19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.09.10 / Es fehlt vor allem an Klägern / Aufsichtsrat stützt weiter HSH-Nordbank-Chef Nonnenmacher − Kontrolleure selten zur Rechenschaft gezogen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Es fehlt vor allem an Klägern
Aufsichtsrat stützt weiter HSH-Nordbank-Chef Nonnenmacher − Kontrolleure selten zur Rechenschaft gezogen

Die Krise bei den Banken hat gezeigt, dass nicht nur Vorstände, sondern auch Aufsichtsräte fehlbar sind. Doch der Gesetzgeber steht dem Problem relativ ratlos gegen-über.

Die aufmerksamen Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein schauen mit Sorge auf das scheinbar nie endende Theater, was ihnen die HSH Nordbank, die gegen die Landesbank in verschiedenen Fällen ermittelnden Behörden und die darüber berichtenden Medien bieten. Nach Milliardenverlusten und dubiosen Geschäftsverbindungen kamen in den letzten Wochen noch eine Spitzelaffäre und angebliche Erpressung von Mitarbeitern durch untergeschobene Kinderpornos hinzu.

Mit drei Milliarden Euro sind die nördlichen Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein direkt bei der HSH Nordbank involviert. Hinzu kommen Bürgschaften in Höhe von weiteren zehn Milliarden Euro. Wenn die HSH Nordbank stürzt, ist auch Schleswig-Holstein insolvent und Hamburg ebenfalls mehr tot als lebendig. Trotzdem scheint es so, als könnte HSH Nordbankchef Dirk Jens Nonnenmacher tun und lassen, was er wolle, ohne dass es Konsequenzen für ihn hat. Erst letzte Woche beteuerte der Vorsitzende des Aufsichtsrates, der ehemalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank Hilmar Kopper, dass er vollkommen hinter Nonnenmacher stehe. Er soll sogar sein Verbleiben bei der Bank an das von Nonnenmacher geknüpft haben.

„Hier ist der Aufsichtsratsvorsitzende in der Pflicht, er muss den Stab in die Hand nehmen“, so fordert der Hamburger Oppositionspolitiker Peter Tschentscher (SPD), Kopper auf, Nonnenmacher von seinem Posten zu entfernen.

Doch was genau ist eigentlich die Pflicht eines Aufsichtsrates? Im Rahmen der Bankenkrise haben schließlich nachweisbar nicht nur die Vorstände, sondern auch die als Kontrollinstanz fungierenden Aufsichtsräte massiv versagt. Die Vorstände gingen unvorhersehbare Risiken ein, was schon an sich fatal war, doch kaum ein Aufsichtsrat − vor allem in den Landesbanken −, pfiff sie zurück. Und noch heute sitzen Vertreter der Länder Schleswig-Holsteins und Hamburgs im Aufsichtsrat der HSH Nordbank. Doch da Nonnenmacher den Verlust der Landesbank in diesem Jahr halbiert hat, also die Sanierung irgendwie vorankommt, erscheint den finanziell tief in dem Kreditinstitut verstrickten Bundesländern ein Personalwechsel an der Spitze nicht angebracht, geschweige denn eine Aufklärung der Fehler ihrer Vorgänger. Denn auch wenn nicht mehr eins zu eins die selben Personen im Aufsichtsrat sitzen, so vertreten sie doch immer noch die selben Eigentümer. Und ein Aufsichtsrat kann nur wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflicht belangt werden, so es denn einen Kläger gibt. Doch nur äußerst selten verklagen Nachfolger ihre Vorgänger im Aufsichtsrat, weiß Jella Benner-Heinacher, Geschäftsführerin bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Bei der von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), also vom Steuerzahler, geretteten Mittelstandsbank IKB hatten Kleinaktionäre auf der Hauptversammlung 2008 immerhin eine Sonderprüfung zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern beschlossen, doch der 2009 eingestiegene Großinvestor Lone Star stoppte diese, da er nicht wollte, dass Interna durch Ermittlungen nach außen getragen werden. So können Aufsichtsräte wie Manager zwar theoretisch für Fehlentscheidungen haftbar gemacht werden, doch in der Realität sind strafrechtliche Verfolgungen selten.

Trotzdem versucht der Gesetzgeber die Anforderungen auch an die Kontrollorgane zu erhöhen. So muss seit 2009 jedem Aufsichtsrat ein Finanzexperte angehören. Diese Anforderung ist inzwischen zwar überall umgesetzt worden, doch Benner-Heinacher verweist darauf, dass nicht überprüft wird, was genau den Finanzexperten zum Finanzexperten macht. Manche werden auch nur offiziell dazu ernannt, da es keine Vorgaben gibt, über welche fachlichen Fähigkeiten er genau verfügen soll.

Doch eine Regierungskommission überarbeitet jedes Jahr den 2002 eingeführten Deutschen Corporate Governance Kodex, der Unternehmensleitung und -überwachung vereinheitlichen soll. Ein wichtiger Punkt für die Kommission ist die mangelnde Unabhängigkeit deutscher Aufsichtsräte zu vermindern. Ein Knackpunkt war hier beispielsweise das bis 2008 geltende Gewohnheitsrecht, dass ein Unternehmensvorstand, so er denn wollte, nach seiner Zeit im Vorstand in den Aufsichtsrat wechselte. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass ein Aufsichtsratmitglied, die Dinge, die er noch als Vorstand angeschoben hat, objektiv beurteilen kann? Daher hat 2009 die damals schwarz-rote Regierung die sogenannte Cooling-off-Phase gesetzlich vorgeschrieben, die Vorstandsmitgliedern eine 24-monatige Zwangspause verordnet, bevor sie in den Aufsichtsrat wechseln dürfen. Ziel ist es, das Beziehungsgeflecht bei Vorständen und Aufsichtsräten zu lösen. Auch wurde die Zahl der Mandate, die eine einzelne Person in verschiedenen Aufsichtsräten wahrnehmen darf, reduziert. Zukünftig soll es nicht mehr möglich sein, dass ein ehemaliger Vor-standschef wie der 71-jährige Manfred Schneider gleichzeitig bei Bayer, Linde, RWE, Daimler und Tui im Aufsichtsrat so vieler verschiedener Unternehmen sitzt.

Die Zeitung die „Welt“ will nun aus Aufsichtsratskreisen der HSH Nordbank erfahren haben, dass Teile des Aufsichtsrates hinter den Kulissen nach einem Nachfolger für Nonnenmacher suchen. Wer da jedoch sucht und aus welchen Motiven heraus da gesucht wird, ist bei einer von so vielfältigen Skandalen heimgesuchten Bank wie der HSH Nordbank kaum noch auszumachen.             R. Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren