28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.09.10 / Integration nach Schweizer Art / Auch die Eidgenossen streiten über den rechten Umgang mit Ausländern – Am Ende entscheidet das Volk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Integration nach Schweizer Art
Auch die Eidgenossen streiten über den rechten Umgang mit Ausländern – Am Ende entscheidet das Volk

In der Schweiz wird die von Thilo Sarrazin angestoßene Diskussion zur Ausländerpolitik mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Aus gutem Grund: Im eigenen Land haben es die Eidgenossen mit einem Ausländeranteil von über 22 Prozent zu tun.

Wie viel Islam wollen Sie? Mit dieser provokant formulierten „Volksbefragung zur Asyl- und Ausländerpolitik“ positioniert sich die konservative Schweizer Volkspartei (SVP) bereits für die im Jahr 2011 anstehenden Nationalratswahlen. Gut möglich, dass dann auch ihr früherer Vormann und derzeitiger Vize Christoph Blocher noch einmal antritt, dessen unfreiwilliger Rück­zug aus der Berner Bundesregierung das harmoniegeprägte Schweizer Konkordanzsystem ins Wanken gebracht hatte.

Blochers jüngster Auftritt im Zürcher Hotel Mariott jedenfalls wurde von seinen Parteifreunden als inoffizielle Kandidatur verstanden. Der vormalige Justiz-Bundesrat hatte in seinem Vortrag heftigen Widerstand gegen jede weitere Annäherung an die EU angekündigt. Brüssel und Schengen, also die europäische Freizügigkeitsregelung, der sich auch die Schweiz angeschlossen hat, werden nämlich auch für die zunehmende Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten, insbesondere aus der muslimischen Welt, verantwortlich gemacht.

In der Tat sprechen die nackten Zahlen eine deutliche Sprache. Nach Angaben der SVP, die durch regierungsamtliche Statistiken weitgehend bestätigt werden, lebten 1980 in der Schweiz etwa 50000 Muslime. Seither hat sich diese Zahl verachtfacht; Ende 2009 wurden über 400000 Islam-Gläubige gezählt, fast ein Viertel aller Ausländer.

Von den 7,8 Millionen Einwohnern der Schweiz sind 1,7 Millionen Ausländer. Den größten Anteil stellen die Italiener (295000), die Ex-Jugoslawen (195000) und die Deutschen (165000). Mit ihnen lebten die gastfreundlichen Eidgenossen bislang recht problemlos zusammen. Missstimmungen wie an der ETH Zürich, wo eine zu starke deutsche Dominanz unter Studenten und Dozenten beklagt wurde, waren eher seltene Ausnahmen.

Die verstärkte Zuwanderung aus islamischen Ländern aber schafft neue Probleme. So stieg die Ausländer-Arbeitslosigkeit auf fast das Doppelte der aktuellen Gesamtquote von 3,6 Prozent. Laut SVP sind 5,8 Prozent der Ausländer, aber nur 1,9 Prozent der Einheimischen auf Sozialhilfe angewiesen.

Dramatisch ist auch die Verteilung der Kriminalität zwischen Schweizern und Ausländern. Im Jahr 2008 (neuere Zahlen hat das Berner Bundesamt für Statistik noch nicht vorgelegt) wurden insgesamt 91271 erwachsene und 14632 jugendliche Straftäter rechtskräftig verurteilt. Davon waren 46701 Erwachsene und 4435 Jugendliche Ausländer. Somit liegt der Anteil der Nichtschweizer an der Kriminalität insgesamt bei 48,3, bei den Erwachsenen sogar bei 51,2 Prozent. Und dies bei einem Bevölkerungsanteil von „nur“ 22 Prozent!

Je näher die Nationalratswahlen rücken, umso intensiver wird zwischen den politischen Lagern darüber gestritten, ob die bedrohlichen Entwicklungen eher mit einer Liberalisierung oder einer Verschärfung der Einbürgerungsgesetze in positivere Bahnen gelenkt werden können.

Das links-grüne Lager argumentiert, durch eine Lockerung der vergleichsweise restriktiven Einbürgerungspolitik könne man den zu hohen Ausländeranteil wieder herunterfahren. Dies mag rechnerisch stimmen, ob damit aber die Probleme wirklich gelöst oder nur verlagert werden, bezweifeln nicht nur die bürgerlichen Parteien.

Nach derzeitiger Regelung können Ausländer in der Schweiz eingebürgert werden, wenn sie zwölf Jahre im Lande gelebt haben, „in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert“ sowie

„mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut“ sind, die schweizerische Rechtsordnung beachten sowie die innere und äußere Sicherheit der Schweiz nicht gefährden. Die Zwölfjahresfrist kann für nachziehende Ehepartner auf fünf Jahre verkürzt werden. Über die Einbürgerungsanträge entscheiden die Kantone, teilweise auch die Gemeinde in Volksabstimmungen auf kommunaler Ebene. Erst dann kann das zuständige Bundesamt in Bern die Einbürgerung bewilligen, zunächst befristet auf drei Jahre. Nach Ansicht der SVP reichen diese im Vergleich zu Deutschland recht strengen Kriterien aber noch lange nicht aus.

Zusätzlich angeheizt wird die Stimmung in der Schweiz dadurch, dass in den nächsten Wochen zwei wichtige Regierungsposten neu zu besetzen sind. Zunächst hatte der sozialdemokratische Verkehrs- und Umweltminister Moritz Leuenberger seinen Rück­tritt zum Jahresende angekündigt, dann zog Finanzminister Hans-Rudolf Merz nach: Der im Zusammenhang mit der Libyen-Affäre und den Finanzverhandlungen mit Washington eher glücklose FDP-Politiker will bereits Anfang Oktober sein Amt räumen. Neben den etablierten Parteien fordern nun auch die Grünen und die von der SVP angespaltene Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) eine angemessene Beteiligung an der Regierung. Das bewährte, kompliziert austarierte Allparteien-System steht damit vor einer erneuten Zerreißprobe.

Hinzu kommt, dass wichtige politische Entscheidungen in der Schweiz traditionell nicht allein von Parlament und Regierung durchgesetzt werden können, sondern in den meisten Fällen dem Volk zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden müssen. Bezüglich der Ausländer- und Einbürgerungspolitik hatte die jüngste Volksabstimmung, mit der ein weiterer Bau von Minaretten verboten wurde, durchaus Signalcharakter. Hans-Jürgen Mahlitz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren