19.04.2024

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04.09.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-10 vom 04. September 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,     

liebe Familienfreunde,

wenn auch 60 und mehr Jahre vergangen sind, seit viele Familien den Bescheid „vermisst“ über ihre an der Front kämpfenden Angehörigen erhielten, so quält manche Hinterbliebenen noch immer deren ungewisses Schicksal, denn es kam nie ein endgültiger Bescheid. Das bekommen auch wir zu spüren, wenn es sich um Vermisste handelt, die während der letzten Kriegswochen in Ostpreußen gekämpft haben, aber in erster Linie die dafür zuständigen Institutionen wie die Deutsche Dienststelle in Berlin als Nachfolgerin der WASt (Wehrmachtauskunftsstelle), bei der allein im letzten Jahr 15000 Anfragen von Hinterbliebenen eingingen. In ihren Hallen im Bezirk Reinickendorf lagern Dokumente über 18 Millionen Schicksale und noch immer sind etwa 1,2 Millionen Schicksale gefallener oder vermisster Soldaten hauptsächlich aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ungeklärt. Die Kooperation mit anderen Institutionen ist eng, vor allem mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Kassel. Der Volksbund hat zusammen mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes ein Findbuch für Kriegsgefangene mit dem Titel „Orte des Gewahrsams von deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion (1941–1956) – Findbuch“ herausgegeben, das nach Originalunterlagen der sowjetischen Verwaltung für Kriegsgefangene und Internierte (GUPW) erstellt wurde. Über dieses Findbuch, das mehr als 6000 Standortangaben zu Lagern, Arbeitsbataillonen und Friedhöfen enthält und zusätzlich über 5000 frontnahe Lagerstandorte in numerischer Reihenfolge verzeichnet, hat die PAZ ihre Leser bereits informiert. Wir werden auf diese Publikation noch näher eingehen. Sie enthält aber keine Angaben zu der Person des Gefallenen oder Vermissten, und deshalb ist der Brief von unserem Leser Benno Krutzke aus Wismar so wichtig, weil nicht nur das Schicksal seines vermissten Vaters geklärt werden konnte, sondern weil er auch Angaben zu anderen verstorbenen Kriegsgefangenen enthält, die für die betreffenden Angehörigen wichtig sein könnten.

Herr Krutzke schreibt, dass er Anfang August durch den Suchdienst des DRK endgültige Gewissheit über das Schicksal seines Vaters erhielt. Beigefügt waren Akten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD. Das Schreiben des DRK bezog sich auf eine Suchanfrage von Benno Krutzke nach seinem 1899 geborenen Vater Richard Krutzke aus Salpen, der seit Mai 1945 als vermisst galt. Dem Sohn wurde Folgendes mitgeteilt:

„Der Suchdienst des DRK hat aus den Archivbeständen der Russischen Föderation Akten deutscher Kriegsgefangener erhalten, die auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion verstorben sind. In diesen Unterlagen ist Ihr Angehöriger Richard Krutzke aufgeführt. Aus der in Russisch abgefassten Gefangenenakte geht hervor, dass Richard Krutzke am 8. Mai 1945 auf der Halbinsel Hela bei Danzig in sowjetische Gefangenschaft kam. Er wurde im Lager Nr. 444, Mingetschewir, Gebiet Aran, Aserbaidschan, am 20. Januar 1946 registriert. Am 28. September 1946 ist er aus dem Hospital Nr. 5030, Mingetschewir, ins Heimkehrerlager Nr. 69 in Frankfurt/Oder zur Entlassung in die Heimat verlegt worden. Richard Krutzke ist am 20. Oktober 1946 auf dem Transport ins Heimkehrerlager verstorben. Der Tote wurde an der Bahnstation Schepetowka, heute im Gebiet Chmelnizki, Ukraine, an die zuständige Behörde zur Bestattung übergeben. Ob sich in/bei Schepetowka heute noch eine Grabstätte befindet, auf der Gräber deutscher Gefangener enthalten und erkennbar sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir empfehlen Ihnen diesbezüglich eine erneute Anfrage an den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VDK Werner-Hilpert-Straße 2 in 34112 Kassel) zu richten. In der Anlage finden Sie eine Kopie der zitierten Akte. Auf Grund der Menge der Akten, die jetzt zum Versand kommen, können wir leider keine Übersetzung für Sie fertigen …“

