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11.09.10 / Glück durch Selbstbeschränkung / Eine neue Biographie erörtert, inwieweit Arthur Schopenhauer seine eigenen Thesen lebte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-10 vom 11. September 2010

Glück durch Selbstbeschränkung
Eine neue Biographie erörtert, inwieweit Arthur Schopenhauer seine eigenen Thesen lebte

Seit der Aufgabe seiner Berliner Lehrtätigkeit im Jahre 1831 lebte der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788–1870) in Frankfurt am Main als Privatgelehrter. Mit seinem Lebensstil entsprach er dem von ihm entworfenen Bild eines ganz auf sich selbst gestellten Solitärs, wurde jedoch als Außenseiter-Existenz wahrgenommen.

Erfolg und Anerkennung seiner philosophischen Abhandlungen und damit deutlich mehr gesellschaftliche Teilhabe stellten sich für ihn erst 1851 nach dem Erscheinen seines zweiten Hauptwerks „Parerga und Paralipomea“ ein. Schopenhauer verstand sich als Kantianer. Doch während es im Kantschen System der „Ideen der Vernunft“ keinen radikalen Trennungsstrich zur Theologie gibt, rechnete Schopenhauer, der Kaufmannssohn aus Danzig, endgültig ab mit der Vorstellung eines Individuums, das sich mit einem göttlichen Willen in Einklang bringen kann.

Waren es ursprünglich persönliche Erfahrungen, die den international am meisten gelesenen deutschen Philosophen zum Pessimisten dieser Sparte schlechthin werden ließen? Fragen wie dieser geht Robert Zimmer in seiner Biographie „Arthur Schopenhauer – Ein philosophischer Weltbürger“ nach. Ein Wink vorweg: Vor der Hürde der philosophischen Systeme von Platon bis zu Schopenhauer selbst braucht niemand zurückzuschrecken, da der Verfasser dem Leser das Verständnis der Lehren – die keinesfalls schwerpunktmäßig behandelt werden, thematisch bedingt aber ein Hauptgegenstand sind – denkbar leicht macht.   

Schopenhauer habe, so Zimmer, seine eigene Erfahrung mit literarischen, philosophischen und religiösen Weltanschauungen der verschiedensten Kulturen und Epochen abgeglichen, diese verarbeitet und zu einer neuen Einheit zusammengefügt. Fernab von christlich geprägter Metaphysik, im Buddhismus, erkannte er die ihm gemäße Lösung der Frage nach der Leidensüberwindung. Sein Ansatz zielt auf die bewusste „Umkehr“ des sogenannten „Willens“ ab, eines unvernünftigen Weltprinzips. Danach eröffnet sich dem Individuum nur durch Verneinung und Askese die Möglichkeit, dem Kreislauf des Willens zu entkommen. Diese Haltung kennzeichnet nach Schopenhauer den „Weltweisen“. Er legte dar: Nur durch fortwährende Selbstbeobachtung und -beschränkung werde dem Individuum gleichzeitig ein Quantum Glück zuteil. Im Mittelpunkt von Schopenhauers Moralphilosophie steht eine Mitleidsethik, die auch das Tierreich einbezieht. Zimmer bezeichnet den Philosophen als „Januskopf“: Sein Weltbild, „eine Mischung zwischen Aufklärung, Wissenschaftsorientierung und Mystik“, beeinflusste Philosophen und Literaten – wie zum Beispiel Thomas Hardy und Leo Tolstoi –, aber auch den Vater der Psychoanalyse Siegmund Freud.  

Doch wie bei so manchem Verkünder hehrer Maximen ist eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Lebenswirklichkeit zu verzeichnen. So lesen wir: „Schopenhauer sah die Beziehung zu einer angetrauten Partnerin nicht als eine gleichberechtigte, symmetrische, sondern vor allem als eine Gefahr für den Geldbeutel. Auch Kinder schienen ihm eher eine Belastung.“ Vorwürfe der Geldverschwendung hatten bereits 1814 zum Bruch mit seiner Mutter Johanna geführt. Sie träten in „Parerga und Paralipomea“ in Form von Ressentiments gegen das weibliche Geschlecht wieder zutage, glaubt Zimmer, und man wird ihm recht geben müssen. Auch hatte der Philosoph verkündet, „dass das Leben uns den Schleier der Illusionen von den Augen reißt und Glück nur in abwesender Form von Schmerz erreichbar ist“. Ehre und Ansehen seien gering zu achten, wertvoll sei dagegen der Ruf als anerkanntes Mitglied der Gesellschaft. Sein später Durchbruch erfüllte ihn dann aber doch mit außerordentlicher Genugtuung. Unberührt davon bleibt die Bedeutung seines „einzigartigen, epochalen Werks“: „Schopenhauer ist einer der großen Stichwortgeber der Moderne. Wir sollten ihn als philosophischen Lebensbegleiter und Gesprächspartner begreifen“ lautet das Resümee des Autors dieser rundum gelungenen Studie. Dagmar Jestrzemski

Robert Zimmer: „Arthur Schopenhauer – Ein philosophischer Weltbürger“, dtv, München 2010, kartoniert, 299 Seiten, 14,90 Euro


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