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11.09.10 / Vom Heimatstübchen zum modernen Museum / Das Siebenbürgische Museum vermittelt zentrale Aspekte dieser rumäniendeutschen Kulturlandschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Vom Heimatstübchen zum modernen Museum
Das Siebenbürgische Museum vermittelt zentrale Aspekte dieser rumäniendeutschen Kulturlandschaft

Gundelsheim mit Schloss Horneck ist nicht nur für Siebenbürger ein durchaus bekannter Begriff im Bereich des Ost-West-Dialoges. Im Vordergrund stehen vor allem die wissenschaftlich-kulturellen Einrichtungen – Siebenbürgen-Institut, Siebenbürgische Bibliothek und Siebenbürgisches Museum –, die der Öffentlichkeit den Kulturraum des „Landes jenseits der Wälder“ gemeinsam vermitteln.

Wer das Siebenbürgische Museum auf Schloss Horneck in Gundelsheim besichtigt, wird bei einem Rundgang durch die neu gestalteten Räumlichkeiten schnell feststellen, dass hier ein modernes Konzept erfolgreich umgesetzt wurde. Die klassische Vitrinenpräsentation ist mit Verfremdungseffekten und multimedialen Darbietungsformen verbunden, so dass der Betrachter auf zwei Ebenen die Vergangenheit und Gegenwart individuell erleben kann. Museumskustos Marius Joachim Tataru hat sich zum Ziel gesetzt, das ehemalige, etwas nostalgisch und altbacken anmutende „Heimatstübchen“ zu einer zeitgemäßen, für verschiedene Besuchergruppen interessanten Institution umzuwandeln. Es sei das Hauptanliegen des Museums – so der Kunsthistoriker Tataru – das siebenbürgische Kulturerbe, die tradierten Lebensmuster der „alten“ Heimat auf ihre zeitgenössische Sinnmäßigkeit zu überprüfen.

Das „Experiment“ ist bestens gelungen, denn heute ist die Dauerausstellung zur Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Existenz im multiethnischen Umfeld des Karpatenbogens darauf ausgerichtet, einerseits die siebenbürgische Problematik facettenreich und sinnstiftend darzustellen, andererseits aber auch die gelungene Integration der Aussiedler und Spätaussiedler in ihrer neuen Heimat zu veranschaulichen. So sind neben Zeugnissen des kirchlichen, ländlichen und städtischen Kulturlebens auch Exponate zur Illustration des von sächsischen Traditionen geprägten Alltags der in Deutschland Lebenden zu sehen. Mittels vier Computer-Terminals erhalten Besucher einen Überblick der einzelnen Stationen oder können Details zu Bereichen wie Geschichte, Kirche und Kleidung abrufen. Eine mit Musik untermalte Diaschau ergänzt das multimediale Erlebnis.

Das Haus besitzt den Status eines Landesmuseums und befasst sich mit der Sicherung, Bewahrung und Dokumentation des Kulturgutes der deutschen Ethnien in Siebenbürgen/Rumänien im weitgespannten Kontext der dortigen pluri-ethnischen Gesellschaft.

Die übersichtlich gegliederte Dauerausstellung wird durch geographische und historische Grundinformationen über Siebenbürgen und das Zusammenleben mit den anderen im Karpatenbogen vertretenen Ethnien eingeleitet. Vor allem Besucher, die Siebenbürgen nicht kennen, aber auf die Bewohner und das „Land jenseits der Wälder“ neugierig sind, bekommen hier das notwendige Wissen, um die Vergangenheit und Gegenwart besser verstehen zu können. Streifzugartig werden zentrale Aspekte der Lebens- und Arbeitswelten in Stadt und Land vorgestellt. Marius Joachim Tataru – der gebürtige Hermannstädter, seit 1992 am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim tätig – verwies bei einem Rundgang durch die Ausstellungsräume auf Höhepunkte der repräsentativen Sammlungsbereiche Bildende Kunst, Kunsthandwerk, ländliche Wohnkultur, Kleidung und kirchliches Leben. Als einer der relevantesten Dokumentationsbereiche hebt sich die Abteilung Kleidung und Heimtextilien hervor, die etwa die Hälfte des musealen Gesamtbestands ausmacht. Da die Identität jeder Ethnie eng verknüpft ist mit ihrer Tracht, kommt den Trachten nicht nur quantitativ eine entscheidende Bedeutung zu. Kinder-, Frauen- und Männerkleidung für werktags und sonntags, jeweils in der Winter- oder Sommerausführung, geben dem Betrachter einen anschaulichen Überblick über die Ent-wicklung der Tracht, über die Einflüsse von außen und das jeweilige Warenangebot.