Diese hat inzwischen die Russischlehrerin Frau Vogt aus Goldap für Herrn Krutzke vorgenommen, der dadurch noch weitere Angaben erfahren konnte. Denn aus den Aktenunterlagen geht hervor, dass mit Richard Krutzke noch fünf Kriegsgefangene verstorben sind, die ebenfalls bei Schepetowka begraben wurden. Es könnte sich nach Meinung der Übersetzerin um folgende Personen handeln: Martin Gustav Brandt / Max Johann Müller / Kurt Rudolf Guse / Karl Feldhusen / Paul Jenike.

Leider liegen zu diesen Verstorbenen keine weiteren Angaben vor, so dass man auch nicht weiß, ob sie auch aus Ostpreußen stammen. Immerhin findet Herr Krutzke es wichtig, diese Namen weiterzugeben, vielleicht lassen sich so noch andere Vermisstenschicksale klären.

Wir danken ihm jedenfalls sehr für diese Mitteilung, die ja leider auch die Tragik enthält, dass sein Vater so kurz vor der ersehnten Heimkehr sterben musste. Auch das DRK drückte sein Bedauern aus, dass es diese endgültige Nachricht über den Tod seines Vaters übermitteln musste, die für den Sohn nach so vielen Jahren schmerzlich sein wird. „Wir sind jedoch sicher, dass Sie die Nachricht als Befreiung von einer langjährigen Ungewissheit empfinden“, beendet die Sachbearbeiterin des DRK ihr Schreiben. (DRK-Suchdienst, Chiemgaustraße 109 in 81549 München, Telefon 089/680773-0.)

Das ist nun ein Erfolg, der nicht über unsere Ostpreußische Familie zustande gekommen ist, aber als Information wichtig für unsere Leserschaft sein kann. Und deshalb veröffentlichen wir ihn gerne wie auch einen weiteren, der ebenfalls durch das DRK erfolgte. Frau Ute Eichler aus Hamburg teilte uns dies mit:

„Im Frühjahr fragte mich Frau Rehberg, eine noch in Lötzen geborene Ostpreußin, um Rat, wie sie den zwei Spielgefährten auf die Spur kommen könne, die ihr aus der Kinderzeit noch in bester Erinnerung sind. Ob ich meine, dass in diesem Fall der Suchdienst des DRK würde helfen können. Ich antwortete: ,Versuchen Sie es doch mal, sonst gibt es ja die Ostpreußische Familie und den Lötzener Heimatbrief!‘ Vor wenigen Tagen rief mich Frau Rehberg an – voller Freude! Es hätte sie ein wenig Überwindung gekostet, sich mit dieser Frage an den Suchdienst zu wenden, denn es ginge ja ,nur‘ um Spielgefährten aus der ostpreußischen Kindheit. Nach wenig mehr als drei Monaten hat sich auch für sie das Wunder ereignet: Nach 65 Jahren konnte der Kontakt zu einem der beiden Sandkasten-Gefährten hergestellt werden durch ein aufregendes Telefonat von mehr als einer Stunde Dauer mit der Schlussforderung: Wir müssen uns treffen! Der zweite dieser Spielgefährten ist leider schon vor Jahren verstorben. Mit zu erleben, was es einem Menschen bedeutet, nach über sechseinhalb Jahrzehnten einen anderen Menschen wiederzufinden, mit dem Erinnerungen geteilt und ausgetauscht werden können, das war auch mir eine große Freude. Frau Rehberg hat sich bei den Damen vom Suchdienst bedankt, die darüber sehr erstaunt waren – das erleben sie nur selten!“

Für die großen Suchfragen sind wir, die wir keine öffentliche Institution sind, immer die „letzte Instanz“, also wenn nichts mehr geht, dann heißt es „Ostpreußische Familie“.

