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11.09.10 / Eisernes Schweigen bewahrte Goldschatz / Die Bundeskunsthalle in Bonn zeigt gerettete Schätze aus Afghanistan – Artefakte von unschätzbarem Wert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Eisernes Schweigen bewahrte Goldschatz
Die Bundeskunsthalle in Bonn zeigt gerettete Schätze aus Afghanistan – Artefakte von unschätzbarem Wert

Unentdeckte Bodenschätze im Wert von einer Billion Dollar sollen in Afghanistan zu finden sein. Riesige Vorkommen von Lithium, Eisen, Kupfer, Kobalt und Gold machen das gebeutelte Land als Handelspartner interessant. Ganz andere Schätze haben die Besetzung durch die Sowjets sowie die Willkürherrschaft der Mudschaheddin und der Taliban überstanden. Sie werden jetzt in einer Ausstellung in Bonn gezeigt.

Es ist gewiss kein Zufall, dass diese Ausstellung mit Artefakten aus Gold, Silber und Elfenbein in Bonn präsentiert wird, in der Stadt, in der 2001 die erste Afghanistan-Konferenz stattfand. Nur Optimisten werden geglaubt haben, dass die Befriedung des von Besatzung, Krieg und Bürgerkrieg zerrütteten Landes schnell vonstatten gehen würde. Noch heute, fast zehn Jahre nach der ersten Konferenz auf dem Petersberg sieht man in den deutschen Medien nur Bilder, die ein zerstörtes Land zeigen, Menschen in staubigen Kleidern, Frauen, die sich mit einer Burka verhüllen. Ist das überhaupt ein Land, in dem man jemals die schönen Seiten des Lebens kannte – Konzerte, Kinos, Museen, fragt sich der unbefangene Betrachter dieser Bilder. Die Taliban haben versucht, die Kultur mit Stumpf und Stil auszurotten. Sie vernichteten Kunstwerke, die nicht in ihr Lebensbild passten wie die großen, zum Weltkultur-erbe zählenden Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal. Künstler wurden verfolgt und getötet. Omar Sultan, stellvertretender Minister für Kultur der Islamischen Republik Afghanistan, beklagt im Katalog zur Ausstellung „Gerettete Schätze“: „Unsere junge Generation ist in den Wirren des Krieges aufgewachsen, und wir müssen alles tun, um Gewalt und Hass als bleibende Folgen zu überwinden. Wir haben diese Ausstellung auch auf den Weg gebracht, um der internationalen Gemeinschaft unsere Entschlossenheit deutlich zu machen, uns von den Zeiten des Krieges zu einer Kultur des Friedens zu entwickeln. Wir sind stolz, in diesen Artefakten von unschätzbarem Wert das reiche und einzigartige Kulturerbe Afghanistans präsentieren zu können.“

Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle zeigt 230 Objekte aus vier archäologischen Grabungsstätten. Ihre Geschichte in den vergangenen 30 Jahren ist fast noch abenteuerlicher als die der Ausgrabungen, an denen maßgeblich französische Archäologen teilnahmen. Sie waren es auch, die eine solche Ausstellung anregten. Vor dem Ende der sowjetischen Besatzung gelang es Mitarbeitern des Nationalmuseums 1988, Tausende Exponate im Depot der Zentralbank, das sich im Keller des Präsidentenpalastes befand, in Sicherheit zu bringen. Sie hielten allen Fragen stand, wo denn die Exponate geblieben seien, und sagten, sie wüssten es nicht. Vielleicht seien die Stücke gestohlen oder bei einem Brand vernichtet worden. Erst 2004 konnte der Schatz nach Öffnung der Tresore der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Im Laufe der Zeit gingen tatsächlich viele im Museum verbliebene Schätze verloren. Dem Haus selbst sieht man noch heute die Spuren des Krieges und des Bildersturms der Taliban an. Einige Räume sind wieder aufgebaut und zu nutzen. Dem eisernen Schweigen der Museumsmitarbeiter ist es zu verdanken, dass heute die geretteten Schätze bewundert werden können. Die Artefakte stammen aus der Zeit zwischen 2000 vor Christus bis 200 nach Christus und zeigen die Geschichte Afghanistans vom Altertum bis zu den Kushan, einem Nomadenvolk, das 300 Jahre lang über diesen Teil Afghanistans herrschte. Jedem der Grabungsorte sind zwei Räume gewidmet. Einer liegt in hellem Licht. Dort werden die Fakten anhand von Fotos und Schrifttafeln erläutert.

In einem abgedunkelten Raum werden die Kostbarkeiten präsentiert, geschickt ausgeleuchtet von kleinen Punktstrahlern. Leider ist es schwierig, an die Vitrinen zu kommen, da sich bei den ausnehmend faszinierenden Ausstellungsstücken die Menschen besonders lange aufhalten. Man muss schon Geschick aufbringen, eine Lücke zu erwischen. Behinderte und Kinder dürften beträchtliche Probleme haben, die spektakulären Gold-, Silber- und Elfenbeinstücke eingehend zu betrachten.

Der Halsschmuck, die Ohrringe, kleinen Statuetten und Gläser sind Zeugnisse des Königreichs Baktrien, das an der Schnittstelle der Kulturen entlang der Seidenstraße lag.

Dieser Schmelztiegel der unterschiedlichen kulturellen Strömungen aus Ost und West wurde durch den Feldzug Alexanders des Großen um 330 vor Christus noch durch Einflüsse der Griechen und Makedonier bereichert. In der Ausstellung kann man an einigen Exponaten diese Verschmelzung griechischer, persischer und indischer Motive gut erkennen. Etwa an der nur fünf Zentimeter großen „Aphrodite von Baktrien“, deren Stirn über der Nasenwurzel nach indischer Art ein Punkt (Bindi) ziert. Manche Gipsmedaillons erinnern wiederum an das klassische Griechenland.

Die Exponate aus den vier Grabungsorten Tepe Fullol, Ai Khanum, Tillya Tepe und Begram stehen für die Ausbreitung des Hellenismus bis an die Randgebiete Indiens. Sie zeigen aber auch die Einflüsse der Steppenvölker, welche die Tradition Afghanistans mit geprägt haben. Schätze aus einer untergegangenen Welt sollen Hoffnung machen für eine neue Welt in Frieden.

„Dass ich das noch einmal erleben darf!“ Der Afghane – einer der wenigen, die an diesem Sonntag den Weg in die Bundeskunsthalle gefunden hatte – an der Vitrine mit Goldschätzen aus seinem Land ist sichtlich berührt. Es sei mehr als vier Jahrzehnte her, erzählt er, dass er diese Kostbarkeiten im Nationalmuseum gesehen habe. Mit der Schulklasse seien sie damals dort gewesen, „doch wie das so ist, als Jugendlicher hatte man nicht so recht Verständnis für die Artefakte. Umso besser, wenn ich sie jetzt hier in Deutschland in Ruhe betrachten kann“, lächelt er. Silke Osman

Die Ausstellung in der Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Straße 4, Bonn, ist bis zum 3. Oktober dienstags und mittwochs von 10 bis 21 Uhr, donnerstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr zu sehen, Eintritt 8 /5 Euro, Katalog 32 Euro. Vom 3. März bis 3. Juli 2011 ist die Ausstellung dann im British Museum in London zu sehen.


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