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04.09.10 / Dienstpflicht statt Wehrpflicht − auch für Frauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Moment mal!
Dienstpflicht statt Wehrpflicht − auch für Frauen
von Klaus Rainer Röhl

Vieles, was in den letzten 50 Jahren für die Ewigkeit gezimmert schien, ist in diesem Jahr ins Wanken geraten, zum Beispiel die Überzeugung, dass die CDU eine wertkonservative, im Zweifelsfall nationale Partei sei. Schon länger ist in der Union – auch in der CSU – eine Entwicklung zu beobachten, an Stelle von deutschen Interessen von der EU zu sprechen, anstelle von Privateigentum von Effizienz und an Stelle von Deutschen von Staatsbürgern unterschiedlicher ethnischer Herkunft, die auf dem Gebiet der (man möchte fast sagen, ehemaligen) Bundesrepublik Deutschland, teilweise als diffuse Masse, teilweise bereits als gut organisierte Parallelgesellschaften mit muslimischer Religion und eigenen, durch Erziehung weitergegebenen Wertvorstellungen – mit Deutsch als Fremdsprache leben. So wird Sarrazins Buch zum Bestseller.

Selbstverständlichkeiten wie Landesverteidigung und Pflicht dem eigenen Volk gegenüber, Waffendienst oder soziale Dienste für die Gemeinschaft – der Deutschen – zu erbringen, verstanden sich längst nicht mehr von selbst. So war es nur eine Frage der Zeit und der forsch ergriffenen Gelegenheit, die Frage der Wehrpflicht zu stellen und ohne Änderung des Grundgesetzes eine „effiziente“ Berufsarmee – also, auf deutsch gesagt, eine Söldnertruppe, statt der Bundeswehr aufzustellen.

Die Wehrpflicht wurde von Jahr zu Jahr zu einer Farce, die zuletzt noch von 19 Prozent aller Jugendlichen, vorwiegend aus bildungsfernen Schichten, aus ländlichen Gebieten und der ehemaligen DDR erfüllt wurde, während der Nachwuchs der gebildeten Gutmenschen missmutig den Ersatzdienst als Hilfskräfte in Krankenhäusern und Altersheimen abdiente. Während der große Rest auf jede Art von Pflicht Verzicht leistete und sich ganz der Vorbereitung auf den Beruf widmete. Zeit, die Wehrpflicht „auszusetzen“ und sie durch eine effiziente Truppe aus Berufssoldaten zu ersetzen, fand der selber ganz der Effizienz leidenschaftlich ergebene Baron von und zu Guttenberg.

Wehrpflicht ist eigentlich ein aussterbendes Wort für etwas Vergangenes wie „Wehrmacht“. „Pflicht“ gibt es in Deutschland nur noch in Sonntagsreden des Bundespräsidenten und als viel belachten Scherz im „Senftöpfchen“ und bei Dieter Hildebrandts Nachfolgern. Mit dem Gesetz über die Wehrpflicht war ursprünglich gemeint, dass alle dienstfähigen Männer zum Militär mussten, um in einem langen, meist ziemlich strengen Dienst Disziplin, Gemeinschaftsgeist, Gehorsam und leider auch – schießen zu lernen. Natürlich zu Verteidigungszwecken, das sagten alle Gesetzgeber ihren Völkern. Die Frauen waren von dieser Pflicht ausgenommen, weil von ihnen Geburt, Pflege und Erziehung der Kinder der Gemeinschaft erwartet wurde. Seit eh und je.

Kampfverbände, die von allen wehrfähigen Männern aufgestellt wurden, gab es schon in der römischen Republik. Oder bei den germanischen Stammesverbänden, die, wenn man so will, demokratisch verfasst waren, aber auch ziemlich chaotisch. Hier muss man von einem „Wehrrecht“ sprechen (das Recht, jedes Mannes, Waffen zu tragen) und der Pflicht, sie im Kriegsfall zu gebrauchen. Das war ungeschriebenes Gesetz. Tacitus berichtet darüber, dass Feiglinge praktisch gelyncht wurden. Diese Pflicht zum Kriegsdienst wurde später, bei sich ändernden politischen Umständen (Bildung von Königreichen und Kriegen zur Ausdehnung ihrer Territorien) nach und nach durch Berufssoldaten übernommen, den Rittern, die dafür durch Privilegien und Landbesitz vom Lehensherrn entlohnt wurden. Allmählich wurde nicht nur die Wehrpflicht der Bauern, sondern auch ihre Wehrfähigkeit ausgehöhlt. Ihr Land wurde im ausgebildeten Feudalismus von den Rittern vereinnahmt, bis die Bauern – und das war die Mehrheit der Bevölkerung – allmählich zu Unfreien und Fronarbeitern des Grundherrn herunterkamen. Das letzte Land, das die Leibeigenschaft abschaffte, war Mecklenburg (1822).

Eine Art Wehrpflicht gab es in den aufblühenden Städten als Bürgergarden. Der preußische Staat war mit seinem „Kantonsystem“ (Wehrfähige eines Gebietes waren für bestimmte militärische Einheiten vorgesehen) auf dem Weg zu einer Wehrpflichtigen-Truppe. Allgemein waren nach dem Zerfall des Lehnswesens des Mittelalters von der frühen Neuzeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts jedoch Söldnerheere die Regel, die wenig Bindungen zu ihrer Nation hatten, sondern für ihren Sold und die Aussicht auf Beute kämpften.

Das Frankreich der Französischen Revolution war der erste europäische Staat, der seine Armee mit der „Levée en masse“ von 1793 fast ausschließlich aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht rekrutierte. Nach und nach führten auch andere europäischen Staaten die Wehrpflicht ein. In der Weimarer Republik war sie aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1919 abgeschafft worden; die Reichswehr eine auf 100000 Mann des Landheers und 15000 Soldaten der Marine begrenzte Berufsarmee. Hitler führte die Wehrpflicht wieder ein. Die Bundeswehr wurde erst mit dem Inkrafttreten des Wehrpflichtgesetzes am 21. Juli 1956 gegründet. Die Wehrpflicht kann daher jederzeit vom Bundestag mit einfacher Mehrheit ausgesetzt werden, ohne dass dafür das Grundgesetz geändert werden müsste.

Nach dem Vorstoß von Guttenbergs gab es sogleich Vorschläge, eine Dienstpflicht statt der Wehrpflicht einzuführen, einen „Gesellschaftsdienst“, oder sogar eine Dienstpflicht zur Verteidigung der Umwelt. Das könnte sogar den Grünen gefallen. Eine künftige Dienstpflicht für alle anstelle der Wehrpflicht fordern Berufspolitiker wie Roland Koch und der CDU-Ministerpräsident des Saarlands, Peter Müller. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU), sprach sich gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sogar für eine allgemeine Dienstpflicht aus, für die es in der CSU große Sympathien gäbe. Nach den Vorstellungen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann sollte die Wehrpflicht bestehenbleiben, aber in eine allgemeine Heimatschutzpflicht umgewandelt werden, die in verschiedensten sozialen Einrichtungen abgeleistet werden kann – wie dem Deutschen Roten Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Technischen Hilfswerk oder der Feuerwehr. Den Weg zu dieser Reform weist das Grundgesetz selbst, so Schünemann. Bereits seit 2008 wird darüber dis-kutiert, einen „Gesellschaftsdienst“ einzuführen, bei dem alle männlichen Jugendlichen einen Dienst für die Gesellschaft leisten sollen, um wenigstens einmal im Leben etwas für die Gemeinschaft zu tun. Warum nicht auch die Frauen?

Der Jahrtausende alte Grund, Frauen vom Kriegsdienst freizustellen, ist in unserer modernen Gesellschaft weitgehend entfallen. Noch nicht einmal die Hälfte der Frauen im wehrpflichtigen Alter ist mit dem Kinderkriegen oder der Betreuung des Nachwuchses beschäftigt. Warum keinen Dienst beim DRK und in Krankenhäusern? Fragen wir Alice Schwarzer. Oder lieber doch nicht. Sie ist in letzter Zeit so milde geworden, dass sie mir recht geben würde. Und das wäre mir peinlich. Für das Recht von Frauen, freiwillig zur Bundeswehr zu gehen, ist sie ja schon 1978 eingetreten. Und was lese ich nun? Vor kurzem hat sie ein Jahr Dienstpflicht für Männer „und“ Frauen gefordert. Bravo, Alice.


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