Das hat Frau Eichler gewusst und danach auch gehandelt. Doch für manchen anderen Wunsch sind wir die aussichtsreichste Adresse, weil wir ja die Zeitzeugen ansprechen, die als einzig mögliche Informanten in Frage kommen. Das betrifft auch das Anliegen von Herrn Wolfgang Fritz aus Wetzlar, einem treuen Leser, der regelmäßig unsere Kolumne liest und immer wieder überrascht ist, welche Erfolge sich einstellen. In einem Fall konnte auch er schon weiter helfen, nun ist er selber an der Reihe. Mit einem Bild aus der Zeit um den Ersten Weltkrieg – lang, lang ist‘s her! Es dürfte in einem Fotoatelier jener Zeit entstanden sein, wie das Interieur beweist. Außerdem lassen die starren Mienen der Abkonterfeiten eine längere Belichtungszeit vermuten – ach, ich habe die noch in guter Erinnerung, als ich, ein Königsberger Kind, in einem Fotoatelier in der Königsstraße mit meiner neuen gelbblauen Schal-Mütze-Handschuh-Kombination in einer Staffage aus zerknüllten weißen Laken „mitten im Schnee“ aufgenommen wurde. Ich habe das Foto nicht mehr, und ich trauere ihm nicht nach, es war einfach grässlich. Aber zurück zu den vier soignierten Herren, die sich mit Bindern und Bibis fotofein gemacht hatten. Aus welchem Anlass wohl? Es soll sich um ein Familienbild handeln, obgleich keine weiteren Angehörigen zu sehen sind, keine Ehefrauen, keine Kinder. Herr Fritz glaubt nämlich, dass je zwei der Herren eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen – vielleicht Väter und Söhne, wie die auf der Schulter der Sitzenden liegenden Hände der stehenden, sichtbar jüngeren Herren vermuten lassen. Der Mann rechts auf der Bank mit dem Regenschirm soll sein Urgroßvater Gottlieb Fritz sein. Dieser wurde am 12. Mai 1850 in Niebudszen, Kreis Gumbinnen als Sohn von Wilhelm Fritz und seiner Frau Elisabeth geborene Steinert geboren und war verheiratet mit Maria geborene Willun. Als Abkömmling folgte ihm der Großvater des Schreibers, Gustav Fritz, *7. Juni 1874 in Berninglauken. Eventuell sind weitere Verwandte auf der Photographie abgebildet, die den Namen Turowski tragen. Gustav Fritz war mit Charlotte Turowski aus Gorzekallen verheiratet, die 1923 verstarb. Aber es gibt Ungereimtheiten. Wenn die Aufnahme, wie auf dem – nicht mehr vorhandenen – Originalfoto angegeben, um 1925 gemacht wurde, müsste sein Urgroßvater Gottlieb Fritz bereits 75 Jahre alt gewesen sein. Damals sahen die Männer nach einem langen und harten Arbeitsleben aber auch so aus. Der Herr mit den wasserhellen Augen und dunklem Schnauzer wirkt dagegen sehr viel jünger. Also dürfte es nicht der Urgroßvater sein, oder die Aufnahme entstand bereits viel früher, was die Kleidung der Herren mit den „Vatermördern“ auch vermuten lässt. Das Atelier müsste sich in einer Stadt im nördlichen Ostpreußen befunden haben, Stallupönen, aber auch Insterburg oder Gumbinnen kommen in Frage. Ob ein Leser einen der Abgebildeten erkennt, ist nicht anzunehmen. Aber vielleicht helfen die Namen weiter, und es melden sich Angehörige der genannten Familie bei Herrn Wolfgang Fritz. (Am Simberg 16 in 35576 Wetzlar, Telefon 06441/33852, E-Mail: Wolfgang78Fritz@freenet.de)

Eure Ruth Geede


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