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04.09.10 / Japaner bleiben lieber unter sich / Tokio hält Einwanderer bewusst fern – Nur kleine Gruppen von Chinesen, Nordkoreanern und Thailändern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Japaner bleiben lieber unter sich
Tokio hält Einwanderer bewusst fern – Nur kleine Gruppen von Chinesen, Nordkoreanern und Thailändern

Zuwanderung als Antwort auf eine alternde Gesellschaft? Die Japaner, die ähnliche demographische Probleme haben wie Deutschland, halten wenig von dieser Idee.

Japan ist keine multikulturelle Gesellschaft und will auch keine werden. Die Probleme des Westens mit nicht integrationsfähigen oder -willigen Immigrantenströmen sind für die japanischen Ministerien und die politischen Entscheidungsträger abschreckend genug. Auch die demographische Krise ist kein Motiv für eine liberalere Einwanderungspolitik.

Derzeit leben rund zwei Millionen Ausländer im 127 Millionen Einwohner zählenden Japan. Die Hälfte sind ethnische Chinesen und Koreaner, zumeist Nachfahren der zweiten oder dritten Generation ehemaliger Zwangs- oder Fremdarbeiter, die in den Nachkriegswirren beschlossen hatten, nicht in ihre Heimat zurückzukehren. Die meisten sind in der japanischen Gesellschaft voll integriert, vom Parlamentsabgeordneten bis zum Bankpräsidenten. Ausnahmen sind die Parteigänger Nordkoreas, die große Teile der Pachinko-Industrie (bestimmte Art von Spielautomaten) kontrollieren und mit eigenen Schulen und Kulturzentren in Parallelgesellschaften leben, wo sie dem Kim-Kult huldigen. Dennoch enden viele nach ihrer von der Partei befohlenen Übersiedlung in das Arbeiter- und Bauernparadies, als japanische „Spione“ enttarnt und enteignet, bald elend in Strafarbeitslagern.

Ein weiteres Viertel der Ausländer besteht aus Brasilianern und Peruanern japanischer Herkunft (Nikkeijin), deren Vorfahren als arme Bauern aus Kyushu Ende des 19. Jahrhunderts als Siedler nach Lateinamerika ausgewandert waren. Ihr prominentester Vertreter war der peruanische Ex-Präsident Alberto Fujimori, den die Peruaner el Cinese nannten. Die Regierung hatte erwartet, dass jene Remigranten, die meist nur noch Spanisch oder Portugiesisch sprachen, aufgrund ihrer Gene und ihrem in Lateinamerika berühmten Fleiß, sich leichter in die japanische Gesellschaft integrieren würden als andere Nationalitäten, und ihre Immigration deshalb systematisch gefördert. Das Experiment gelang jedoch, ähnlich wie bei den Russlanddeutschen, nur in Ausnahmefällen, zu stark war die mittlerweile in der Ferne akkulturierte lautstarke Lebensart und das spontane Temperament der Latinojapaner von der nüchternen und konformistischen Lebensweise der alten Heimat entfremdet. Mit ihren Sprach- und Ausbildungsdefiziten und ihrem geringeren Leistungswillen blieb ihnen der Arbeitsmarkt bis auf die niedrigsten und am schlechtesten bezahlten Hilfsarbeiter- und Anlernjobs verschlossen. In der Krise von 2008/09 als erste arbeitslos geworden, zahlt die Regierung ihnen Prämien und den Rückflug unter der Auflage, sich sobald, das heißt mindestens drei Jahre, in Japan nicht wieder blicken zu lassen.

Während der „Seifenblasen-Ökonomie“ der 80er Jahre wurden einige Hunderttausend Asiaten aus China, den Philippinen, Vietnam, Indonesien, Thailand, aber auch aus Bangladesch, Sri Lanka, Iran und Pakistan mit befristeten „Trainee“-Visen ins Land gelassen. Da sie schmutzige und gefährliche Arbeiten machten, die die Japaner nicht länger tun wollten, wurden ihre Aufenthaltsüberschreitungen zunächst toleriert. Das galt und gilt auch für die eingewanderte Damenwelt, die zumeist als aus den Philippinen stammende „Japan-yuki“ in dem von den Yakuza kontrollierten und ausgebeuteten Nachtleben ein Auskommen findet.

Mit dem Ende des Baubooms und dem starken Anwachsen der japanischen Arbeitslosenzahlen setzte das Justizministerium die zügige Repatriierung der illegalen Ausländer durch. Ihre beginnende Ghettoisierung und kleinkriminelle Massentreffpunkte wie Omotesando, das damals schon Klein-Teheran genannt wurde, wurden aufgelöst und rückgängig gemacht. Xenophobie und Ausländerkriminalität gibt es deshalb in Japan weiter so gut wie nicht.

Akzeptiert dagegen wird die temporäre Immigration von Studenten, Sprachlehrern, qualifizierten Fachkräften und Akademikern für den Bedarf der japanischen Industrien und ausländischer Niederlassungen sowie von weiblichen Pflegekräften aus den Philippinen und Thailand, nach denen in Japans alternder Gesellschaft ein wachsender Bedarf besteht, und die diese aufreibende Aufgabe besonders gut zu meistern verstehen.

Ende der 80er Jahre, als die ersten ausländischen Jungmanager in progressiven Firmen engagiert wurden, wurde lauthals Klage geführt, dass Ausländer nie in japanische Führungsetagen und Vorstände vordringen würden. Heute leiten ein Brasilianer libanesischen Ursprungs, Carlos Goshn, Nissan und ein Amerikaner britischer Herkunft, Sir Howard Springer, Sony. Nicht zuletzt gibt nicht nur beim Sumo, im Fußball und an den Hochschulen ein unübersehbares Ausländerkontingent, es gibt sogar mit Marutei Tsurunen (eigentlich Martti Turunen) einen Oberhausabgeordneten der Demokratischen Partei finnischer Herkunft, der sich als Missionar hatte naturalisieren lassen. Ob er in der Bekehrung der politischen Kultur mehr Erfolg haben wird, ist noch nicht ausgemacht.

Das Staatsbürgerrecht beruht wie in Kontinentaleuropa auf dem ius sanguinis, der Abstammung von japanischen Eltern, und nicht wie in früheren Siedlungskolonien wie den USA auf den Zufälligkeiten des Geburtsortes. Die Bedingungen für den Erwerb der japanischen Staatsbürgerschaft erscheinen im Prinzip unschwer zu erfüllen: der ständige Wohnsitz in Japan während mindestens fünf Jahren, die Volljährigkeit, ein vorstrafenfreies Wohlverhalten, genügend Kapital oder Fähigkeiten, um sich selbst wirtschaftlich zu erhalten, sowie die Bereitschaft, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben. Das Justizministerium überprüft die Erfüllung dieser Kriterien während eines Jahres nach Antragseingang. Angesichts der teilweise vage formulierten Kriterien hat es den in Japan üblichen großen Ermessensspielraum für seine Entscheidung. Jugendliche mit doppelter Staatsangehörigkeit müssen sich bei Erreichen der Volljährigkeit (das heißt mit 21 Jahren) entscheiden, ob sie für die japanische Nationalität optieren oder nicht. Doppelstaatbürgerschaften sind, wie erwähnt, unzulässig. Als Liberalisierungsschritt wurde die Verpflichtung, einen japanischen Familiennamen anzunehmen, Ende der 80er Jahre abgeschafft. Albrecht Rothacher


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