der General am deutlichsten den Zusammenhang zwischen Militärreform und gesellschaftlichen Veränderungen erkannte, gilt er noch heute als der Vorbildlichste der Militärreformer der Zeit der Befreiungskriege.


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