Die Gemälde- und Graphiksammlung wiederum gestaltet sich wertmäßig als eine der wichtigsten Komponenten des Museumsbestandes, mit weittragender und integrierender Funktion. Vertreten sind bedeutende siebenbürgische Künstler vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, darunter Johann Martin Stock, Franz Neuhauser, Arthur Coulin, Robert Wellmann, Grete Csaki-Copony, Hans Eder, Hermann Konnerth, Ernestine Konnerth, Henri Nouveau (Neugeboren), Trude Schullerus, Hans Hermann, Fritz Kimm und Hans Mattis-Teutsch.

Die gesamtsiebenbürgische Formen-, Dekor- und Technik-Vielfalt lässt sich am Beispiel der umfangreichen Keramik-Abteilung nachvollziehen. Erwähnung finden unter anderen die Draaser Keramik und die bunt bemalte Thorenburger (Tordaer) Keramik, die sich unter dem Einfluss der Habaner Fayencen entwickelt hat und vorwiegend aus ungarischen Werkstätten stammt. Als Besonderheiten gelten auch die kobaltblaue, mit Strichzeichnung und Ritztechnik dekorierte Keisder Keramik-Exponate. Ergänzt wird dieser Sammlungsschwerpunkt durch eine umfangreiche Krüge-Kollektion sowie Scherzgefäße und Giebelkrönungen.

Neben der Dauerausstellung werden im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim jährlich drei Wechselausstellungen eingerichtet. Hinzu kommen Beteiligungen an verschiedenen Projekten im In- und Ausland. Das Haus pflegt die fachliche Zusammenarbeit mit Institutionen in ganz Deutschland sowie einen intensiven Kulturaustausch mit der Heimatregion Siebenbürgen. All das bringt für den Museumskustos Marius Joachim Tataru ein beachtliches Arbeitspensum mit sich, was er aber dank seines jahrzehntelangen Engagements für die siebenbürgische Kultur souverän meistert.

Von Mitte Juli bis Mitte September zeigt der siebenbürgische Bildhauer Kurtfritz Handel, Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2009, im Siebenbürgischen Museum Gundelsheim eine Auswahl von Plastiken und Zeichnungen.

Zu den herausragenden grenzüberschreitenden Projekten gehört die Präsentation „Kirchenraum im Wandel“, die im Schatzkästlein von Hermannstadt/Sibiu zu sehen war. Dr. Irmgard Sedler, die Kuratorin der Ausstellung und Vorsitzende des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim e.V., und Marius Joachim Tataru zeichneten für dieses Vorhaben federführend. Seltene Werke von Künstlern wie Arthur Coulin stellte das Siebenbürgische Museum für Präsentationen in Kronstadt/Brasov und Hermannstadt zur Verfügung.

Für gute Publikumsresonanz sorgte die Ausstellung „Apokalyptische Bilderwelten“ des siebenbürgischen Holzschnittkünstlers Gert Fabritius im Hermannstädter Schatzkästlein. Veranstalter der Präsentation waren die Kooperationspartner Nationalmuseum Astra (Hermannstadt), das Siebenbürgische Museum (Gundelsheim) und das Museum im Kleihues-Bau (Kornwestheim).

Beim Bundesbeauftragten für Kultur und Medien in Bonn berieten vor kurzem Vertreter des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Gundelsheim sowie der siebenbürgisch-sächsischen Verbände und Vereine über eine neue Gesamtkonzeption siebenbürgisch-sächsischer Kulturarbeit zur Sicherung und Weiterentwicklung des Siebenbürgischen Museums und des Siebenbürgen-Instituts. Konkret wurde unter anderem über ein künftiges Siebenbürgisches Kulturzentrum Gundelsheim gesprochen, das auf den beiden Säulen Siebenbürgisches Museum und Siebenbürgen-Institut beruhen soll.      Dieter Göllner


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