27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.09.10 / Die SPD windet sich / Sigmar Gabriel hat sich im Umgang mit Sarrazin verrannt – Neuerliche Wendung?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Die SPD windet sich
Sigmar Gabriel hat sich im Umgang mit Sarrazin verrannt – Neuerliche Wendung?

Ungewöhnliche Windungen und Hakenschläge hat SPD-Chef Sigmar Gabriel im Streit um Thilo Sarrazin hingelegt. Inzwischen schwant ihm, dass der Umgang der SPD-Spitze mit ihrem prominenten Mitglied seiner Partei massiv schaden könnte.

Zunächst wollte Gabriel Sarrazin einfach aus der Partei ekeln. Als der aber auf seinem Parteibuch insistierte, wollte er ihn trotz aller Schwierigkeiten eines solchen Verfahrens ausschließen. Daran hält er bisher fest, allerdings mit geänderter Begründung.

Meinte Gabriel am 25. August noch frontal, Sarrazins Sprache sei „gewalttätig“ und seine Positionen zum Teil „dämlich“, so hat er inzwischen seine Formulierungen korrigiert. Grund dafür ist, dass seine eigene Parteibasis nicht etwa die Haltung Sarrazins dämlich findet, sondern eher die des eigenen Vorstandes, wie Gabriel ziemlich kleinlaut einräumen musste: Das Willy-Brandt-Haus wurde tagelang mit Briefen und Anrufen bombardiert. Rund 90 Prozent lehnten zumindest den Ausschluss Sarrazins ab und ein großer Teil stimmte ihm auch inhaltlich zu.

Das war insofern etwas erstaunlich, weil dieser sich unterdessen  – am 28. August – mit folgendem Satz eine Blöße gegeben hatte: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden.“ Die zweite Hälfte dieses Satzes ist unbestreitbar richtig, die erste Hälfte jedoch doppelt falsch. Schließlich gibt es Konvertiten zum Judentum, deren Gene selbstverständlich unverändert bleiben. Außerdem lassen sich genetische Besonderheiten ethnischer Gruppen kaum je an einem einzelnen der rund 30000 Gene, die jeder Mensch auf seinen 46 Chromosomen in sich trägt, festmachen.

Dass das jüdische Volk sich trotz 2000-jähriger Zerstreuung wahrscheinlich auch genetisch genau wie andere Völker eine eigene Identität bewahrt hat, gehört zu den faszinierenden Ergebnissen der humangenetischen Forschung der letzten Jahre. Mit Intelligenz oder anderen Eigenschaften hat das zunächst nichts zu tun, ganz abgesehen davon, dass Sarrazin in seinem Buch eine weitere jüdische Einwanderung aus Osteuropa just deswegen befürwortet, weil er – an manchen Stellen etwas penetrant – Juden eine besonders hohe Intelligenz zuschreibt. So oder so: Das Faktum an sich ist jenseits aller möglichen Schlüsse bemerkenswert und wird auch in israelischen Medien gern diskutiert – mal mit dem Unterton des Nationalstolzes, mal eher als Kuriosum, mal völlig wertneutral.

Aus Sicht des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel sind alle Überlegungen in dieser Richtung jedoch glatt verboten, zumindest für SPD-Mitglieder. Ausschlussgrund für Sarrazin soll nun nämlich die angebliche „Kernthese“ seines Buches sein, „dass Menschen genetisch disponiert sind und bestimmte Verhaltensweisen sich nicht etwa kulturell vererben, sondern genetisch, biologisch“.

Doch diese von Gabriel geächtete Position ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend. Keineswegs alle, aber eben doch „bestimmte“ Verhaltensweisen des Menschen sind tatsächlich genetisch festgelegt. Welche das sind, darüber wird weltweit viel geforscht und publiziert – ob es der „Weltmacht SPD“ (Zitat Erhard Eppler) nun gefällt oder nicht. Sollte sich dabei bestätigen, dass Begabung und Leistungsfähigkeit tatsächlich zu großen Teilen vererblich seien, wäre das auch keineswegs das Ende sozialdemokratischer Politik, sondern nur ein neuer, realistischer Ausgangspunkt für sie.

Dass in dieser ganzen Debatte gründlich etwas schiefgelaufen ist, hat nun auch der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) signalisiert. Er plädiert dafür, Sarrazin weder aus dem Vorstand der Bundesbank noch aus der SPD auszuschließen: „Ich rate dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, Sarrazin anzuhören und in der Anhörung festzustellen, dass man sich gegenseitig missverstanden hat.“ Was allerdings Wahlvolk und Parteibasis von einer solchen neuerlichen Wendung des Oppositionsführers halten würden, ist eine ganz andere Frage. Konrad Badenheuer


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren