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11.09.10 / Verhinderter Kanzler und Präsident / Vor 100 Jahren kam der Bundesinnen-, -außen- und -verteidigungsminister Gerhard Schröder zur Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Verhinderter Kanzler und Präsident
Vor 100 Jahren kam der Bundesinnen-, -außen- und -verteidigungsminister Gerhard Schröder zur Welt

Als vor einigen Jahren auf einer wissenschaftlichen Tagung zur Ära Adenauer ein Vortrag über Gerhard Schröder angekündigt wurde, kam aus dem Publikum die nicht ganz ernst gemeinte Frage: „Über welchen?“ Den eigentlichen Lacherfolg konnte aber der Tagungsleiter für sich verbuchen, mit der lapidaren Antwort: „Über den richtigen!“

Über einen allzu großen Bekanntheitsgrad dürfte der langjährige CDU-Bundesminister Gerhard Schröder, dessen große Zeit mit dem Beginn der sozial-liberalen Koalition im Jahre 1969 zu Ende ging und der 1980 endgültig aus dem Bundestag ausschied, heute nicht mehr verfügen. Mit dem Vorgänger Angela Merkels verbindet den ausgesprochen konservativen Politiker außer der zufälligen Namensgleichheit kaum etwas. Eine Gemeinsamkeit wäre das Streben nach dem Kanzleramt. Für den SPD-Kandidaten verlief es 1998 erfolgreich, während die CDU/CSU-Fraktion 1966 Kurt Georg Kiesinger den Vorzug gab und „ihr“ Gerhard Schröder zurückstehen musste.

Geboren wurde er am 11. September 1910 als Sohn eines Reichsbahnbeamten in Saarbrücken. Nach dem Abitur, das er in Trier ablegte, studierte er Jura, unter anderem in Königsberg. Ein wichtiger Grund für die Wahl dieser Universität war die Tatsache, dass die Pregelmetropole untrennbar mit Immanuel Kant verbunden ist. Schröder schätzte den „Philosophen einer strengen Lebensauffassung“ besonders, er äußerte in einem Interview, Kant sei für ihn der Mann gewesen, „der eigentlich das Beste war, was Preußen-Deutschland hervorgebracht hat“.

Nach Studienabschluss und Promotion in Bonn ging Schröder an das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht. 1933 war er, noch als Fakultätsassistent in Bonn, der NSDAP beigetreten und hatte auf Drängen des Oberlandesgerichtspräsidenten einen Aufnahmeantrag in die SA gestellt. Später erklärte er im Bundestag, er sei nicht eine Minute lang Nationalsozialist gewesen. Für ihn spricht, dass der SA-Aufnahmeantrag nach dem Wechsel in die Reichshauptstadt nicht weiter verfolgt wurde und er 1941 sogar aus der NSDAP austrat. In Berlin war Schröder Mitgliedern der Bekennenden Kirche begegnet. Der Austritt ist aber wohl vor allem im Zusammenhang mit Schröders Heirat, ebenfalls im Jahre 1941, zu sehen: Seine Frau war nach den NS-Rassengesetzen „Mischling 1. Grades“, für die Eheschließung war eine Sondergenehmigung erforderlich. Schröder war bereits im September 1939 zur Wehrmacht eingezogen worden. Seine „Unzuverlässigkeit“ im Sinne des NS-Regimes hatte zur Folge, dass er trotz seiner Qualifikation bis zum Kriegsende nicht über den Rang eines Obergefreiten hinauskam.

Noch 1945 wurde ihm eine Tätigkeit beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Düsseldorf vermittelt. Danach war Schröder in der Stahltreuhandverwaltung in Westfalen beschäftigt, bevor er 1949 erfolgreich für den Bundestag kandidierte. Frühzeitig war der überzeugte Protestant der CDU beigetreten. Großen Anteil hatte Gerhard Schröder an der Gesetzgebung der Montanmitbestimmung, die der erste Bundestag verabschiedete, mitunter wird er auch als einer der „Väter der Sozialpartnerschaft“ bezeichnet.

1953 wurde er im zweiten Kabinett Adenauer Innenminister. Intensiv brachte er den bereits laufenden KPD-Verbotsantrag voran. Mit seinem Vorhaben, per Gesetz kommunistischen Funktionären die Einreise in die Bundesrepublik zu verbieten, konnte er sich allerdings nicht durchsetzen. Er vertrat nachdrücklich eine wehrhafte Demokratie, war für einen starken Staat, der in der Lage sein müsse, sich zu schützen, und sah es als seine Aufgabe an, ein demokratisches Staatsbewusstsein zu fördern. Der Politikwissenschaftler Torsten Oppelland, Verfasser einer großen Gerhard-Schröder-Biographie, bewertet diese Einstellung mit den Worten: „Das preußische Erbe ist unverkennbar!“

Ab 1955 war Schröder Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU. Damit war er einer der wichtigsten Repräsentanten des protestantischen Teils der Partei.

In der letzten von Adenauer gebildeten Regierung übernahm Schröder 1961 den Posten des Außenministers. Hier fungierte er als maßgeblicher „Atlantiker“. Das andere Lager innerhalb der CDU, die sogenannten Gaullisten, hatten sich enttäuscht von den USA abgewandt, da diese nun auf Entspannung gegenüber dem Ostblock setzten und die Frage der deutschen Wiedervereinigung aber offenbar nicht mehr als vordergründig betrachteten. Die „Gaullisten“ blickten außenpolitisch in Richtung Frankreich. Hingegen suchten die „Atlantiker“ die Chancen der US-amerikanischen Entspannungspolitik und der Öffnung gen Osten auszuloten. Mit dieser Position zog sich Schröder auch die Kritik vieler Vertriebener zu.

Nach dem erfolglosen Versuch, als Nachfolger Adenauers Kanzler zu werden, wechselte er 1966 auf den Posten des Verteidigungsministers. Einen großen Anlauf unternahm er noch: 1969 kandidierte er für das Amt des Bundespräsidenten. Er unterlag Gustav Heinemann im dritten Wahlgang knapp – die FDP hatte sich bereits in Richtung einer Koalition mit den Sozialdemokraten orientiert und den SPD-Bewerber unterstützt.

Von Schröder heißt es, sobald er den Raum betreten habe, sei die Temperatur um zwei Grad gesunken. Andererseits kann er nicht ganz humorlos gewesen sein. Aus seiner Dienstzeit ist folgende Geschichte überliefert: Als er durch eine geschlossene Bürotür des Auswärtigen Amtes jemanden besonders laut reden hörte, erkundigte er sich nach dem Grund. Es wurde ihm erklärt, der entsprechende Beamte rede mit Paris. Woraufhin Schröder fragte: „Und warum benutzt er dann kein Telefon?“

Brigitte Schröder, die Ehefrau des Politikers, erwarb sich große Verdienste im sozialen Bereich. 1969 gründete sie die Evangelische Krankenhaus-Hilfe mit den ehrenamtlich tätigen „Grünen Damen und Herren“.

Gerhard Schröder konnte den Mauerfall noch erleben. In der Silvesternacht des Jahres 1989 ist er gestorben.     Erik Lommatzsch


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